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Immobilien: Die Restseller

Nicht nur die Immobilie wird verwertet, wenn ein Unternehmen in die Pleite rutscht – Auktionare bringen auch Baustoffe, Möbel und ganze Ladeneinrichtungen unters Volk

Natursteine, ein Kawasaki-Motorrad, eine Fleischerei- und Küchenausstattung, über 500 Brillengestelle, ein Getränkeautomat, ein Angelgeschäft und ein komplettes Sägewerk – die aktuelle Restsellerliste des Auktionshauses Dr. Lorenz in Petershagen bei Berlin ist abwechslungsreich und lang. Nicht jeder hat für alles Bedarf, aber alles kommt unter den Hammer, wenn im freihändigen Verkauf zuvor niemand zugegriffen hat.

2005 fielen der Pleitewelle in Deutschland nach Berechnungen der Euler Hermes Kreditversicherung etwa 38 600 Betriebe zum Opfer. 2006 ist mit einem Anstieg auf 40 000 Firmenpleiten zu rechnen. Wenn Firmen Konkurs gehen und keinen Käufer finden, enden Inventar und Maschinen unter dem Hammer. Der Insolvenzverwalter beauftragt dann Auktionatoren mit der Resteverwertung.

Des einen Leid, des anderen Freud: Bei Insolvenzauktionen, in denen die Reste bankrotter Firmen versteigert werden, kann jeder mitbieten. Zwar hat nicht jeder akuten Bedarf an Sägewerken und Fleischertheken, doch finden sich an den Resterampen in der Regel auch viele Artikel, die für Otto Normalverbraucher interessant sind. So hatte fast jedes zahlungsunfähige Unternehmen auch Computer, Drucker, Monitore, Kopierer, Telefone und Fahrzeuge in seinem Bestand. Auch Haushaltsgeräte, Sport- und Gartengeräte und selbst Lebensmittelvorräte finden sich in den Angebotsrubriken der Insolvenzverwerter.

Industrieversteigerer wie Dr. Ulf Lorenz bringen die Konkursmasse unters Volk. Unter Lorenz’ Bietern sind nicht nur Geschäftsleute, sondern auch ein Fünftel Privatleute. „Schließlich versteigern wir auch Büromöbel, Bilder, Teppiche und Skulpturen aus dem Chefbüro“, berichtet Lorenz. Auch für Ladeneinrichtungen, Rasenmäher und „alles aus dem Hausmeisterbereich“ vergibt der Auktionator den Zuschlag. Heim- und Handwerker kommen da genauso auf ihre Kosten wie Existenzgründer – wer eine Büroausstattung sucht, einen Laden einrichten will, für privat oder einen Handwerksbetrieb spezielle Maschinen oder Fahrzeuge sucht, kann bei Insolvenzversteigerungen günstig zum Zuge kommen.

Bei EDV-Geräten oder Kopierern zum Beispiel lassen sich bis zu 70 Prozent gegenüber dem Neupreis sparen. „Alte PC unter Pentium 3 bekommt man praktisch geschenkt“, sagt Lorenz. Maschinen für Industrie und Handwerk sind meist etwas teurer, da sie vor Ort leichter zu testen sind. Entweder laufen sie oder sie laufen nicht – bei einem PC ist dies nicht so leicht herauszufinden. Auktionatoren raten daher, die Ware vor der Auktion genau zu inspizieren. Ulf Lorenz: „Am besten recherchiert man vorher die Alternativpreise und setzt sich bei der Auktion ein Limit“.

Wenn sich zum aufgerufenen Preis kein Bieter findet, sind Waren auch unter Listenpreis zu haben. Werden Spezialmaschinen versteigert, reisen Kunden oft aus ganz Deutschland oder auch aus dem Ausland an. Annonciert werden die Auktionen in regionalen, teils auch überregionalen Tageszeitungen. Ihre Stammkunden schreiben die Auktionare direkt an. Kataloge, Restelisten, Fotos, Termine und Auktionsorte stellen die Versteigerer auf ihre Webseiten. Für hochwertige Güter liegen meist Gutachten vor.

Viele Auktionshäuser versteigern nicht nur Konkursmasse, sondern auch im Auftrag von Finanzämtern, Behörden, Pfandleihhäusern und Nachlassverwaltern. So landen auch der ausrangierte Polizeiwagen und Omas Bauernschrank unter dem Hammer. Viele Häuser sind spezialisiert. Die Essener Versteigerungshalle etwa versteigert vor allem Schmuck und Uhren. Versteigerer Manfred Roth: „Ein Großteil unserer Ware wird vor der Versteigerung geschätzt, geprüft und mit einem Zertifikat versehen. Bei hochwertigen Schmuckstücken und Edeluhren werden Expertisen ausgestellt.“

Das Auktionshaus Lorenz bietet seine Freiverkauf-Ware in einem Lager in Strausberg bei Berlin an. Die meisten Auktionen finden aber bei den insolventen Firmen statt – so wie beim Sägewerk, das auf dem Foto auf dieser Seite zu sehen ist. Maschinen können dort vorher getestet werden. Die Besichtigung ist meist am Vortag oder unmittelbar vor der Auktion möglich, mindestens zwei Stunden lang. Der Aufruf beginnt meist mit dem Limitpreis, den oft die Einlieferer vorgeben. Die Regeln ähneln denen herkömmlicher Auktionshäuser. Bieten kann man nur mit Bieterkarte. Die erhält man vor der Auktion gegen Vorlage des Personalausweises.

Katalogbeschreibungen sind meist keine zugesicherten Eigenschaften im Sinne des Paragrafen 459 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Das Auktionshaus haftet dann nicht für sicht- oder unsichtbare Fehler der Ware. „Wir weisen auf uns bekannte Fehler hin. Ansonsten wird die Ware aber versteigert, wie sie steht und liegt“, sagt Ulf Lorenz. Der Zuschlag verpflichtet immer zur Abnahme und sofortigen Bezahlung der Ware – in bar oder mit bankbestätigtem Scheck. Der Zuschlagpreis ist nur ein Nettopreis. Hinzu kommen ein Aufgeld von 15 Prozent und die gesetzliche Mehrwertsteuer von 16 Prozent auf den Gesamtbetrag.

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