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© Mike Wolff

Italien in Berlin: Jenseits der Pizzeria

Fast unbemerkt, aber mit großem Erfolg erobern italienische Geschäftsleute zunehmend Berlin und Umgebung. In der Stadt gibt es schon mehr als 1100 italienische Firmen aller Art.

So produzieren 50 deutsche und italienische Mitarbeiter bei der Firma Francia Mozzarella in Tempelhof 4,3 Millionen Kilo Käse pro Jahr. Und hundert Kilometer von Berlin entfernt sind deutsche Tradition und italienisches Design der Firma Porcelaingres, die zur Fiandre-Gruppe gehört, in Vetschau ein Bündnis eingegangen – dort werden Steinfliesen hergestellt. Der Umsatz ist zwischen 2003 und 2009 von sechs auf 30 Millionen Euro gestiegen.

Inzwischen sind 1108 italienische Betriebe bei der IHK Berlin eingetragen. Damit nimmt das Land nach der Türkei, Polen und Vietnam den vierten Platz ein. Das sei aber nur eine ungefähre Zahl, sagt Domenico Varuzza von der Italienischen Handelskammer für Deutschland. „Viele Firmen sind noch nicht registriert.“

Einen Boom verzeichnet das Gaststättengewerbe mit Restaurants und Pizzerien. „Essen ist seit jeher der Spitzenbereich“, sagt Varuzza. Aber es ist nicht der einzige: In den vorigen Monaten haben sich in Berlin und Umgebung Dutzende neuer Firmen aus unterschiedlichsten Bereichen angesiedelt – von Spielzeugläden wie Bartolucci bis zu Maklern. „Jeden Monat kommen mindestens drei Italiener mit der Bitte um Unterstützung für eine Gründung zu uns“, sagt Varuzza. „Noch vor einigen Jahren war das undenkbar.“

Nach Ansicht des Vorstandschefs von Porcelaingres, Graziano Verdi, bietet Deutschland mehr Möglichkeiten für Qualitätsprodukte. „Hier herrscht Seriosität, die Bürokratie ist klarer strukturiert und der Staat ist tatsächlich gegenwärtig.“ Für seine Fabrik mit 100 Mitarbeitern in Vetschau erhielt das Unternehmen eine Unterstützung vom Land Brandenburg, die 35 Prozent der Investition in Höhe von 50 Millionen Euro abdeckte.

Die Wirtschaftskrise hat trotz gestiegener Milchpreise auch Francia Mozzarella nicht an der Expansion gehindert. Die Francia-Gruppe, die DOP-Mozzarella in der pontinischen Ebene bei Rom produziert, ist seit 1995 in Deutschland vertreten. 2001 hat sie für 15 Millionen Euro eine Fabrik in Tempelhof errichtet, eine der Produktionsstätten mit dem höchsten Grad an Automatisierung in Europa. Trotzdem wird weiterhin nach den Regeln der Tradition produziert. Die Käselaibe etwa formt Gioacchino, der Sizilianer, per Hand. Die 50 Mitarbeiter stellen aus täglich angelieferter Milch Mozzarella und Bio-Mozzarella, Ricotta, Butter und Caciotta-Käse her, der Umsatz beträgt rund 20 Millionen Euro im Jahr. Zu den Kunden gehören Restaurants in Berlin und anderen deutschen Städten. „Unsere Philosophie besteht darin, Tradition und Innovation zu verbinden“, sagt Generaldirektor Pierluigi Verga. Er betreibt mit der Firma Monti, die in drei Berliner Läden italienische Produkte verkauft, auch ein eigenes Geschäft und setzt besonders auf Weinhandel.

Bei Monti kann man sieben Sorten Wein vom Fass zapfen. „In Deutschland wächst der Weinverbrauch“, sagt Mitinhaberin Adriana Sevan. „Wir verkaufen vor allem lose Produkte, darunter auch Pasta, Öl, Grappa und Essig.“ Die Firma macht 200 000 Euro Umsatz und expandiert. Im November 2009 eröffnete sie in Prenzlauer Berg ihre dritte Filiale, im März soll „Little Italy“ in Rudow folgen. Dort wird es auf 800 Quadratmetern auch ein spezielles Salamigeschäft, einen Grill-Imbiss und ein Restaurant geben.

Bisher halten die Firmen der Krise stand, doch ganz verschont blieben sie nicht. Das Italienische Außenhandelsinstitut (ICE) in Berlin schätzt den Rückgang der Wirtschaftsaktivität in Deutschland im Vorjahr auf fünf bis sechs Prozent. Nun will das ICE verstärkt „unsere Qualitätsprodukte durch Informationskampagnen und die Teilnahme an Messen fördern.“ Sara Scarafia

Die Autorin ist Redakteurin der Tageszeitung „La Repubblica“ in Palermo. Dieser Bericht entstand im Rahmen des Journalisten–Austauschprogramms „Nahaufnahme“ des Goethe-Instituts.

Sara Scarafia

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