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Interview: „Wir haben schon Münchener Verhältnisse“

Deutliche Steigerungen im neuen Mietspiegel: Mieterschützer Hartmut Vetter über die Folgen.

Die Zeit scheint zu Ende zu gehen, in der Berlin als die Stadt der billigen Mieten bekannt war. Um fast sechs Prozent liegen die Werte des in dieser Woche veröffentlichten neuen Mietspiegels über denen seines Vorgängers aus dem Jahr 2005 – die durchschnittliche Nettokaltmiete erhöhte sich von 4,49 auf 4,75 Euro je Quadratmeter. Um mehr als zehn Prozent sogar sind die Werte für kleine Wohnungen unter 40 Quadratmeter gestiegen. Aber was bedeuten diese Zahlen für den einzelnen Mieter? Antworten gibt Hartmann Vetter, Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins.

Herr Vetter, kann mein Vermieter jetzt einfach die Miete erhöhen?

Das hängt von der Einordnung der Wohnung ab. Der Vermieter darf die Miete erhöhen, wenn die Frist von einem Jahr zur letzten Steigerung eingehalten wird. Außerdem darf er die Miete innerhalb von drei Jahren um nicht mehr als 20 Prozent erhöhen, es sei denn, er kann gestiegene Betriebskosten vorweisen oder es wurde modernisiert. Zudem muss die Erhöhung begründet werden und die ortsübliche Vergleichsmiete aus dem Mietspiegel darf nicht überschritten werden.

Sind in der Vergangenheit neuen Spiegeln in Berlin denn viele Erhöhungen gefolgt?

Jeder neue Mietspiegel bringt eine Welle davon mit sich. Zumal dann, wenn die Werte, so wie jetzt, in 80 Prozent der Felder erhöht worden sind.

Im Zuge des neuen Mietspiegels sind auch diverse Gebiete von "einfache Wohnlage" auf  "mittel" hochgestuft worden. Ebenfalls Grund für eine höhere Miete?

Dass ist möglich, wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Kann man diese Einstufungen anfechten?

Nein. Man kann nur im Rahmen der Spanneneinordnung, also der Einordnung der Wohnung gemäß ihrer Eigenschaften zwischen Ober- und Unterwert des Mietspiegels, Beeinträchtigungen, die durch das Umfeld entstehen, als Nachteil geltend machen.

Der Mieterverein kritisiert das Verfahren zur Ermittlung des Spiegels hart. Gibt es keinen einheitlichen Standard?

Leider nein. Deswegen fordern wir auch ein Gesetz, in dem solche Standards festgelegt werden. Wir erkennen den neuen Mietspiegel 2007 nicht an, weil gegen das Votum der Mieterorganisationen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Relation zur Durchschnittsmiete einen höheren Oberwert als bei früheren Spiegeln festgelegt hat. Damit wird den Vermietern erneut ein zusätzlicher Spielraum für Mieterhöhungen gewährt, der weder rechtlich noch wissenschaftlich-statistisch geboten ist. Der Koalitionsvertrag fordert einen einvernehmlichen Mietspiegel – er wurde durch dieses Vorgehen gebrochen.

Welche Entwicklung erwarten Sie? Drohen Münchener Verhältnisse?

Wir haben durchaus schon "Münchener Verhältnisse", wenn man nicht nur auf die Durchschnittsmietwerte abstellt, sondern die Belastung im Verhältnis zum Einkommen nimmt. Angesichts der geringeren Verdienste in Berlin ist diese oft höher als in München und Hamburg.

Sehen Sie Bereiche, in denen hier Wohnungsmangel herrscht?

Die Nachfrage an bezahlbaren Wohnungen mit entsprechender Ausstattung in annehmbarer Umgebung ist höher als das Angebot. Das wird jeder feststellen, der über ein Normaleinkommen verfügt und eine Wohnung sucht.

Ab wann gilt das Werk überhaupt?

Ab dem Erscheinen am 11. Juli 2007 – auch für alle Mieterhöhungen, die bereits ausgesprochen oder bei Gericht sind. Sollte also die Vergleichsmiete im neuen Mietspiegel niedriger liegen als im alten, so kann das dafür sorgen, dass eine Erhöhung nicht mehr begründet ist.

Wo kann ich den Mietspiegel erhalten?

Am 25. August wird er als Beilage in den Abonnementszeitungen erscheinen. Außerdem gibt es ihn bei uns, Näheres dazu unter www.berliner-mieterverein.de. Und im Internet sind unter www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/ Abfragen möglich.

Kai Kolwitz

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