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BSR: Pläne gegen neuen ,Schnee von gestern’ liegen noch auf Eis

Das Straßenreinigungsgesetz soll geändert werden. Die BSR freut sich jetzt schon auf den Winterdienst.

Der Herbst hat eben erst begonnen, aber der nächste Winter kommt bestimmt. Mit Sicherheit. Oder ohne? Damit das winterliche Wetter auf Berlins Straßen und Gehwegen nicht erneut zu einem Chaos führt wie in der Wintersaison 2009/10, hat Berlins Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Katrin Lompscher (Die Linke), eine Gesetzesvorlage in den Senat eingebracht, um die öffentlichen und privaten Verantwortlichkeiten beim Winterdienst zu klären. Ein wesentlicher Bestandteil der Neuregelung soll die Haftbarkeit von Wohneigentümern sein.

„Der jetzige Entwurf zur Novellierung des Straßenreinigungsgesetzes sollte auf Eis gelegt werden“, erklärten dazu unisono Maren Kern, Vorstandsmitglied beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU) und Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Sie forderten Senat und Abgeordnete zu einem Überdenken der geplanten neuen Regelungen auf.

Konnte bisher ein Eigentümer, der ein Unternehmen mit dem Winterdienst beauftragt hatte, von diesem eine Übernahmeerklärung erhalten, die ihn selbst aus der Haftung für die Kosten von Ersatzmaßnahmen oder Unfällen entließ, ist er – wenn das neue Gesetz in Kraft tritt – auch dann haftbar, wenn er einen externen Dienstleister beauftragt hat. Das motiviert einige Hauseigentümer, darauf zu achten, ob der Winterdienst auch wirklich ordnungsgemäß durchgeführt wird, während andere sich jetzt schon ärgern, dass sie eventuell anfallende Kosten erst mal selbst übernehmen müssen.

Dazu meint Daniel Buchholz, umweltpolitischer Sprecher der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus: „Die Qualität der Schnee- und Eisbeseitigung wird dadurch merklich ansteigen. Bisherige Billiganbieter, deren Mitarbeiter zu pauschalen Dumpinglöhnen arbeiten mussten, dürften damit keine Chance mehr haben. Schon im letzten Winter sind viele dieser Firmen pleitegegangen, da sie auf einen harten Winter weder personell noch technisch vorbereitet waren. Das war eine notwendige Marktbereinigung.“

Aber viele Firmen sehen sich jetzt wohl außerstande, mit Gebäudeeigentümern entsprechend zu verhandeln, weil die Gesetzesvorlage unklar formuliert ist, wie Maren Kern betont. „Niemand weiß, welche Anforderungen letztendlich erfüllt werden müssen. Auf der Basis können keine Verträge geschlossen werden. Für den Winter 2010 droht deshalb ein Organisationschaos“, sagt sie.

Laut einer gemeinsamen Erklärung von Berliner Mieterbund und BBU führe außerdem die notwendige Anschaffung von Räummaschinen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, zur Kostenexplosion, die am Ende von Mietern zu tragen sei. Insgesamt bezeichnen sie den Gesetzentwurf als Schnellschuss, der gravierende organisatorische Mängel aufweist, und gehen von Mehrkosten in Millionenhöhe für Land und Bürger aus. Ganz so dramatisch schätzen die Berliner Stadtreiniger von der BSR („We kehr for you“) ihre Mehrkosten hingegen nicht ein, auch wenn die Neuregelung für das kommunale Unternehmen ein deutliches Mehr an Arbeit und natürlich auch an Kosten bedeuten würde. Zumal nicht abzusehen ist, wie hart der Winter wird. Dennoch, so erläutert Sabine Thümler von der BSR-Unternehmenskommunikation, würden diese Kosten vom Land Berlin getragen und nicht von den Gebührenzahlern. Sie begrüßt vor allem, dass mit der Neureglung auch die Zuständigkeiten der BSR klar geregelt sind. Gab es doch bisher zu viele Ausnahmen und unklare Zuständigkeiten.

„Mit dem neuen Gesetz sind wir zum Beispiel für jede Bushaltestelle verantwortlich, egal ob zwischen dem Gehweg und der Bushaltestelle ein Radweg ist oder nicht“, so Thümler. Bisher hätten solche Konstellation oft zu Unklarheiten zwischen BSR und Anliegern geführt, genauso wie in Fußgängerzonen und auf großen Plätzen.

Carsten Wilke, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, bezeichnet den Gesetzesentwurf indes als „einen Verschiebebahnhof von Verantwortlichkeiten“ und betont, dass sich das Straßenreinigungsgesetz in normalen Wintern in seiner bisherigen Fassung bewährt hat. Ähnlich formuliert es seine Kollegin Felicitas Kubala von Bündnis90/Die Grünen. Sie kritisiert, dass der Senat mit der geplanten Neuregelung mit Kanonen auf Spatzen schieße. „Ohne Zweifel besteht Handlungsbedarf nach dem Schneechaos“, sagt sie. „Aber die Senatsvorlage ist eine unverhältnismäßige Reaktion auf einen Ausnahmewinter. Statt für extreme Winter einen Notfallplan vorzulegen, erklärt der Senat per Gesetz jeden Winter zur Extremsituation.“ Die damit verbundenen Kosten für die Vorratshaltung von Streusalz und Splitt, sowie von schweren Räumgeräten stehen auch bei der FDP in der Kritik. „Aber“, so merkt ihr umweltpolitischer Sprecher Henner Schmidt an, „das Positive an dieser Gesetzesvorlage ist, dass sie alle Probleme thematisiert.“ Er halte die neuen BSR-Zuständigkeiten durchaus für richtig, unrealistisch findet er hingegen die Forderung, dass bei Neuschnee sofort geräumt werden müsse. Man müsse eben bei jedem einzelnen Punkt schauen, ob sich die Stadt das leisten könne und wolle. „Denn die Kassen sind nur endlich gefüllt. Was für den Winterdienst zusätzlich ausgegeben wird, muss anderswo eingespart werden“, sagt er und hofft, dass man bis Mitte November zu einer vernünftigen Lösung kommt.

BBU und Mieterverein empfehlen, Neuregelungen frühestens für den Winter 2011/ 2012 in Kraft treten zu lassen.

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