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HEIK AFHELDT trifft …: Kulturmanager Folkert Uhde

Das ehemalige Pumpwerk an der Spree steht beispielhaft für die Metamorphose Berlins nach dem Mauerfall. Kultur wird zum Lebenssaft der Stadt, alte Industriebauten werden neu genutzt.

Das Radialsystem im alten Pumpwerk an der Spree ist heute eine weltweit beachtete „Kulturfabrik“, in der Tanz, Musik, Schauspiel, Kunst und Dialog Tausende von Besuchern anziehen. Mehr als 800 Veranstaltungen waren es seit der Eröffnung vor drei Jahren. Einer der beiden Initiatoren, Folkert Uhde, hat jüngst den Preis als „Kulturmanager des Jahres“ erhalten. Die Idee zum Berliner Kulturhaus als „Ort für Innovation und Begegnung“, der sich selber tragen sollte, hatten er und Jochen Sandig, der Mann von Sasha Walz. Das war mehr als mutig.

Das ungewöhnliche Haus „hat uns gefunden“, erzählt der unverändert begeisterte, uneitle Wilhelmshavener mit seinem leicht bärtigen Gesicht und randloser Brille. Der Architekt Gerhard Spangenberg hatte einen überzeugenden Entwurf und einen Investor für den zehn Millionen Euro teuren Umbau. Von der Lottostiftung kamen 2,2 Millionen Euro für die technische Ausstattung. Für den Zehn-Jahres-Mietvertrag mussten die zwei Gesellschafter persönlich haften. Heute arbeiten sie mit 23 Mitarbeitern und einem Jahresetat von rund drei Millionen Euro. Sie haben den Investor nicht enttäuscht. Das Ziel aber ist, dass eines Tages die von ihnen gegründete gemeinnützige „Radial Stiftung“ das Haus erwirbt.

Uhde wünscht sich „weniger Kampf ums Überleben und mehr Zeit für künstlerische Projekte“. Das ist nur zu verständlich, wenn man auf sein Leben zurückblickt. Das lebhafte Interesse an Musik hat er früh im „musikinteressierten Elternhaus“ mitbekommen. Viele Platten, Jazz, Klassik und alte Musik. Geige hat er gespielt, im Kinderchor gesungen und Kirchenmusik gemacht. Ein renitenter Schüler und Schulsprecher war er. Nach dem Abi hatte er „die Nase gestrichen voll von Schule“. Mit langen Haaren und Nickelbrille war er als Straßenmusiker in Nordeuropa unterwegs. Dann folgte eine Lehre als Radio- und TV-Techniker.

1987 brachte ihn der drohende Wehrdienst nach Berlin als Student der Kommunikations- und Musikwissenschaften an der TU. Parallel studierte er alte Musik in Bremen und verdiente Geld als „fahrender Musiker“ – als Bratschist. Ein schlimmer Autounfall mit einer bleibenden Handverletzung beendete das Musikerleben und stürzte ihn in eine Krise. Heraus kam er mit einer neuen Agentur für Konzert- und Projektmanagement. Die betreibt er als „U&H MM“ zusammen mit Tilman Harckensee und fünf Mitarbeitern bis heute. Das Radialsystem kann die Gesellschafter noch nicht ernähren.

Privat ist Folkert Uhde mit einer Cellistin verbunden. Sie wohnen mit ihrer vierjährigen Tochter und einem weiteren kleinen Hoffnungsträger an der Grenze von Kreuzberg und Schöneberg. Sie wandern gerne, wenn ihre knappe Zeit es erlaubt – ganz ohne Instrumente!

Heik Afheldt war Herausgeber des

Tagesspiegels.

Folkert Uhde (44) ist geschäftsführender Gesellschafter und Künstlerischer Leiter im Radialsystem V. Der Musiker und gelernte Radio- und Fernsehtechniker stammt aus Wilhelmshaven.

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