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Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, befürchtet, dass europäische Ausbildungsstandards auf ein unteres Level gesenkt werden.

©  Till Budde/BAK

Barbara Ettinger-Brinckmann im Interview: „Kleine Büros werden verschwinden“

Die Bundesarchitektenkammer plädiert für offenere und eine größere Zahl von Planungswettbewerben. Ein Gespräch mit Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer.

Barbara Ettinger-Brinckmann wurde vor gut einem Jahr zur neuen Präsidentin der Bundesarchitektenkammer gewählt. Seit 2004 war sie bis Mitte dieses Jahres Präsidentin der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen. Von 1974 bis 1977 war Ettinger-Brinckmann Mitarbeiterin des Städtebaulichen Instituts der Universität Stuttgart und verschiedener Architekturbüros. Seit 1980 arbeitet sie freischaffend auf den Gebieten Hochbau, Städtebau und Stadtplanung sowie Verfahrensmanagement.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Arbeit als Kammerpräsidentin gesetzt?
Baukultur entsteht nur mit qualifizierten Architektinnen und Architekten, die vernünftige Rahmenbedingungen vorfinden. Wichtig ist mir, die Leistungsfähigkeit unseres Berufsstandes wahrnehmbar zu machen mit dem Ziel, dass unsere Leistungen mehr nachgefragt werden und mit dem Ergebnis, dass dann die Qualität unserer gebauten Umwelt steigt. Ich möchte nicht nur den öffentlichen Bauherrn in die Pflicht nehmen, sondern auch den privaten Bauherren und hoffe dabei auf die Unterstützung der Politik. Der Artikel 14, Absatz 2 des Grundgesetzes – Eigentum verpflichtet und soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen – beschränkt sich nicht nur auf die Abschöpfung der Bodenwerte, sondern jeder, der baut, muss das so tun, dass es die Umwelt qualifiziert, denn jedes Haus, jeder Zaun prägt den öffentlichen Raum.

Welche Instrumente stehen Ihnen zur Verfügung, um die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Architekten zu verbessern?
Im Bereich der Ausbildung stehen wir im internationalen und europäischen Kontext. Wir haben viele Diskussionen über unsere Ausbildungsstandards zu führen. Es ist uns ein großes Anliegen, dass sie nicht durch gesamteuropäische Regelungen auf ein unteres Level gesenkt werden, sondern dass unser hoher Standard zum Vorbild wird. Wir arbeiten auch daran, dass es im Architekten- und Ingenieurvertragsrecht bei den Haftungsfragen zu einem gerechteren Ausgleich zwischen den Baubeteiligten kommt. Den Architekten ist eine Gesamthaftung auferlegt, die sie mit einer aufwändigen Berufshaftpflichtversicherung absichern müssen. In der Praxis wird zum Beispiel bei Ausführungsmängeln nicht als erstes die Nachbesserungspflicht des Unternehmers eingefordert, sondern man greift direkt auf den Architekten und seine Haftpflicht durch. An dieser Stelle gerät die Dreiecksbeziehung zwischen unabhängigem Planer, Ausführendem und Bauherrn oftmals aus dem – für das ergebnisorientierte Miteinander erforderliche – Gleichgewicht. Es wäre nicht im Sinne des Verbrauchers, wenn Architekten sich nicht mehr die gestiegenen Prämien leisten könnten und ohne Versicherungsschutz arbeiteten.

Viele, vor allem jüngere Architekten beklagen rigorose Zugangsbeschränkungen zu Architekturwettbewerben. Ist das ein Thema für Sie?
Ja. Die Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen VOF sagt, es dürfen nur Kriterien angewandt werden, die der Sache, in unserem Falle also der Bauaufgabe, angemessen sind. Das ist in Ordnung. Die Anwendung dieser Bestimmung, vor allem in der kommunalen Vergabepraxis, ist aber das Problem. In den Ausschreibungen werden unnötig einengende Kriterien eingeführt, weil man nur auf Erfahrung setzt. Da ist zum Beispiel bei einem Schulbauwettbewerb nur teilnahmeberechtigt, wer in den letzten drei Jahren eine Schule gebaut hat! In einem Fall hat ein Kollege vor der Vergabekammer erfolgreich geklagt, weil der Auslober von den Teilnehmern eines Wettbewerbs für ein Feuerwehrhaus den Nachweis verlangte, in den letzten drei Jahren eine Berufsfeuerwehr gebaut zu haben. Damit hat man einen Riesenmarkt von Architekten auf eine Handvoll reduziert und ein großes Potential an möglichen guten Lösungen für die individuelle Bauaufgabe nicht genutzt. Klagen kann aber nur ein Individuum, das in seinen Rechten betroffen ist. Es gibt keine Verbandsklage, die Kammer kann also nicht erfolgreich klagen. Wir können nur juristische Hilfestellungen geben.

Die europaweiten Ausschreibungen jedes normalen Schulbaus haben anfangs zu absurden Bewerberzahlen geführt. Welche Auswirkungen hat das?
Regionale Ausschreibungen sind nicht mehr zulässig, das ist ein Instrument, das uns die EU Kommission im Rahmen des europäischen Binnenmarktes aufgrund des allgemeinen Diskriminierungsverbots genommen hat. Deshalb bemüht sich die öffentliche Hand, das Feld einzuengen, um nicht mit riesigen Bewerberzahlen konfrontiert zu sein, indem sie Bürogrößen, Anzahl der Mitarbeiter oder Umsatz festlegt. Umsatz hat überhaupt nichts mit Architekturqualität zu tun. Aber mit diesen Parametern kann bequem nach Zahlenwerten ausgewählt werden. Auf diese Weise wird der Markt eingeengt. Die kleinen Büros werden verschwinden, die großen werden noch größer. Das ist nicht nur ein baukultureller sondern auch ein gesellschaftspolitischer Verlust an Kreativität. Wir bilden unsere Leute für viel Geld sehr qualifiziert aus und sie müssen eine Chance bekommen, ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.

Wie könnte man den Zugang zu Wettbewerben sinnvoller gestalten?
Wir setzen nicht auf quantifizierbare, sondern auf qualitative Kriterien. Wir haben das in der Novelle der Richtlinien für Planungswettbewerbe formuliert und kommunizieren das ‚Wie’ in Veranstaltungen mit der öffentlichen Hand.

Was die Vergabeordnung betrifft, geht es uns darum, zunächst einmal die VOF zu halten und in der anstehenden Novelle der VOF den Wettbewerb als Regelverfahren zu etablieren. Denn durch das Instrument des Wettbewerbs steigt nicht nur die Qualität in funktionaler und gestalterischer Hinsicht, sondern auch Wirtschaftlichkeitsaspekte kommen frühzeitig ins Spiel. Eine qualifizierte Jury diskutiert und ringt in einem Abwägungsprozess um die architektonisch, städtebaulich, funktional und eben auch wirtschaftlich beste Lösung. Ein vom Bauministerium herausgegebener Forschungsbericht sagt ganz klar, dass Vergabeverfahren mit Wettbewerben nicht länger dauern und nicht mehr kosten als ohne. Darum halte ich es für absurd, dass wir als Berufsvertreter darum bitten müssen, Wettbewerbe auszuschreiben. Man kann doch die öffentliche Hand und die privaten Bauherren nur beglückwünschen, wenn sie sich dieses Instrument zu eigen machen. Außerdem sorgen Architektenwettbewerbe für Transparenz und Einbeziehung der Bürger.

Bei größeren Bauaufgaben klagen die Teilnehmer über die ausufernden Wettbewerbsanforderungen.
Es gibt leider Bauherren, die meinen, der Wettbewerb solle eine fertige Planung ergeben und überfrachten das geforderte Leistungsprogramm. Es führt zu einem enormen volkswirtschaftlichen Verschleiß, wenn alle Teilnehmer detaillierte Kostenschätzungen, Energiekonzepte, Fassadendetails, Facilitymanagementprogramme und dergleichen liefern müssen, Dinge, die in diesem Planungsstadium noch gar nicht überschaubar sind. Manche Büros können das nicht leisten, routinierte Großbüros warten mit kaum zu überprüfenden Zahlen auf. Wir sind hier in einer Phase von 10 Prozent Planungstiefe und von uns werden 70 oder 80 Prozent erwartet. Das Instrument des Architekturwettbewerbs muss richtig angewendet werden, als Weg zur Ideenfindung, zur Findung des geeigneten Konzepts. Detailliertere Planungen sind in dieser Phase nicht sinnvoll.

Das Gespräch führte Falk Jaeger.

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