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© Kai-Uwe Heinrich

Nebenjob: Hochsaison für Jobber

Kellner, Bademeister, Umzugshelfer: Aushilfskräfte sind im Sommer gut beschäftigt. Berliner Sommerjobs gibt es unter anderen in Freibädern oder auch auf den Passagierschiffen.

In diesem Jahr sind es 300 Neue. Kellner, Köche, Spüler. Sie sind Fachkräfte, flexibel, bereit Überstunden zu machen. Und vor allem seetauglich. Horst Meier, Geschäftsführer der Berliner Stern- und Kreisschifffahrt, lässt mehr als 30 Passagierschiffe auf Spree und Havel fahren. Die Sommermonate sind für Meier das Hauptgeschäft. „Trotz Wirtschafts- und Finanzkrise gibt es auf den Ausflugsschiffen genug Arbeit“, sagt er. Meier ist im Sommer einer der wichtigsten saisonalen Arbeitgeber in Berlin.

Vor allem die Gastronomie, das Veranstaltungsmanagement oder Badeanstalten profitieren von den kurzfristigen Arbeitsstellen. Sommerwetter und Urlaubszeit locken viele Besucher in die Stadt – nach Angaben der Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) sind es an Spitzentagen bis zu 450 000 Menschen aus aller Welt. Dieser Ansturm schafft Arbeitsplätze. Aber auch Steinmetze, Dachdecker oder Bauhelfer werden vor allem in den Sommermonaten beschäftigt. Wie viele Berliner Saisonjobber sind, können die Jobvermittler allerdings nur schwer einschätzen: „Je nach Qualifikation und Auftragslage werden die Stellen meist kurzfristig vergeben“, sagt René Dreke, Sprecher der Agentur für Arbeit in Berlin-Mitte. „Der Bedarf ist jedes Jahr enorm.“

Grit Schössow arbeitet seit fünf Jahren für den Reeder Horst Meier. Drei davon hat sie auf dem Schiff verbracht. Von April bis Oktober leitete sie die Gastronomie. Schwarze Hose, weiße Bluse, rutschfeste Schuhe. Dazu ein hellblaues Tuch. Schössow hat die Passagiere mit Getränken versorgt, das Oberdeck hübsch gemacht und für ausreichend seetaugliche Gläser und Teller an Bord gesorgt. Die Jahre zuvor hatte sie auf dem Tegernsee oder an der Nordsee gearbeitet. „Die Arbeit auf dem Schiff war für mich eine Herausforderung“, sagt sie. Nicht nur wegen des Seegangs, sondern besonders durch die vielen Überstunden. „Für Familie oder Freunde bleibt kaum Zeit“, sagt die 38-Jährige.

Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Berlin, beobachtet seit Jahren den Trend in der Gastronomie, Mitarbeiter nur noch nach Auftragslage zu beschäftigen. Der Hotelfachmann spricht lieber von Aushilfskräften als von Saisonarbeitern. „Die Zahl der Festangestellten ist kontinuierlich zurückgegangen“, sagt Lengfelder. „Bei Großveranstaltungen setzen die Besitzer auf Aushilfen, die kurzfristig eingesetzt werden können.“

Weil die Unternehmen sparen müssen, sind in Zeiten der Krise Umsatzeinbußen von rund einem Drittel deutlich zu spüren. Zu Tagungen oder Konferenzen werden weniger Leute eingeladen, die Veranstaltungen auf einen Tag gekürzt, und statt des Fünf-Gänge-Menüs gibt es Snacks. „Falls mehr Leute gebraucht werden, muss auch der Bankettkellner Kaffee ausschenken“, sagt Lengfelder. „Die Zuständigkeiten der Angestellten werden umgeschichtet.“

Temperaturen über 25 Grad, Sonne und Schulferien: Tobias Apelt hat zurzeit genügend Kundschaft im Seebad Friedrichshagen am Müggelsee in Köpenick. Wenn es gut läuft, bezahlt der 37-Jährige mindestens vier Leute pro Tag: einen am Einlass, einen, der den Imbiss macht, und zwei Leute, die für die Sicherheit zuständig sind. Dazu kommen Rettungsschwimmer, die aus dem nahe gelegenen Verein stammen. Von der Krise merkt Pächter Apelt im Seebad nur wenig. Für ihn entscheidet die Wetterprognose über Erfolg oder Verlust im Tagesgeschäft. „Wenn der Himmel nach Regen aussieht, muss ich meinen Leuten absagen oder sie nach Hause schicken.“ Spätestens im Oktober, wenn die Badesaison vorbei ist, ziehen seine Mitarbeiter weiter. Er versucht die Kollegen im Winter an andere Arbeitgeber zu vermitteln. „Die guten Leute sollen im nächsten Jahr wieder für uns arbeiten“, sagt Apelt. Im Winter organisiert er Konzerte oder Veranstaltungen für große Gesellschaften.

Den typischen Saisonarbeiter gibt es nicht, alle Alters- und Berufsgruppen arbeiten auf Zeit. Die meisten Jobber sind aber nach wie vor Studierende und Schüler. Die Arbeitsvermittlung Heinzelmännchen des Studentenwerks Berlin hat im vorigen Jahr knapp 30 000 Jobs vergeben. Malerarbeiten, Boden verlegen, Umzugskartons schleppen: Die meisten Privatleute suchen im Sommer nach Hilfe im Haushalt oder bei Renovierungsarbeiten.

Die gewerblichen Anbieter geben zu mehr als 50 Prozent Arbeitsplätze in Biergärten oder Hotels an die Vermittlung. An zweiter Stelle stehen Urlaubsvertretungen in Büros. „Saisonjobs sind ideal für Studierende“, sagt Daniel Cohn, Arbeitsvermittler bei den Heinzelmännchen. Beliebt sind Aufträge, die nur ein paar Tage dauern. Denn viele Studenten können nicht regelmäßig arbeiten, weil ihre Studiengänge umstrukturiert wurden und einen strafferen Stundenplan haben. Rund 3000 Hochschüler stehen in der Datenbank. Auch bei den Heinzelmännchen macht sich die Krise bemerkbar. Cohn schätzt, dass in diesem Sommer rund ein Drittel weniger Angebote von den Firmen eingehen. Doch er ist überzeugt: „Wer flexibel ist und ein bisschen warten kann, findet in jedem Fall einen Aushilfsjob.“

Hotelfachfrau Grit Schössow arbeitet inzwischen im Büro von Reeder Horst Meier. „Jetzt habe ich geregelte Arbeitszeiten“, sagt sie. Die Zeit als Saisonarbeiterin vermisst sie trotzdem. Denn jede Schiffstour war anders, ständig hat sie Menschen aus der ganzen Welt getroffen. Und im Winter immer lange Urlaub gemacht.

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