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Wie soll das gehen – auf einem immer kleiner werdenden Markt? In der Preisklasse bis 600 Euro wird es eng.

©  picture-alliance/dpa

Hoffnung auf einen Mietvertrag: Draußen hinter der Tür

Die Odyssee des Wohnungssuchenden Jörg Oberheide geht weiter – 33 Besichtigungen hat er hinter sich.

Nach der 33. Wohnungsbegehung hatte Jörg Oberheide genug. Sieben Mal war der freie Fotograf von Bremen nach Berlin gefahren. Er hatte insgesamt sechs Wochen bei einem Freund gewohnt und immer noch keine für ihn bezahlbare Wohnung im Spektrum von 500 bis 600 Euro Kaltmiete gefunden. Jörg Oberheide hatte mehr als genug von dunklen Hinterhofwohnungen, die er sich angeschaut hatte. Ihm reichten mittlerweile die erfolglosen Anrufe bei Maklern, denn die am Morgen auf den Websites einschlägig bekannter Portale neu angebotenen Wohnungen waren regelmäßig binnen Stundenfrist vermietet.

Er ertrug die Wohnungsbegehungen mit 100 Mitwerbern nicht mehr. Vor allem aber glaubte er nicht mehr an eine echte Chance, seit er wusste, dass viele Makler die Mappen der Bewerber mit den vollständigen Unterlagen auf ihrem Schreibtisch ausbreiten und dann, wie beim Lotto, den neuen Mieter ziehen.

Neue Hoffnung hatte ihm vor einigen Wochen ein erster Artikel über seine kleine Odyssee an dieser Stelle in dieser Zeitung gemacht. Es gab mehr als zwei Dutzend Leserreaktionen über oft unerfreuliche Erfahrungen bei der Wohnungssuche. Aber es gab auch eine Nachricht, die ihm den Kontakt zu einer Gesellschaft mit freien Wohnungen nah zum Kurfürstendamm vermittelte. Leider war das gut gemeinte Vermittlungsangebot eine für ihn zu teure Wohnung aus den Fünfziger Jahren direkt an einer Hauptstraße.

„Ich bin zugegebenermaßen ein bisschen anspruchsvoll“, sagt er. „Von den fast drei Dutzend Wohnungen haben mir nur zwei wirklich sehr gut gefallen. Mit drei anderen hätte ich bei stetig sinkenden Ansprüchen ganz gut leben können. Am Ende hätte ich allerdings fast alles genommen.“

Jörg Oberheide ist bewusst, dass er in einem besonders begehrten Wohnungssegment unterwegs ist. „Ich konkurriere mit anderen Singles, mit jungen Paaren und mit Studenten. Für die Singles und jungen Paare sind Zwei- bis Dreizimmerwohnungen ideal. Und Studenten tauchen oft zu zweit bei den Besichtigungen auf, weil sie die Miete für die Wohnung allein nicht aufbringen können.“ Auf sie übt Berlin eine enorme Sogwirkung aus – zum Wintersemester haben wieder mehr als 30 000 von ihnen an Universitäten und Hochschulen ihr Studium aufgenommen. Jörg Oberheide machen diese Zahlen fast sprachlos: „Wie soll das gehen, immer mehr Andrang auf einem immer kleineren Markt?“

Er bot eine Jahresmiete an, der Verwalter musste ablehnen

„Ich bin zugegebenermaßen ein bisschen anspruchsvoll“, sagt Jörg Oberheide, Wohnungssuchender.
„Ich bin zugegebenermaßen ein bisschen anspruchsvoll“, sagt Jörg Oberheide, Wohnungssuchender.

© Promo

Jörg Oberheide hatte mit einigen Studenten geredet, die mit ihm zusammen auf die Besichtigung einer Wohnung warteten. Sie erzählten aus ihren Heimatstädten, wo der Leerstand ähnlich gering ist wie in Berlin. In Freiburg bedruckte auf Initiative des Studentenwerkes eine Bäckerei 100 000 Brötchentüten mit einem Aufruf zur Vermittlung privater Zimmer. Und in Kiel rief das Studentenwerk das Projekt „Wohnen für Hilfe – Hand gegen Koje an Land“ ins Leben.

Familien, ältere Menschen oder soziale Einrichtungen bieten eine Unterkunft an. Im Gegenzug helfen die Studenten beim Einkauf, im Garten oder bei der Kinderbetreuung. Messlatte des Geschäftes ist eine Stunde Arbeit im Monat für einen Quadratmeter Wohnraum. Jörg Oberheide haben beide Ideen gefallen. Aber er ist seit 20 Jahren kein Student mehr.

Zwei Erlebnisse bei seinen letzten Besuchen hatten Jörg Oberheide besonders zugesetzt. Einmal drang er bis zum Verwalter einer Genossenschaft vor. Der erklärte ihm freundlich, dass er täglich etwa 100 Blindbewerbungen in seinem Mailaccount finde und das, obwohl er keine einzige freie Wohnung im Angebot habe. Dann das Gespräch mit einem anderen Verwalter, der ihm sagte, er könne ihm nur gegen Vorlage einer Verdienstbescheinigung eine Wohnung vermieten.

Jörg Oberheide verwies auf seine Auftragslage und seine Referenzen bei allen großen Nachrichtenmagazinen des Landes. Er bot an, eine Jahresmiete im Voraus zu überweisen. Er hat geerbt und ist in jedem Fall über Jahre liquide. Der Verwalter musste dieses Angebot ausschlagen. Er ist an eindeutige Bestimmungen gebunden.

Jetzt sieht es allerdings so aus, als ob Jörg Oberheide seine Beziehungen helfen könnten. Der Freund, der ihn aufgenommen hat, saß mit einer Freundin beim Essen zusammen. Sie erzählte ihm von einer Wohnung nahe dem Nordbahnhof, die ihren Eltern gehört und im Laufe der nächsten beiden Monate frei werden wird. Zwei Zimmer, Balkon und ein Keller für seine überschüssigen Habseligkeiten aus der Vierzimmerwohnung in Bremen. Die Eltern kommen Anfang Dezember nach Berlin, um ihre Wohnung abzunehmen. Dann wird man sich treffen. Jetzt hofft der Fotograf auf einen Mietvertrag. Zum ersten Mal überhaupt steht er ganz weit oben auf der Liste der Interessenten.

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