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Verlagsumzug: Suhrkamp im Sog nach Berlin

Wir fahren nach Berlin: Die Hauptstadt wird auch zur Buchstadt Nummer eins. Vieles spricht nun auch für den Umzug des Frankfurter Verlags nach Berlin.

Der politische Druck aus Frankfurt war schließlich so groß, dass Klaus Wowereit selbst Stellung bezog: "Wir werden nichts Unzulässiges tun", sagte der Regierende Bürgermeister im Abgeordnetenhaus. Vom Werben um den Zuzug des Suhrkamp-Insel-Verlages werde Berlin aber nicht ablassen - auch wenn das "Frankfurt schmerzt".

Das Tauziehen um die 127 Arbeitsplätze, vor allem aber um diesen ganz großen Namen der Buchbranche läuft seit dem Jahr 2006, als Suhrkamp eine Niederlassung in Berlin eröffnete. In Frankfurt bestätigt man, dass ein Angebot vorliegt. Noch sei nichts entschieden - der Umzug werde aber ernsthaft erwogen.

Für den hiesigen Börsenverein des Deutschen Buchhandels versteht sich das von selbst: "Ich wette meine linke Hand darauf, dass Berlin in den nächsten 20 Jahren bundesweit der Verlagsstandort Nummer eins wird", sagt Geschäftsführer Detlef Bluhm. Und daran setzt auch der Senat alles. Mit Erfolg, denn das Wachstum der Branche ist beeindruckend. Bluhm zufolge ist Berlin bereits die Nummer eins gemessen an der Zahl der Verlage, der Literaturagenten, der Autoren und der Buchhandlungen. Nur beim Umsatz und bei den Publikumsverlagen liege München noch knapp vorne. "Aber nicht mehr lange", sagt Bluhm.

Berlin ist attraktiv - und billig

Viele der großen Namen haben ihren Sitz in der Stadt: Der Ullstein Buchverlag aus dem schwedischen Bonnier-Konzern mit Sitz an der Friedrichstraße. Rowohlt Berlin und Argon aus dem Holtzbrinck-Konzern. Die wissenschaftlichen Verlage Walter De Gruyter und Springer. Und der im Charlottenburg-Wilmersdorfer Ortsteil Schmargendorf ansässige Schulbuchverlag Cornelsen.

Zum Erfolg der Branche tragen außerdem die kleinen und mittleren Häuser bei, deren Namen weit über ihre Wirtschaftskraft hinaus strahlen. Ch. Links, Transit, Berlin oder Aufbau, wo verlegerischer Mut Programm ist. Zur Expansion des Bereichs trägt schließlich die Ansiedlung neuer Firmen bei. Im vergangenen Jahr kamen der "ama Musik-Verlag", das Download-Portal für Hörbücher "Audible" und der "Software und Support Verlag" neu hinzu. Und Jacoby & Stuart gründete den Verlag "Edmund Jacoby", der 15 Titel lancierte.

Einer der größten Verlage in der Stadt ist Cornelsen: Der bundesweit wohl führende Herausgeber von Schulbüchern beschäftigt 750 Angestellte. "Um die besten Mitarbeiter für das eigene Unternehmen zu werben, ist neben dem Gehalt und der Unternehmenskultur die Attraktivität des Standorts entscheidend", sagt Geschäftsführer Wolf-Rüdiger Feldmann. Da punkte Berlin, zumal "für das, was die Metropole bietet, die Lebenshaltungskosten sehr niedrig sind", sagt er.

Suhrkamp wurde geködert

Cornelsen ist seit Jahren auf Expansionskurs: zuletzt wurde in Schmargendorf ein Neubau "für einen zweistelligen Millionenbetrag" errichtet. Das Unternehmen, das bis zur Wende 1989 Vertrieb und Marketing in Nordrhein-Westfalen hatte sowie durch Übernahmen Konzernteile in Heidelberg, München und Frankfurt am Main besaß, konzentrierte Anfang der 90er Jahre alle Geschäftsfelder in Berlin. Nur noch die Auslieferung der Bücher erfolgt ab Bielefeld.

Das geschah "aus Effizienzgründen" und weil der Verlag in Berlin gegründet wurde, sagt Feldmann - nicht nur wegen der Anziehungskraft der Stadt. Aber der Cornelsen-Chef sagt auch: "Die Verlagslandschaft ist bundesweit gut aufgeteilt." München und Frankfurt am Main seien starke Wettbewerber. Die Annahme, dass Verlage sich an einem Ort konzentrieren müssten, weil sie die Nähe zueinander suchten, teilt er nicht. "Die Buchmessen in Leipzig und Frankfurt reichen für die Nabelschau völlig aus." Hinzu kämen die wichtigen Bildungsmessen Hannover, Köln und Stuttgart. "Da gibt es genug Austausch", so der Cornelsen-Chef.

Die Köder für den Suhrkamp-Verlag haben die Wirtschaftsförderer aus Reihen der Berlin-Partner ausgelegt. Die verstehen ihr Geschäft: "Wir schnüren maßgeschneiderte Unterstützungspakete, die von der Immobiliensuche über die Finanzierung des Umzugs bis zur Personalrekrutierung reichen", sagt Sprecher Christoph Lang. Der Buch- und Pressemarkt zähle zu den "Wirtschaftskernen", auf deren Förderung sich der Senat konzentriere. Die Details des Suhrkamp-Angebots will er aber nicht verraten.

Springer bleibt noch zu einem Großteil in Heidelberg

Für Berlin spricht nicht nur die Größe dieses Wirtschaftszweiges, sondern auch eine lebendige Literaturszene. Es gibt die immer noch frisch wirkenden Aushängeschilder der "Off-Szene" wie den Berlin-Russen Wladimir Kaminer oder den Musiker-Literaten Sven Regener ("Herr Lehmann"). Es gibt aber außerdem junge Erfolgsautoren und Erzählerinnen wie Judith Hermann, Thomas Brussig oder Julia Franck. Schließlich gibt es das große Reservoir an Nachwuchs, das bei "Poetry Slam" Bühne und Wettbewerb hat.

"Deshalb ist es verwunderlich, dass nicht mehr Belletristik-Verlage in der Stadt sind", sagt Eric Merkel-Sobotta vom Springer-Wissenschaftsverlag. Der Manager sieht sich in seinem Verlagshaus als "erster Cheerleader für Berlin". Doch das Winken und Wedeln hatte bei Springer bisher wenig Erfolg: Der größere Teil des Verlags bleibt in der Universitätsstadt Heidelberg angesiedelt. Weil es einfacher sei, dort Fachkräfte zu bekommen, sagt Merkel-Sobotta.

Sein Freund Sven Fund, Chef bei Springer-Rivale Walter De Gruyter, widerspricht: "Wir haben überhaupt keine Probleme, qualifizierte Mitarbeiter nach Berlin zu holen", sagt er. Das gelte auch für internationale Fachkräfte. Der Verlag ist seit 260 Jahren in Berlin und kaufte 2006 KG-Saur aus München und Max Niemeyer aus Tübingen hinzu. Zentralisiert wird aber nicht: "Tübingen ist wichtig für den ganzen Südwesten Deutschlands", sagt Fund. Der Pflege von Autoren und Lektoren wegen bleibe der Standort. So wie die Zentrale in Berlin bleibt.

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