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Egal wo in Europa. Mit dem Handy telefonieren und surfen soll bald überall so viel kosten wie zu Hause.

© dpa

Roaming und Netzneutralität: EU-Parlament beschließt neue Regeln für die Netze

Das EU-Parlament schafft Roaming-Gebühren ab und beschließt, dass im Internet alle Daten gleich sein sollen. Kritiker sagen: "Wir verlieren die Freiheit des Internets".

Die hohen Zusatzkosten für die Nutzung des Handys im europäischen Ausland werden Ende 2015 Geschichte sein. So hat es das Europaparlament am Donnerstag in Brüssel mit großer Mehrheit beschlossen. Zwar müssen die im Ministerrat versammelten Regierungen der 28 EU-Staaten dies noch bestätigen, doch ist die Richtung mit dem Votum der Abgeordneten vorgegeben. Mobilfunkanbieter müssen dann Handyverträge anbieten, mit denen die Kunden europaweit zum gleichen Preis telefonieren können. Ein Zugeständnis an die Unternehmen jedoch gibt es: Auch in Zukunft wird es nicht möglich sein, etwa mit einem billigen rumänischen Anbieter ständig in Deutschland zu telefonieren. Dafür sollen entsprechende Verbrauchsobergrenzen sorgen.

Das Aus für die Roaming-Gebühren ist jedoch nur ein Teil eines großen Gesetzespakets, das die Grundlage für einen digitalen Binnenmarkt schaffen soll. Der Knackpunkt, der auch nach dem Votum weiter für Aufregung sorgen dürfte, ist die Netzneutralität. Damit wird das Prinzip bezeichnet, dass alle Daten im Internet gleich schnell übertragen werden. Keine Dienste dürfen bevorzugt werden. Dahinter steckt auch der demokratische Gedanke eines freien Internets, das allen Nutzern gleiche Chancen bietet.

„Wir verlieren die Freiheit des Internets“, sagen Kritiker

Die EU-Kommission, die vor knapp einem Jahr den entsprechenden Gesetzesvorschlag unterbreitet hat, reklamiert für sich, die Gleichheit im Netz nun rechtskräftig verankern zu wollen. „Dieses Recht“, sagte die zuständige Kommissarin Neelie Kroes kürzlich, „wird erst wirksam, wenn es gesetzlich festgelegt ist und für alle 500 Millionen Europäer gilt.“ Die Kritiker des Gesetzes behaupten das glatte Gegenteil. „Wir verlieren die Freiheit des Internets“, sagt Katharina Nocun vom Kampagnen-Portal Campact, wo in wenigen Tagen mehr als 170 000 Bundesbürger einen entsprechenden Protestaufruf unterzeichnet haben.

Beide Seiten haben ein bisschen Recht. Zum einen ist es eine Illusion, dass es heute Netzneutralität gibt. „Wer an einem Kupferkabel im tiefsten Bayern hängt, bekommt langsamere Datengeschwindigkeiten als in den Niederlanden, wo überall Glasfaserkabel verlaufen“, sagt Kroes’ Sprecher Ryan Heath. Ebenso gebe es große Unterschiede bei der Datengeschwindigkeit in mobilen Netzen. Auch hat die Kommission beobachtet, dass heute einem Viertel aller Nutzer entweder ein Dienst im Netz gesperrt beziehungsweise eine künstlich verlangsamte Verbindung angeboten werde. Künftig, so schreibt es das Gesetz vor, darf ein Netzanbieter seinen Kunden beispielsweise einen Dienst wie Skype nicht mehr vorenthalten, weil er seinen eigenen Messenger-Dienst fördern will. Und Verbraucher erhalten das Recht, aus ihrem Vertrag auszusteigen, wenn das zugesicherte Netztempo nicht stimmt – die Regulierungsbehörden müssen dafür kostenlos Tests bereitstellen.

Experten befürchten ein Zwei-Klassen-Internet

Zum anderen droht ein Zwei-Klassen-Internet. Auch in der EU-Kommission selbst ist von „Business und Economy Class wie im Flugzeug“ die Rede. Im Mittelpunkt des Streits stehen Spezialdienste, denen im Netz gegen Aufpreis Vorrang eingeräumt wird. Die EU-Kommission verweist darauf, dass solche Dienste nicht auf Kosten der normalen Netzleistung gehen dürfen, sondern über zusätzliche Leitungskapazitäten laufen müssen. Zudem existierten sie bereits, seien bisher aber keinen Regeln unterworfen. Die Gegner wiederum sehen darin die Festschreibung einer unguten Praxis und kritisieren, dass der Gesetzentwurf der Kommission die von ihr erwähnten Zusatzkapazitäten nur sehr vage vorschreibt. Deshalb befürchten sie, dass Konzerne wie Google, Facebook oder Amazon das Netz noch stärker dominieren werden und die Vielfalt und Innovationskraft im Netz leidet. Dies, so sagt Nocun von Campact, „kommt einem Freibrief zur wirtschaftlichen Zensur gleich“.

Jetzt müssen sich die EU-Staaten entscheiden

Besonders genau wurde beim Parlamentsvotum deshalb darauf geschaut, welche Dienste unter die Ausnahmeregel fallen. Die Internetaktivisten beklagen eine viel zu grobe Definition, die bei der Zulassung durch nationale Regulierungsbehörden dazu führen könnte, dass auch Dienste wie Youtube oder Skype in diese Kategorie fallen. Die EU-Behörde nennt als Beispiel dagegen die medizinische Überwachung von Patienten aus der Ferne, bei der die Videoübertragung nicht unterbrochen werden dürfe. Die Debatte ist noch nicht zu Ende. Nun sind die EU-Staaten am Zug.

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