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Ab ins Eigenheim - doch so einfach ist das gar nicht.

© dapd

Wohnungsfrage: In unsicheren Zeiten kaufen oder lieber Mieter bleiben?

Zins und Tilgung wiegen vor allem in Zeiten billigen Geldes oft nicht schwer. Doch Experten warnen vor einfachen Rechnungen.

Noch gibt es erst einen kleinen Verkaufscontainer und ein großes Bauschild an der Pufendorfstraße/Ecke Matthiasstraße im Berliner Stadtteil Friedrichshain. Doch voraussichtlich im Herbst 2014 werden auf der jetzigen Brache 104 Eigentums- und 50 Mietwohnungen fertiggestellt sein. MY Berlin nennt der Projektentwickler Kondor Wessels sein Vorhaben – und will damit einen Kundenkreis ansprechen, der bislang zur Miete wohnt.

Von einem „Volksprodukt“ spricht denn auch Nikolaus Ziegert, Geschäftsführer des Maklerunternehmens Ziegert Bank- und Immobilienconsulting, das mit dem Vertrieb der Eigentumswohnungen an der Pufendorfstraße beauftragt ist. Knapp die Hälfte davon kostet weniger als 3000 Euro pro Quadratmeter. Damit ermöglicht MY Berlin laut Ziegert „auch Menschen mit durchschnittlichem Einkommen den Erwerb einer Eigentumswohnung in Citynähe“. Ein solcher Kauf sei „eine vernünftige Investition“ – aus zwei Gründen: Zum einen könne man sich dadurch vor dem Anstieg der Miete schützen, zum anderen seien die Zinsen derzeit äußerst niedrig.

Die Bedingungen für die Finanzierung eines Eigenheims seien so gut wie selten zuvor, sagt auch Gregor Schneider von der LBS, der Bausparkasse der Sparkassen. Laut dem Baugeldvermittler Interhyp sind Kredite mit einer Laufzeit von zehn Jahren heute bereits für 2,5 Prozent zu bekommen. „Häufig“, folgert Schneider, „ist die monatliche Belastung für ein Darlehen nicht höher als die Miete.“

Doch was passiert nach Ablauf der zehn Jahre? Droht dann bei der Anschlussfinanzierung mit den dann höchstwahrscheinlich nicht mehr so niedrigen Zinsen nicht eine viel höhere Belastung? Das müsse nicht sein, sagt Jürgen Kriegisch, Geschäftsführer des auf den Verkauf von Eigentumswohnungen spezialisierten Unternehmens „Part-B Immobilien“. Nach seinen Worten bieten manche Banken sogenannte Volltilgerdarlehen, die es erlauben, den Kredit bei konstantem Zinssatz komplett zu tilgen. Kriegischs Rechnung geht so: Wer vor einigen Jahren bei einem Zinssatz von fünf Prozent und einer Anfangstilgung von einem Prozent finanzierte, brauchte 36 Jahre, um das Darlehen zurückzuzahlen. Wer dagegen heute ebenfalls jährlich sechs Prozent der Darlehenssumme an die Bank überweist, ist seine Schulden schon nach 24 Jahren los. Der Grund: Bei einem in diesem Fall angenommenen Zinssatz von 3,2 Prozent bleiben für die anfängliche Tilgung 2,8 Prozent – entsprechend schneller geht die Rückzahlung.

Dass die Gelegenheit zum Kauf günstig ist, sieht Kriegisch durch eine Studie bestätigt, die er beim Analysehaus Bulwien Gesa in Auftrag gegeben hat. Das Fazit von Bulwien Gesa: „Eine Investition in den deutschen Immobilienmarkt stellt sich bei einer historischen Betrachtung aktuell sehr positiv dar. Vor allem die sehr niedrigen Finanzierungszinsen bilden eine wichtige Voraussetzung, um für breite Einkommensschichten den Immobilienkauf erschwinglich zu machen.“

Auch die Fachleute von Bulwien Gesa griffen zum Taschenrechner – dieses Mal aus Sicht eines Kapitalanlegers, der seine Wohnung vermietet. Das Ergebnis: Kauft der Investor eine Wohnung für 1900 Euro pro Quadratmeter und vermietet sie für sieben Euro pro Quadratmeter, so decken die Mieteinnahmen sowohl Zins und Tilgung als auch Instandhaltungskosten und Verwaltungsgebühr. Angenommen ist hier, dass der Käufer 30 Prozent Eigenkapital einsetzt, eine Tilgungsrate von jährlich zwei Prozent wählt und von seiner Bank einen Zinssatz von 2,5 Prozent erhält. Also nichts wie los zum Notar? Unabhängige Experten mahnen zur Vorsicht. „Ich warne vor zu einfachen Rechnungen“, sagt Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der Hochschule EBZ in Bochum. Ob eine Miet- oder eine Eigentumswohnung günstiger sei, hänge von so vielen Faktoren – Eigenkapitalanteil, Zinssatz, Kaufpreis und Miethöhe – ab, dass sich keine generelle Aussage treffen lasse. Zudem sei die Rechnung der Makler und Bausparkassen nicht vollständig: Wer das Eigenkapital lohnend anlege – etwa in eine Anleihe –, statt es in den Kauf einer Wohnung zu investieren, erziele damit ja ebenfalls eine Rendite, was bei den Musterrechnungen aber unberücksichtigt bleibe.

Kapitalanleger sollten laut Vornholz die von Maklern angegebenen Mietrenditen kritisch betrachten. „Bei einer Sollrendite von lediglich drei bis vier Prozent muss ich aufpassen. Denn wenn die Wohnung zwei Monate leer steht, ist die Rendite weg.“ Oft würden zudem die Kaufnebenkosten (Grunderwerbsteuer, Notargebühr, Maklerprovision) nicht berücksichtigt. Dabei summieren sich diese in Berlin auf 14 Prozent des Kaufpreises. Und schließlich, so Vornholz, müsse man vor allem bei älteren Immobilien stets mit zusätzlichen Ausgaben für Instandhaltung und Sanierung rechnen.

Ein weiteres Argument gegen die Eigentumswohnung, nämlich die Einschränkung der Mobilität, lässt Jürgen Kriegisch von Part-B nicht gelten: „Wenn der Eigentümer den Standort wechseln will, vermietet er die Wohnung halt.“ Auch der Wiederverkauf sei eine Möglichkeit, ergänzt Makler Nikolaus Ziegert, zumal die Preise in Berlin derzeit deutlich stiegen. Doch das muss nicht immer so bleiben, gibt Experte Vornholz zu bedenken: „Man kann nicht davon ausgehen, dass man den gleichen Preis erzielt wie beim Kauf.“ Das bestätigen die Zahlen der LBS: Demnach kosten gebrauchte Eigentumswohnungen im bundesweiten Durchschnitt etwa 40 Prozent weniger als neue. Doch auch Vornholz spricht sich nicht grundsätzlich gegen den Kauf einer Eigentumswohnung aus: Für Menschen, die sicher seien, längere Zeit sesshaft zu bleiben, sei das Eigentum „eine gute Alternative“. Umgekehrt will nicht einmal Makler Ziegert jeden Berliner zum Eigentümer machen: „Man sollte sich überlegen, ob man der richtige Typ für den Kauf einer Immobilie ist.“

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