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Immobilien: Das bauliche Erbe verfällt

Im Umland Berlins droht der Verfall historischer Fachwerkhäuser. Das zeigt die Bestandsaufnahme von 5000 Bauten. Die Eigentümer scheuen Investitionen. Dabei locken Steuervorteile

Viele Male schon wurde die Bäckersfrau des kleinen Dorfes im Niederen Fläming von Kaufinteressenten auf das seit einigen Jahren leerstehende Mühlenhaus angesprochen. Doch noch immer wartet das idyllisch am Dorfrand gelegene Fachwerkhaus darauf, aus dem Dornröschenschlaf geküsst zu werden – die Eigentümer reagieren nicht auf Nachfragen. Und so dringt der Regen weiter leise durch das erste Loch im Dach ins Innere des alten Hauses.

Während die märkischen Schlösser und Gutshäuser viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen und manchen Geldgeber gefunden haben, merkt kaum jemand, dass in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zum Teil viel ältere Bauten langsam verrotten. Der Architekt Volkmar Schnöke hat gut 5000 historische Fachwerkhäuser erfasst und in einem dreibändigen Werk beschrieben. Zielgruppe sind Architekten, Denkmalpfleger und Hausforscher, aber auch Bauherren, die ihren Traum vom Leben auf dem Bauernhof verwirklichen wollen. Doch die Zeitbombe tickt.

Viele brandenburgische Fachwerkhäuser fielen dem Modernisierungseifer der 1960er und 1970er Jahre zum Opfer. Standen sie in einer der rund um den Anger angelegten Dorfanlagen, klafft an ihrer Stelle oft noch heute ein Loch – wie eine hässliche Zahnlücke. Vielen anderen Häusern hat geschadet, dass ihre Besitzer das als Zeichen von Armut geltende Fachwerk zu kaschieren versuchten – und hinter Putz oder Asbestplatten versteckten. Doch hinter dieser Fassade konnten Feuchtigkeit und Schädlinge unbemerkt ihr Werk verrichten.

Warum engagiert sich Schnöke, der in Klasdorf selbst einen restaurierten Vierseithof bewohnt, für die Gebäude? „Weil es in der Vergangenheit keiner getan hat“, sagt er. Und weil die Zeit drängt: „Es geht hier schließlich um brandenburgisches Kulturgut!“

Die Heimvolkshochschule am Seddiner See hat dafür gesorgt, dass das monumentale Buch an sämtliche brandenburgische Gemeindeverwaltungen und Landkreise und auch an Heimat- und Architektenvereine verteilt wird. Martin Nobelmann, Projektleiter, erklärt: „Wir wollen die Bürger sensibilisieren und motivieren, sich für den Erhalt alter Gebäude einzusetzen.“ Doch das ist nicht ganz einfach.

Manchmal sind es zerstrittene Erbengemeinschaften, die sich über das Schicksal eines Hauses nicht einigen können, manchmal ist es das Desinteresse an den „alten Buden“. Und häufig fehlt schlicht das Geld. So weigerte sich jüngst ein Eigentümer in Stangenhagen im Kreis Teltow-Fläming, sein mehr als 300 Jahre altes Fachwerkhaus, Typ Märkisches Dielenhaus mit original erhaltener „schwarzer Küche“, auf die Denkmalliste setzen zu lassen. Der Eigentümer fürchtete nicht finanzierbare Auflagen und gewann den Prozess gegen das Denkmalamt. Besser erging es einem aus dem 18.Jahrhundert stammenden Fachwerkhaus am Marktplatz in Angermünde. Eine Zahnärztegemeinschaft ließ es fachgerecht renovieren und gewann dafür den Denkmalpflegepreis, denn sie verhinderte eine empfindliche Lücke in der noch nahezu intakten historischen Marktplatzanlage.

Leer stehende Fachwerkhäuser im Berliner Umland sind, je nach Größe, Erhaltungszustand und Lage, manchmal bereits für wenige Tausend Euro zu haben. Doch wer sich für die Sanierung eines Hauses mit Geschichte entscheidet, hat einiges vor sich: Denn die Bausubstanz vieler Häuser ist durch aufsteigende Nässe und undichte Dächer stark angegriffen. Und weil viele dieser Bauten unbewohnt sind, zeigen sich an zahlreichen Gebäuden Vandalismusschäden – zerschlagene Fenster, Graffiti, Müll.

Manches Gebäude gibt mit zerborstenen Balken und offen klaffenden Lehmgefachen bereits seine Bauweise preis. Eine Sanierung verschlingt häufig so viel Geld wie ein Neubau. Vielen Banken sind die Risiken der schwer kalkulierbaren Investitionen in sanierungsbedürftige Altbauten zu hoch. Deshalb verweigern sie Bauherren die Kredite. Auch potenzielle Bauherren fürchten sich vor hohen Kosten und möglichen Auflagen des Denkmalamtes, obwohl die Steuererleichterungen für die Denkmalaufwendungen durchaus zur Finanzierung des Landhauses beitragen können.

Denn Investitionen in Baudenkmäler kann man wie folgt steuerlich geltend machen: Innerhalb der ersten acht Jahre jährlich neun Prozent der von Behörden anerkannten Kosten. In den dann folgenden vier Jahren sind jeweils sieben Prozent jährlich absetzbar. Damit der Fiskus die Steuererstattungen genehmigt, ist allerdings die Vorlage einer Bescheinigung des Denkmalschützers erforderlich. Bei denkmalgeschützten Fachwerkhäusern dürfte dies keine Hürde darstellen.

Rita Gudermann

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