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Konjunkturpaket: Berliner Handwerker sollen ran "an den Speck"

Im Juni starten in Berlin Ausschreibungen nach dem Konjunkturpaket. Baubetriebe erwarten die Auftragsflut. Bezirkspolitiker befürchten bereits, dass es gar nicht ausreichend Unternehmen gibt, die sich der Projekte annehmen können.

Bald geht es los: Die Senats- und Bezirksverwaltungen wollen ab Juni erste Investitionen aus dem Konjunkturpaket II ausschreiben, denn alle Projekte müssen bis Ende 2010 abgeschlossen sein. Für Kita- und Schulsanierungen zum Beispiel werden in den Rathäusern zurzeit die Bauplanungsunterlagen erstellt. Bereits in zwei bis drei Monaten will sich Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) mit einigen Beteiligten treffen und „die ersten Ausschreibungsergebnisse prüfen“. Sie habe den Bezirken schriftlich die Dringlichkeit attestiert, sagt Junge-Reyer. Dies ermögliche bei Bedarf auch freihändige Auftragsvergaben ohne Ausschreibung und sichere die Verantwortlichen bei späteren Überprüfungen durch den Rechnungshof ab.

Unterschiedliche Ansichten gibt es darüber, ob die Berliner Bauwirtschaft die erwartete Auftragsflut schnell abarbeiten kann. „Ich habe die Befürchtung, dass sehr wenig Zeit bleibt und es nicht genug leistungsfähige Firmen gibt“, sagte der Spandauer Baustadtrat Carsten Michael Röding (CDU) am Montagabend bei einer Podiumsdiskussion der IHK. In seinem Bezirk sei erst im August mit größeren Ausschreibungen zu rechen – und dann werde man „nicht als Einziger“ auf den Markt kommen. Auch der Friedrichshain-Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) hält einen Engpass bei den energetischen Sanierungen für möglich – bei der Wärmedämmung von Fenstern mangele es an Spezialisten.

Branche sieht "keine Kapazitätsprobleme"

Für die Fachgemeinschaft Bau ist dagegen klar, dass die Branche „keine Kapazitätsprobleme“ hat. Das Konjunkturpaket führe nicht zu einem starken Auftragszuwachs, sondern „gleicht nur Rückgänge aus“, sagte Hauptgeschäftsführer Wolf Burkhard Wenkel. Nötig sei eine Liste aller Ausschreibungen, damit sich Firmen früh vorbereiten können. Außerdem müssten die Ämter mehr freie Planungs- und Projektsteuerungsbüros beauftragen, fordern der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen und der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen.

Diese Forderung hält Lichtenbergs Stadtrat für Wirtschaft und Immobilien, Andreas Prüfer (Linke), für erfüllt: Er habe externe Büros eingeschaltet, mit denen es früher eine gute Zusammenarbeit gab. Friedrichshain-Kreuzberg will außerdem sechs neue Stellen im Bauamt schaffen – befristet bis zum Jahresende.

IHK sieht Probleme bei den Bezirken

Unternehmen, die sich um Aufträge bewerben wollen, müssen ihre Eignung belegen. Wichtig sei besonders die Eintragung im Berlin-Brandenburger Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis für öffentliche Aufträge (ULV), sagt der Unternehmensberater Burkhard Kühn. Firmen könnten ihre Qualifikation zunächst in „Eigenerklärungen“ darlegen und später Unterlagen nachreichen. Außergewöhnlich seien die kurzen Fristen: Für das ganze Ausschreibungsverfahren sei in der Regel nur ein Monat vorgesehen.

IHK-Präsident Eric Schweitzer hält es für richtig, dass die Mittel der Bildung und Infrastruktur zugute kommen, zumal in den Vorjahren „der harte Sparkurs zu Lasten der Infrastruktur gegangen ist“ und bei den öffentlichen Gebäuden ein „Investitionsstau“ in Höhe von etwa 1,6 Milliarden Euro entstanden sei. Doch selbst in normalen Jahren gelinge es den Ämtern meist nicht, alle verfügbaren Mittel zielgerichtet auszugeben. Die für das Konjunkturpaket geplante Frist bis Ende 2010 sei „eine große Herausforderung, insbesondere für die Bezirke“.

630 Millionen Euro sind im Topf

Änderungen bei der Mittelverteilung fordert Axel Wunschel, Geschäftsführer des Bauindustrieverbands: Für Straßenmodernisierungen sei zu wenig Geld eingeplant, der Schwerpunkt solle „etwas mehr in Richtung Verkehrs-Infrastruktur“ verlagert werden. Dies ist laut Stadtentwicklungsverwaltung aber unmöglich: Der Bund wolle nur „in die eigene Verkehrsinfrastruktur investieren“, sagt Senatorin Junge-Reyer, und Bundesstraßen „haben wir in Berlin kaum“.

Von den 632 Millionen Euro des Konjunkturpakets fließen 196 Millionen Euro in Schulen und 131 Millionen in die Hochschulen, 84 Millionen in Kitas und 54 Millionen in Krankenhäuser. Zu den weiteren Posten zählen Sanierungen weiterer Gebäude (104 Millionen Euro), Lärmschutz (15 Millionen) sowie Zuwendungen an die Charité (12 Millionen) und die Bäderbetriebe (sechs Millionen). Unter den prominenten Gebäuden, die energetisch saniert werden, sind die Deutsche Oper, der Kammermusiksaal der Philharmonie, der Friedrichstadtpalast und die Amerika-Gedenkbibliothek.

Die Handwerkskammer will ihre Mitglieder „an den Speck führen“, wie es Hauptgeschäftsführer Jürgen Wittke ausdrückt: Zahlreiche kleinere Betriebe hätten sich nach schlechten Erfahrungen „aus der öffentlichen Auftragsvergabe verabschiedet“. Nun gelte es, diese Handwerker zu „reaktivieren“. Wie viele Aufträge nach Berlin und Brandenburg gehen werden und wie viele an Mitbewerber aus anderen Regionen, wagen die Experten bisher nicht zu schätzen.

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