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Spiele-Unternehmen: Das große Daddeln

Der Umsatz mit Videospielen in Deutschland wächst. Ein Zentrum der Entwickler ist Berlin Jetzt hat das Land die Branche als Wachstumsmarkt entdeckt und fördert sie mit einem neuen Programm

Links und rechts je ein beweglicher Balken, dazwischen titscht ein kleiner Punkt: „Pong“, das erste weltweit erfolgreich vermarktete Computerspiel war ein Meisterwerk des Minimalismus. Rudimentärer ließ sich ein Tennismatch kaum darstellen – aus technischen Gründen allerdings auch nicht aufwändiger. 1972 steckte die Computertechnologie schließlich noch in den Kinderschuhen.

Das Spiel wurde trotzdem ein Erfolg und legte den Grundstein für eine ganze Industrie. Heute erscheinen in Deutschland jährlich rund 1000 neue Titel, die mit dem Urspiel so viel gemeinsam haben wie ein moderner Airbus mit dem Flugzeug der Gebrüder Wright. Formel-1-Rennen in fotorealistischer Umgebung und realitätsgetreue Flugsimulatoren sind heute technisch kein Problem mehr und finden reißenden Absatz. Die Spieleindustrie ist ein Milliardengeschäft.

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„Computerspiele sind das am stärksten wachsende Segment der Medienwirtschaft“, erklärt Olaf Wolters, Geschäftsführer des Bundesverbandes Interaktiver Unterhaltungssoftware (BIU) in Berlin. Die Hauptstadt ist einer der Entwicklungsschwerpunkte in Deutschland. Rund zwei Dutzend Spieleentwickler sind laut der Senatsverwaltung für Wirtschaft an der Spree zu Hause.

Weltweit erzielte die Branche im Jahr 2006 rund 31 Milliarden Euro. Laut einer Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PWC) sollen es 2010 schon 46,5 Milliarden sein. In Deutschland wuchs der Markt im vergangenen Jahr laut PWC um sieben Prozent und machte einen Umsatz von geschätzten 1,7 Milliarden Euro. Während der Absatz bei den PC-Spielen annähernd konstant blieb, konnte das Konsolensegment um 13 Prozent zulegen. Stärkster Wachstumsmarkt waren die Onlinespiele, die ihren Umsatz von 127 auf 250 Millionen Euro fast verdoppelt haben. Bereits jetzt hat die Branche damit den Umsatz der deutschen Filmtheater überholt. Der lag 2005 bei rund 745 Millionen Euro.

Die deutschen Entwickler profitieren jedoch erst langsam von dem Boom. „Es sind besonders die Produkte der Marktführer aus den USA, Kanada und Japan, die für die Umsatzgewinne verantwortlich sind“, sagt André Blechschmidt, Chef der Berliner Spieleentwickler Radon Labs. „Die hiesige Branche profitiert eigentlich erst seit drei Jahren wieder von dem allgemeinen Wachstum. Erst seit 2004 wächst auch der Markt für in Deutschland produzierte Spiele wieder mit.“ Viele Unternehmen würden ihr Geld jedoch nach wie vor mit „Kleinproduktionen“ verdienen und nicht mit aufwendig und mit Millionenbudgets realisierter Spielesoftware.

Das Geschäft lohnt sich trotzdem. Radon Labs ist mit rund 70 Mitarbeitern bereits jetzt der größte Spieleentwickler in der Hauptstadt und wächst weiter. „Wir stellen eigentlich permanent neu ein“, sagt der Geschäftsführer. Die Zukunft der Branche sieht er jedoch nüchtern. Eine Chance, den internationalen Markt zu knacken, gäbe es derzeit nur für wenige Firmen. „Die Budgets, die für große Produktionen ausgegeben werden, liegen im Bereich zwischen 10 und 15 Millionen Euro.“ Oftmals wären ein paar Dutzend Programmierer über Jahre hinweg beschäftigt. Ein Aufwand, den viele kleine Firmen nicht stemmen könnten, und auf die Unterstützung der großen Verlage in Amerika und Fernost könne man hierzulande auch nicht unbedingt zählen.

„Standortnachteil Deutschland“ nennt Blechschmidt das. „Wir müssen uns klar machen, dass die Spieleentwicklung in Deutschland für die Branchenriesen aus Übersee ungefähr so sinnig ist wie eine Produktion in Afrika für einen deutschen Autohersteller. Die arbeiten lieber mit näher gelegenen Firmen zusammen.“ Auf kurze Sicht, so seine Prognose, werde die heimische Spieleentwicklung zwar wachsen, im internationalen Vergleich aber weiterhin erst einmal kleine Brötchen backen. Berlin sei für die Spieleentwickler darüber hinaus ein schwieriger Standort, weil sie bei der Vergabe von Fördergeldern ständig mit der in der Stadt traditionell starken Filmbranche konkurrieren müssten. Blechschmidt freut sich jedoch darüber, dass das Land die Branche inzwischen überhaupt als Wirtschaftsfaktor erkannt hat. Ein neues Programm des Medienboards Berlin-Brandenburg, dass die Entwicklung von Computerspielen mit bis zu 100 000 Euro fördert, hält er für einen guten Ansatz. „Die Computerspielebranche ist ein ganz wichtiger Wachstumsmarkt der Region“, sagt Kathrin Steinbrenner vom Medienboard, dem 2007 rund 500 000 Euro für die Förderung digitaler Inhalte zur Verfügung stehen. Wenig im Vergleich zu dem zweistelligen Millionenbudget der Filmförderung, aber ein Anfang. Für 2008 kündigte Wirtschaftssenator Harald Wolf jedoch einen neuen Fonds mit einem Umfang von 30 Millionen Euro an, der auch der Spielebranche zugute kommen soll.

„Die dringendste Aufgabe ist jetzt die Vernetzung der Branche“, sagt Steinbrenner. Eine Möglichkeit dazu biete die in diesem Jahr erstmalig in Berlin stattfindende Entwicklermesse Quo Vadis – im Rahmen der vom Medienboard veranstalteten Games-Tage, die zwischen dem 19. und 21. April im Umweltforum in Friedrichshain abgehalten werden.

Wie immer sich die Branche auch entwickelt, an Nachwuchs wird es Berlin nicht fehlen. Bei der Ausbildung spielt die Stadt bereits jetzt eine Vorreiterrolle. 2000 wurde hier die Games-Academy gegründet, die einzige staatlich anerkannte Ausbildungsstätte für Spieleentwickler in Europa. 120 Studenten gibt es derzeit. Ihre Jobaussichten seien gut, sagt der Direktor Thomas Dlugaiczyk. 75 Prozent fänden binnen zwei Monaten nach ihrem Abschluss einen Job.

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