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Wirtschaft: Die Bahn weicht der französischen Konkurrenz aus

Trotz Öffnung der Märkte drängt der Konzern nicht ins Nachbarland – die Branche spekuliert über ein Stillhalteabkommen

Berlin - 2007 soll das Jahr des Schienengüterverkehrs in der Europäischen Union werden. Endlich fallen wesentliche Beschränkungen weg, und die Schiene kann besser ihren großen Vorteil gegenüber dem Lkw ausspielen: den kostengünstigen Transport über lange Strecken. Doch ausgerechnet die Deutsche Bahn hält sich mit ihrer Tochter Railion zurück. Dabei muss sich auch das bisher abgeschottete Frankreich schon jetzt öffnen. Für Bahnchef Harmut Mehdorn war das Land immer das Paradebeispiel dafür, dass sein Konzern jenseits der deutschen Grenzen deutlich schlechtere Bedingungen vorfindet als die ausländischen Wettbewerber in Deutschland. Die Sicherheitslizenz, um innnerhalb Frankreichs selber Gütertransporte anzubieten, hat die Bahn aber nach eigenen Angaben bisher nicht beantragt.

„Wir machen keinen Wettbewerb um des Wettbewerbs willen“, sagte ein Bahnsprecher dem Tagesspiegel am Sonntag auf Anfrage zur Railion-Strategie. Der Konzern lote derzeit die Märkte „sehr intensiv“ aus, inwiefern sie wirtschaftlich interessant sind. Aber es zeichne sich noch kein Land ab, in das Railion 2007 stark dränge. Ohnehin habe der grenzüberschreitende Verkehr bei Railion bereits einen Anteil von 60 Prozent. In Dänemark, den Niederlanden und Italien hat die Bahn Töchter unter dem Namen Railion. Einen Kommentar speziell zu Frankreich gab der Sprecher nicht ab.

Für Uwe Beckmeyer, den verkehrspolitischen Sprecher der SPD, ist die Railion-Politik nicht nachvollziehbar. „Ich kenne keinen wirtschaftlichen Grund, weshalb die Bahn in Frankreich nicht aktiv werden sollte“, sagte der Politiker dem Tagesspiegel am Sonntag. Mehdorn argumentiere außerdem bei dem geplanten Börsengang der Bahn, dass die Kapitalmarktfähigkeit auch nötig sei, um die neue Freizügigkeit in Europa zu nutzen. Beckmeyer forderte nun: „Dann muss er aber auch die Marktfähigkeit beweisen.“

Direkter äußert man sich in Branchenkreisen über die Bahn. „Die Bahn hätte das Material und die Power, sofort in den französischen Markt einzusteigen“, sagt der Manager eines Konkurrenten, der nicht namentlich genannt werden will. „Das wäre interessant, weil die Bahn damit den Schiffen Konkurrenz machen könnte, die Produkte von und nach Spanien bringen, aber wesentlich langsamer sind.“ Die großen Staatsbahnen hätten aber offenbar ein informelles Sillhalteabkommen geschlossen. „Wenn die sich gegenseitig beharken würden, gäbe es einen dramatischen Preisverfall – daran hat Railion, aber noch viel weniger die marode SNCF-Gütersparte, kein Interesse.“

Geschäft gäbe es genug, das man in Frankreich dem Lkw abjagen könnte. Zuletzt wurden 80 Prozent des Frachtvolumens über die Straße transportier.

Die Bahn und die französische Staatsbahn SNCF ziehen es derweil vor, allenfalls gemeinsam aufzutreten. Rund 100 Güterzüge pro Tag rollen über die Ländergrenze – von Mannheim und Köln bis in den Raum Metz. Bis 2007 soll es weitergehen bis nach Lyon und Perpignan. „Wir haben viele Pläne für den Ausbau unserer Zusammenarbeit“, sagte ein SNCF-Manager dem Tagesspiegel. Die SNCF wolle stärkster Anbieter in Frankreich bleiben, Railion verfolge dasselbe Ziel in Deutschland. „Jeder will und soll in seinem Markt weiter wachsen“, bekennt er freimütig. Die Bahn drückt sich allgemeiner aus. Man müsse immer bei einem Engagement im Ausland sehen, was besser sei, sagt ein Sprecher: Kooperationen, eine gemeinsame Tochter oder eine Niederlassung. „Für uns ist das zuverlässige Angebot entscheidend.“

Michael Cramer, Europaabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, ist skeptisch. „Es darf nicht sein, dass die Großen versuchen, die Märkte unter sich aufzuteilen und den Wettbewerb auszubremsen. Wie schädlich das ist, kann man auf dem Strommarkt beobachten.“

Immerhin finden andere Schienenunternehmen den französischen Markt interessanter als die Deutsche Bahn. Veolia Cargo (früher Connex), B-Cargo, eine Tochter der belgischen Staatsbahn, Europorte 2, eine Tochter des Eurotunnel-Konsortiums, die britische EWS sowie die luxemburgische Bahngesellschaft CFL haben die Zulassung beantragt.

Ebenfalls dabei ist, als einzige deutsche Firma, Rail4Chem. Geschäftsführer Hartmut Gasser sieht erhebliches Potenzial in Frankreich – im ersten Schritt vor allem für Transitverkehre zwischen Spanien und Deutschland. In Spanien habe Rail4Chem schon einen Allianzpartner. Gasser sieht jedoch ein Problem: „Wir brauchen Kunden. Aber dafür müssen wir denen sagen können, wie und wann wir fahren.“ Auf den Zulassungsantrag für das kommende Jahr gebe es noch keine Antwort. Ein paar Kilometer fährt Rail4Chem bereits seit Janaur 2006 auf französisches Gebiet. Doch bis die Erlaubnis dafür erteilt worden sei, habe es mehr als ein Jahr gedauert, sagt Gasser. Davon abgesehen stellt jedes Land eigene Anforderungen an die Ausstattung von Loks und die Ausbildung der Lokführer. Das bleibt auch nach dem 1. Januar 2007 so.

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