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Immobilien: Die neue Wache am Glienicker Horn

Potsdams Arkadien war eines der ehrgeizigsten Bauvorhaben von Klaus Groth: nobel und teuer. Er scheiterte. Nun hat die Bank die Geschäfte übernommen. Und einige Wohnungen sind verkauft. Die Villa Kampffmeyer soll folgen. Für sechseinhalb Millionen Euro

Hartmut Wartenberg zögert bevor er die Frage beantwortet. Sein Chef steht neben ihm. Und der würde ganz sicher Diskretion zu jenen Tugenden zählen, die er beim „Doorman“ an der Pforte von Potsdams „Arkadien“ voraussetzt. Doch dann befriedigt der Mann mit dem weißen Scheitel über der sonnenbraunen Stirn doch noch die Neugierde: Wartenberg erzählt von jenem denkwürdigen Tag, als der Umzugswagen der Borer-Fieldings am streng abgeschirmten Privatgelände vorfuhr. Das frühere Schweizer Botschafterpaar hatte die Villa Kampffmeyer gerade gemietet.

„Noch bevor wir die Pforte schließen konnten“, sagt Wartenberg, „war ein zweites Auto hinter dem Möbelwagen durch.“ Das kleine Fahrzeug war dicht hinter den LKW durch das Tor gesteuert und auf das Gelände gelangt. Wartenberg eilte hinterher und stellte den Fahrer zur Rede. „Er sagte, sie seien auch Möbelpacker“, erzählt der Doorman, „doch auf den Rücksitzen lag die Kameraausrüstung schussbereit.“ Paparazzi auf der Jagd nach aktuellen Fotos des prominenten Paares. Doch keine „Journaille“ der besonders hartnäckigen Sorte: Zur Rede gestellt „sind die kleinlaut wieder vom Gelände runter“, sagt der Wächter von Arkadien.

Wartenberg und zwei Kollegen sitzen abwechselnd rund um die Uhr, Tag für Tag, im Erdgeschoss des Torhauses an der Berliner Straße 74. Das befindet sich am Eingang des knapp 30000 Quadratmeter großen umzäunten Privatgrundstücks. Wer hier unangemeldet vorspricht, muss damit rechnen, dass der Wärter ihn unverrichteter Dinge wieder abfahren lässt. Zutritt hat nur, wen der Besitzer einer Wohnungen in einer der sieben Stadtvillen an der Glienicker Brücke willkommen heißt. Schließlich haben die Eigentümer ihre Privatsphäre teuer erkauft: Eine Millionen Euro verlangt die zur Commerzbank zählende Objektgesellschaft für die schönsten Immobilien.

Wer sich diesen Luxus aus der Portokasse leisten kann, und dadurch nicht tief in die Schuld eines Bankers seines Vertrauens gerät, zahlt zusätzlich 3,50 Euro je Quadratmeter im Monat. Dieses Geld zahlt mancher als Miete für eine günstige Berliner Altbauwohnung. In Glienicke reicht das Geld nur für die Nebenkosten. Strom, Wasser und Müllabfuhr sind in Potsdam zwar nicht viel teurer als in Berlin. Doch der Service kostet. Die Dienste von Doorman Wartenberg, von Gärtnern und Hausmeistern.

Der Chef von Wartenberg ist Andreas Schorr. Er führt die Geschäfte bei der Objektgesellschaft Arkadien. Innerhalb des letzten halben Jahres hat er zusammen mit dem Maklerhaus Dahler&Company vier Wohnungen auf der Halbinsel verkauft. Über die neuen Eigentümer hält er Stillschweigen. Nur so viel: Einer der letzten Käufer reise viel. Er habe die Wohnung deshalb erworben, weil er während seiner Aufenthalte in Berlin nicht ständig im Hotel absteigen mag. Und darin liege auch ein großer Vorteil Arkadiens, so Schorr: „Ich schließe zu. Fahre weg. Jemand passt auf meine Hütte auf. Und schickt mir die Post hinterher.“

Alles ist etwa schöner und sauberer

Vor einer Hecke, auf dem Weg zur Villa Kampffmeyer, schneidet eine junge blonde Frau den sattgrünen Rasen. Linker Hand liegt die Villa Clemenza: Es ist eine von sieben Neubauten rund um das Baudenkmal des früheren Mühlenmultis Kampffmeyer. Vor dem Gebäude steht ein rotes Mercedes-Coupé. Die Frühlingssonne tänzelt glänzend über die Oberfläche der graublauen Havel. Dies könnte die Kulisse bieten für eine amerikanische Vorabendserie. Denn auch hier ist alles ein bisschen schöner und sauberer, als sonst in der Welt. Und vielleicht findet sich auch ein Drehbuchautor, der die Geschichte eines „Ganzen Kerls“ erzählt, voller Triumphe und Tragik. So wie Tom Wolfe in seinem Roman über den Immobilientycoon Charlie Croker

Lange müsste ein Autor nicht nach einem Berliner Vorbild für den Helden einer solchen Geschichte suchen. Der Bauherr von Arkadien könnte es sein. Klaus Groth. Der Baulöwe, der in diesem Jahr 65 wurde, war einer der ganz großen in Berlin. Er baute Siedlungen wie Karow-Nord und das Kirchsteigfeld. Er mischte mit bei Ausschreibungen für Öffentliche Bauten wie die TU-Bibliothek. Er errichtete die Parteizentrale der CDU am Klingelhöfer Dreieck. Und er baute für wohlhabende Bürger auch in Berlin ein Arkadien. Tiergarten-Dreieck heißt es.

Das alles schulterte Groth fast ein Jahrzehnt lang engagiert und hemdsärmelig. Er hatte eine direkte Aussprache. Doch sein Kopf steckte wie zum Schutz zwischen leicht hochgezogenen Schultern. Dann kam die Krise am Immobilienmarkt. Die Preise in Berlin fielen. Und alles ging plötzlich sehr schnell: die Affäre um dubiose Immobiliengeschäfte der Bankgesellschaft Berlin. Die Verstrickung von CDU-Fraktionschef und Bankchef Landowsky. Die Abwahl der CDU aus der Regierung. Und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Bankenaffäre. Das Gremium lud auch CDU-Mitglied Groth vor.

Doch es war weniger diese Affäre als der Markt und die falschen Erwartungen seines Bauherrns, die das Potsdamer Arkadien in Gefahr brachten. Denn bereits Ende des Jahres 2000 lag Groth weit hinter seinen eigenen Erwartungen zurück: Vier der elf geplanten Villen waren noch nicht gebaut. 21 Eigentumswohnungen nicht verkauft. Dabei hätten alle Häuser der US-Architekten Moore, Ruble, Yiudell bereits 1997 bezugsfertig sein müssen. So hatte es Groth jedenfalls ursprünglich vorgesehen.

Warum es anders kam? Zu teuer, munkelt man am Markt. Tatsächlich sollten die billigsten Wohnungen in dem Quartier noch im Jahr 2000 für umgerechnet 4039 Euro je Quadratmeter verkauft werden. Besonders schön gelegene Immobilien mit Blick aufs Wasser sollten sogar rund 8027 Euro je Quadratmeter einbringen. Da die Wohnungen bis zu 250 Quadratmeter groß sind, hätten einzelne Käufer bis zu zwei Millionen Euro aufbringen müssen – für eine Eigentumswohnung.

Die Rechnung ging nicht auf. „Wir sind raus“, sagt Klaus Groth auf Anfrage. Das Projekt liege nun in der Hand der Commerzbank. Das Geldhaus hatte das Bauvorhaben finanziert. Eine der ersten Maßnahmen der neuen Eigentümerin bestand darin, die Preise dramatisch zu senken: um 1000 Euro je Quadratmeter und mehr. Heute werden die Wohnungen im Internet für 180000 Euro bis 1060000 Euro angeboten. „Natürlich hat der ordentliche Kaufmann noch Verhandlungsspielraum drin“, sagt Schorr – und ebenso natürlich verrät der Händler nicht, wo seine Schmerzgrenze liegt.

Die Preisnachlässe verfehlten ihre Wirkung nicht: vier Wohnungen verkauften Schorr und das ebenfalls neu in das Geschäft mit diesen Luxusimmobilien eingestiegene Maklerbüro Dahler&Company innerhalb der vergangenen sechs Monate. Doch trotz der Anfangserfolge, klagt Schorr, während die schwere Tür der Villa Pavone hinter uns zufällt: „Das wirtschaftliche Umfeld ist schlecht. Wer drei Viertel des Jahres in Marbella ist, überlegt sich genau, ob er überhaupt noch ein Standbein in Berlin braucht.“

Das Treppenhaus der Villa ist lichtdurchflutet. Die Wohnung im ersten Obergeschoss etwa 130 Quadratmeter groß: Hohe Decken, Holzböden, ein Kamin im Wohnzimmer. Von hier aus ist auch das Wasser zu sehen. In zwei Blickrichtungen: gen Osten, hinter dem Vorplatz der Villa Kampffmeyer und gen Süden, am Ende eines kleinen Pfades. Auch im Bad, veredelt durch dunkelroten Marmor und vergoldete Wasserhähne, blickt das Fenster auf die Havel. Bedrückend dagegen der Ausblick aus dem kleineren, hinteren Zimmer: Nur wenige Meter entfernt steht die Villa Leone – der gerade noch verzauberte Blick prallt hier auf eine Fassade. In diesen Zeiten ist vor allem Raum Luxus.

Die Villa am Wasser

Raum genug ist noch auf dem südöstlichen Teil des Grundstückes. Hier sollten nach den ursprünglichen Plänen vier weitere Villen entstehen. Schorr sagt: „Erste Priorität hat der Verkauf der Wohnungen, und zweitens der Villa Kampffmeyer. Dann fangen wir an zu rechnen.“ Für die 1924 von dem Unternehmer errichtete Villa muss ein Käufer 6,5 Millionen Euro bezahlen. Nach Angaben von Thilo Kloster, geschäftsführender Gesellschafter von Dahler&Company bekommt der Käufer dafür auch das 8400 Quadratmeter „parkähnliche Anwesen“. Das Grün trennt die Villa vom Wasser.

Das Anwesen besteht aus zwei der vier Grundstücke Arkadien, die als Bauland ausgewiesen sind. Bevor Groth das Projekt seiner Bank überlassen musste, bot er das Land an der Spitze der Halbinsel für 1508 Euro je Quadratmeter an. Allerdings zweifelten Groths Wirtschaftsprüfer schon damals, Ende 2000, dass sich für dieses Geld Käufer finden würden. Die Experten wiesen den Baulöwen auf die Preise in Grunewald hin. Das ist die bevorzugte Wohnlage der Berliner Gesellschaft. Dennoch war Bauland dort ein Drittel billiger als Groth es hier anbot.

„Die letzten Grundstücke dürfen auf keinen Fall mehr bebaut werden“, sagt Makler Kolster beschwörend. Nach Angaben der Stadtverwaltung liegt kein Bauantrag vor. Ist die ursprünglich erteilte Genehmigung noch gültig? Das lasse sich ohne genaue Flurstücknummer nicht prüfen, heißt es dort. Und überhaupt: „Man muss keine schlafenden Hunde wecken.“ Das Thema ist sensibel. Weil die Stadt Groth und der auf dem Nachbargrundstück tätigen Bayerischen Hausbau großzügig entgegen kam. Sie genehmigte zu viele, zu große Häuser. Dadurch brachte die Stadt sogar die Unesco gegen sich auf: Die Landschaft werde bald aus der Liste des Weltkulturerbes gestrichen.

Doch auch wenn die Bank auf den bisher brach liegenden Grundstücken bauen würde, es käme zu einem Konflikt: Die neuen Immobilien würden die Blickachsen der Villa Kampffmeyer und der Villa Fiore verstellen. Bei der Commerzbank-Tochter will man dennoch nicht ausschließen, dass sich die Kräne noch einmal drehen könnten.

Sicher ist dagegen, dass Ex-Botschafter Thomas Borer und Ehefrau Shawne Borer-Fielding kurzfristig aus der Villa Kampffmeyer ausziehen werden, wenn sich ein neuer Eigentümer finden sollte. Verhandlungen sollen bereits laufen. Dann dürfte noch einmal die Stunde der Paparazzi schlagen. Und Doorman Wartenberg wird wieder auf der Hut sein müssen.

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