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Das Haus e3, ein Siebengeschosser aus Holz, wurde vom Büro Kaden Klingbeil (heute Kaden + Lager) auf einem Grundstück in der Berliner Esmarchstraße realisiert. Es handelt sich um die erste so hohe Holzkonstruktion in einem großstädtischen Zentrumsbereich Europas.

© Bernd Borchardt

Ausstellung: Astrein bauen

Eine neue Schau im Martin-Gropius-Bau zeigt Holz als Werkstoff der Zukunft. In der Realität ist er aber noch nicht angekommen.

Dem Bauen mit Holz gehört die Sympathie der Zeitgenossen. Aber gehört ihm auch die Zukunft? Die Frage wird auf der Kostenseite entschieden. Hermann Kaufmann, der Doyen der Holzbauarchitektur aus Vorarlberg und Professor für das Fachgebiet an der TU München, und der Bauhistoriker Winfried Nerdinger haben sich des Themas angenommen und eine große Ausstellung erarbeitet. Ihr Ziel: Bewusstsein für die Vorzüge des Materials schaffen, neue Techniken des Holzbaus bekannt machen, qualitätsvolle Holzbauten vorstellen.

Dass Holz als Baustoff gegenüber Beton und Stahl ökologisch enorme Vorteile hat, ist mittlerweile allgemein bekannt. Überraschender dagegen die Eingangsthese der Ausstellung: „Etwas mehr als ein Drittel der deutschen Jahresholzernte würde ausreichen, um das gesamte jährliche Neubauvolumen Deutschlands aus Holz zu errichten.“

Die sogenannte Multihalle entstand zur Bundesgartenschau 1975 in Mannheim. Das von Frei Otto geplante, unter Denkmalschutz stehende Bauwerk, ist bis heute die größte Holzgitterschalenkonstruktion der Welt.
Die sogenannte Multihalle entstand zur Bundesgartenschau 1975 in Mannheim. Das von Frei Otto geplante, unter Denkmalschutz stehende Bauwerk, ist bis heute die größte Holzgitterschalenkonstruktion der Welt.

© Jirka Jansch/promo

Bauen mit Holz bleibt noch die Ausnahme

Und warum tun wir das nicht? Es gibt zwei wesentliche Gründe. Holzbau ist (meist noch) teuer, zumindest was die Anfangsinvestition betrifft; den Nutzen hat eher die Gesellschaft als der einzelne Investor. Und Holzbau habe keine politische Lobby, meint Tom Kaden, der profilierteste Holzbauarchitekt in Berlin und verweist darauf, „dass es im Normungswesen und in der Überarbeitung der Landesbauordnungen (Ausnahme Baden-Württemberg) kaum Fortschritte gibt und wir nach wie vor mit Ausnahmegenehmigungen arbeiten müssen, was die Konkurrenzfähigkeit in Frage stellt“.

Die ökumenische Kunstkapelle des Heiligen Henrik ist eine Holzkirche im finnischen Turku. Sie wurde von Matti und Pirjo Sanaksenaho geplant. Das Erscheinungsbild mit Spitzbogen ist einem Fisch, dem Symbol des Christentums, nachempfunden. Das Gebäude besteht aus Kiefernholz und ist außen mit Kupfer beschichtet.
Die ökumenische Kunstkapelle des Heiligen Henrik ist eine Holzkirche im finnischen Turku. Sie wurde von Matti und Pirjo Sanaksenaho geplant. Das Erscheinungsbild mit Spitzbogen ist einem Fisch, dem Symbol des Christentums, nachempfunden. Das Gebäude besteht aus Kiefernholz und ist außen mit Kupfer beschichtet.

© Marius Thessenvitz/promo

Holzbau ist aus klimapolitischen Gründen alternativlos, doch Normen und Vorschriften, vor allem was den Brandschutz betrifft, hinken hinterher. Denn die Entwicklung der Holzbautechnik verläuft stürmisch. Es geht nicht mehr um Balken und Bretter aus der Sägerei, die der Zimmermann mit jahrhundertealten Methoden bearbeitet und zu Konstruktionen fügt. Es geht um industrielle Halb- und Fertigprodukte mit erstaunlichen Leistungsdaten, die mit raffinierten Fügetechniken montiert werden, um Brettstapelwände und Cross Laminated Timber, Brettschichtholzträger, Holzbetonverbundsysteme, Furnierschichtplatten und Verbundfasermaterial verschiedenster Zusammensetzungen sowie um computergestützte Herstellungs- und Berechnungsmethoden.

In der Ausstellung duftet es wunderbar

Die Ausstellung zeigt aber auch faszinierende, aufsehenerregende Holzarchitektur aus aller Welt, neue Ästhetik und neue tektonische Konstrukte, Bauen in historischen Innenstädten und auf der grünen Wiese, weitgespannte Hallen und 25-geschossige Hochhäuser. Präsentiert werden spektakuläre Projekte von Toyo Ito, Shigeru Ban und Frei Otto ebenso wie richtungsweisende urbane Holz-Wohnbauten, beispielsweise von Kaden Klingbeil in Prenzlauer Berg, sowie die neuesten Tendenzen des Bauens mit Holz über der Hochhausgrenze. Großformatige Modelle werden durch Pläne, Texte und Fotographien umfangreich begleitet. Staunen ist angesagt.

Die Ausstellung spricht alle Sinne an und vermittelt, bei aller Perfektion der Ausstellungsdidaktik und an Stahlbau heranreichender Präzision der eindrucksvollen Baumodelle, die emotionale Komponente des Holzes. Schon beim Betreten der Ausstellung fühlen sich die Besucher vom wunderbaren Duft des Holzes eingenommen, und wer sie wieder verlässt, fragt sich ernsthaft, wie es sein kann, dass wir noch immer zu 98 Prozent mit Beton und Stahl bauen.

Wie man mit Holz zu neuen ästhetischen Ausdrucksformen kommt, zeigt die Lagerhalle des Weinguts Perez Cruz in Chile.
Wie man mit Holz zu neuen ästhetischen Ausdrucksformen kommt, zeigt die Lagerhalle des Weinguts Perez Cruz in Chile.

© Marius Thessenvitz/promo

Die Ausstellung „Bauen mit Holz - Wege in die Zukunft“ läuft bis 15. Januar 2017 im Martin-Gropius-Bau Berlin (Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin). Die Öffnungszeiten: Mittwoch bis Montag, 10 bis 19 Uhr (Dienstag geschlossen). Eintritt frei bis 16 Jahre, Einzeltickets 9 neu (ermäßigt 6 Euro), Gruppen (ab 5 Personen) pro Person 6 Euro, Schülergruppen pro Person 4 Euro.

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