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Der Chef des Hauses: Marcel Fratzscher leitet seit 2013 als Präsident das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.

© picture alliance / dpa

DIW feiert Geburtstag: "Fünf Ökonomen, fünf Meinungen"

Trotz der Griechenland-Krise kommt Wolfgang Schäuble zum Festakt. Der Minister gratuliert und lästert über Ökonomen.

An der Stimme merkt man die Anstrengung. Sie wird rau, immer wieder muss sich Wolfgang Schäuble räuspern. Doch sonst sieht und hört man dem Bundesfinanzminister die harten Zeiten nicht an. Im Gegenteil: Beim Festakt zum 90. Geburtstag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) ist er blendend aufgelegt. Er spricht frei, das vor ihm liegende Manuskript bleibt in der Ministeriumsmappe.
Schäuble, der an diesem Nachmittag die Bundestagssitzung bereits hinter und die Telefonkonferenz mit seinen Kollegen aus der Euro-Gruppe noch vor sich hat, redet über Griechenland und die harten Anpassungsprozesse, die auf die Griechen zukommen („Ich wünsche dem griechischen Volk, dass es glaubwürdige Führer hat“). Er erinnert an die deutsch-deutsche Wirtschafts- und Währungsunion vor 25 Jahren und an die Sorge, dass Ost-Bürger ohne die schnelle Einführung der D-Mark massenhaft in den Westen übergesiedelt wären.
Und er tut das, was dem Juristen Schäuble offensichtlich ganz besonders viel Spaß macht. Er lästert über Ökonomen und deren wundersame Fähigkeit, präzise ökonomische Vorhersagen zu machen, um dann – wenn sich diese als nicht ganz wahr erweisen sollten – externe Gründe für die Abweichung zu finden. Und auch die Meinungsstärke der Wirtschaftswissenschaftler amüsiert den altgedienten Politiker. Fünf Ökonomen, fünf Meinungen, sagt der Finanzminister schmunzelnd in Richtung der geballten ökonomischen Kompetenz, die sich an diesem Mittwoch im historischen Hörsaal des Langenbeck-Virchow-Hauses gegenüber der Charité versammelt hat. Und wenn von den fünf Ökonomen gar einer ein Markroökonom sei, dann komme man sogar auf sechs Meinungen, lästert Schäuble.

Auch Michael Müller gratuliert

Dennoch hat es sich der CDU-Politiker nicht nehmen lassen, dem Institut und seinem Präsidenten Marcel Fratzscher die Ehre zu erweisen. Genauso wie fast alle früheren Präsidenten – außer Klaus Zimmermann. Unter dessen Präsidentschaft hatte das DIW nicht nur seinen Sitz im Kreis der Forschungsinstitute verloren, die für die Bundesregierung das Gemeinschaftsgutachten zur Konjunktur erstellen, Zimmermann musste sich auch gegen Vorwürfe des Landesrechnungshofs Berlin wegen der Fehlverwendung öffentlicher Mittel zur Wehr setzen.
Heute ist das Verhältnis zu Berlin, der Stadt, die das DIW in seinem Namen trägt, entspannt. Der Regierende Bürgermeister, Michael Müller, gratuliert artig und stellt seine Vision der Berliner Wirtschaft vor. Lösungen für die Smart City, die Stadt der Zukunft, will Berlin entwickeln, und bei der Digitalisierung will man vorn dabei sein. Dabei helfen sollen die Hochschulen und die vielen namhaften Forschungsinstitute in der Stadt.
Von der aufregenden, innovativen Stadt Berlin will sich auch das DIW eine Scheibe abschneiden. Fratzscher will das Institut noch stärker für Zukunftsthemen öffnen: die Nachhaltigkeit von Entscheidungen beleuchten, die Lebensqualität und die Verteilung von Wohlstand sowie die deutsche Rolle in Europa untersuchen. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit Griechenland. Fratzscher, der 2013 von der Europäischen Zentralbank zum DIW kam, warnt vor der Rückkehr zur Drachme: „Die Probleme Griechenlands lassen sich nicht durch Abwertung lösen“. Und auch die Polarisierungen sind ihm zuwider: „Es gibt keine Gewinner und Verlierer“, meint Fratzscher. „Das Schicksal Deutschlands ist mit Europa verbunden“.

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