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Eigenbedarf: Schlechtes Timing

Unser Experte ärgert sich über ein Urteil des Bundesgerichtshofs zu Eigenbedarf und Ersatzwohnungen

WAS STEHT INS HAUS?

Im Mai 2008 hat uns unser Vermieter wegen Eigenbedarfs zum 30. September gekündigt. Er begründet das damit, dass er die Wohnung für seine Tochter und deren Familie benötige – was auch zu stimmen scheint, da die Tochter wohl wirklich mit ihren drei Kindern einziehen will. Allerdings haben wir von unseren Nachbarn erfahren, dass diese ihre Wohnung, die genau der unsrigen entspricht, zum 31. Oktober 2008 gekündigt haben. Ist unsere Kündigung damit überhaupt wirksam? Oder muss der Vermieter nicht die ohnehin freiwerdende Wohnung für seine Tochter nehmen?

WAS STEHT IM GESETZ?

Leider muss er das nicht. Denn der Bundesgerichtshof hat am 4. Juni entschieden, dass der Vermieter auf der Eigenbedarfskündigung und auf Räumung der Wohnung auch dann bestehen kann, wenn eine im gleichen Haus gelegene andere Wohnung kurze Zeit später frei wird (VIIIZR292/07). Er muss den gekündigten Mietern diese Wohnung auch nicht als Alternativwohnung anbieten. Sie werden daher leider ausziehen müssen. Denn zwar muss ein Vermieter, wenn er berechtigt kündigt, dem Mieter eine Wohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage als Ersatz anbieten, wenn vergleichbare Räume zur Verfügung stehen und vermietet werden sollen. In Ihrem Fall wird die Alternativwohnung aber erst einen Monat nach Ende Ihres Mietverhältnisses frei. Zu diesem Zeitpunkt müssen Sie also ihre Wohnung bereits geräumt haben – das macht in diesem Fall den Unterschied. Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung damit begründet, dass keine nachvertragliche Treuepflicht des Vermieters gegenüber dem Mieter bestehe: Müsste der Vermieter seinem Ex-Mieter auch Wohnungen anbieten, die nach Ende von dessen Mietvertrag frei werden, dann würde das den allgemeinen Prinzipien des Privatrechts von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zuwiderlaufen. Zugleich erkannte der BGH ein berechtigtes Interesse des Vermieters, auf die Rechtsfolgen einer wirksamen Kündigung vertrauen und seine Planung danach ausrichten zu können.

UND WIE STEHEN SIE DAZU?

Aus Mietersicht ist das Urteil abzulehnen: Der BGH verschärft damit seine bisherige Rechtsprechung zum Eigenbedarf, die Mieterposition wird eindeutig geschwächt. Aus meiner Sicht ist es rechtsmissbräuchlich, wenn ein Vermieter an einer solchen Kündigung festhält und in diesem Zusammenhang eine sicher freiwerdende Wohnung im Haus den gekündigten Mietern nicht anbietet. Die Begründung, dass es keine „nachvertragliche Treuepflicht“ gegenüber dem gekündigten Mieter gebe, verletzt das Besitzrecht des Mieters an der Wohnung, das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ein Grundrecht darstellt. Bevor es zur Räumung der Wohnung wegen Eigenbedarfs kommt, müssen immer alle Alternativen geprüft und berücksichtigt werden, um dem Mieter seinen Lebensmittelpunkt dauerhaft zu erhalten, falls irgendwie möglich.

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