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Immobilien: Kaum Platz für Industrie und Gewerbe

Marktreport: Berliner Unternehmen wollen investieren, finden aber keine geeigneten Flächen.

Das „dicke Ding“ kann es in Berlin so leicht nicht geben. Damit wäre eine große Industrieansiedlung in der Stadt gemeint, mit möglichst vielen Arbeitsplätzen. Doch in Berlin finden die Unternehmen keine adäquaten und zeitgemäßen Flächen. „Der Grundstücksmarkt ist zu eng für produzierende Unternehmen, das innerstädtische Angebot kann die Nachfrage nicht decken.“

So heißt es im Marktreport Industrie und Logistikflächen 2011/2012 des Immobilienmaklers Engel & Völkers – ein Alarmsignal für den Wirtschaftsstandort Berlin. Die Standortkrise trifft inzwischen auch die kleineren Unternehmen. „Selbst in Kreuzberg können Betriebe kaum noch geeignete Grundstücke finden“, bedauert Colette Bodendorf von Engel & Völkers Commercial. Die kleinen Gewerbehöfe reichten nicht mehr, „da wird viel kaputtgemacht“. Schlechte Vorzeichen für die Wertschöpfung durch produzierende Unternehmen.

Die Nachfrage nach neuen Gewerbeflächen geht überwiegend von Berliner Unternehmen aus, die in der Krise 2008/2009 ihre Erweiterungspläne zunächst zurückgestellt hatten, nun aber investieren wollen: An neuen Standorten soll jetzt die Optimierung der Arbeitsabläufe durch großzügigere Flächen und bessere Verkehrsanbindungen realisiert werden. Außerdem sei immer wieder zu hören, dass die Unternehmer angesichts der Euro-Krise umdenken – sie lösen ihre Kapitalrücklagen auf und investieren „lieber in etwas Vernünftiges“: In neue Maschinen, in neue Betriebe – „Betongold“ für die GmbH oder die AG, sagt Colette Bodendorf. Der zu erwartenden Nachfrage werde allerdings kein adäquates Angebot an hochwertigen Flächen gegenüberstehen, heißt es in dem Bericht.

Im Report klingt es zunächst besser für Berlin, als die Lage wirklich ist. Mit einem Umsatz von 437 000 Quadratmetern industrieller Nutzfläche wurde 2011 das höchste Ergebnis für die Bundeshauptstadt in den vergangenen zehn Jahren erzielt – wobei allerdings die Region Berlin gemeint ist.

Die wirklich großen Geschäfte mit den großen Industrie- und Gewerbeansiedlungen werden vor der Haustür im Nachbarland Brandenburg gemacht. Ansiedlungen mit mehr als 10 000 Quadratmeter Fläche sind fast nur noch im Umland zu verzeichnen – das sind 48 Prozent des Gesamtergebnisses. Für Berlin selbst bleibt nur das kleinteilige Geschäft mit Gewerbe- und Produktionsflächen übrig. Fast drei Viertel der Vermietungs- oder Verkaufsabschlüsse (73 Prozent) betreffen Ansiedlungen im kleinen Rahmen.

Industrieunternehmen mit höherem Platzbedarf werden Engel & Völkers Commercial zufolge auf Berliner Stadtgebiet fast nur noch in Spandau fündig, und zwar südlich des Flughafens Tegel: Hier wurden Grundstücke mit mehr als 5000 Quadratmeter vermittelt, überwiegend unsanierte Industrieflächen mit hohem Freilandanteil – zu allerdings günstigen Quadratmeterpreisen. Ein Drittel des gewerblichen Flächenumsatzes von Berlin konzentriert sich auf dieses Areal.

Da produzierende Unternehmen Wert auf eine sehr gute Infrastruktur legen, also Grundstücke an innerstädtischen Schnellstraßen und Autobahnen bevorzugen, sticht der Westen Berlins alle östlichen Stadtteile aus. Der klassische Industriekunde „wolle am liebsten direkt auf der Stadtautobahn bauen“, sagt Colette Bodendorf. Eine mit 1000 Quadratmeter eher kleine Fläche nahe bei Ikea in Tempelhof sei weggegangen „wie warme Brötchen beim Bäcker“. Das seien eben die Top-Lagen für Berliner Investoren. Natürlich gebe es auch in Oberschöneweide tolle Areale, aber die Verkehrsverhältnisse schreckten alle Interessenten ab. Eine Erschließung der Stadt Richtung Osten, wie sie sich jetzt mit der geplanten Verlängerung der A100 andeutet, könnte natürlich hilfreich sein.

Die großen Ansiedlungen gingen deshalb auch im Berichtsjahr 2011 an Berlin vorbei. An der Spitze steht der Schuh-Versender Zalando, der seit vergangenem Jahr die Bestellerinnen von Brieselang aus beglückt – Zalando stapelt hier seine Waren auf angemieteten 67 900 Quadratmeter Hallenfläche. Nummer zwei auf der Bestenliste 2011 ist Kraftverkehr Nagel. Das Unternehmen hat sich in Wustermark auf 33 000 Quadratmeter neu projektierter Fläche etabliert. Die Betriebe achten auch hier – neben den im Vergleich zu Berlin niedrigeren Gewerbesteuer-Hebesätzen der Umlandgemeinden – auf die Nähe zum Berliner Autobahnring. Weiter draußen in Brandenburg läuft nicht mehr viel.

Auf Berliner Stadtgebiet sei die Diskrepanz zwischen der Qualität des Angebots und den Ansprüchen der Nachfrage „oftmals nicht überbrückbar“, sagt Bodendorf. Auch Neubauentwicklungen seien in Berlin keine reelle Alternative, da innerstädtische Grundstücke fehlten. Und erst recht gibt es Kritik aus den Kreisen der Industrie am Tempo in den Verwaltungen. Die in Berlin „einzukalkulierende Fertigstellungsdauer ist vielfach mit den Flexibilitätsansprüchen des Marktes nicht vereinbar“, heißt es höflich formuliert im Marktreport zum Stichwort Berliner Bürokratie.

Auch die Tendenz für 2012 ist laut dem Bericht nicht günstig: Gegenwärtig sei ein Preisanstieg bei hochwertigen Flächen spürbar. Jedoch werde dies nicht zu einer allgemeinen Verteuerung bei den Industrie- und Gewerbeflächen führen, da die qualitativ einfachen Grundstücke preislich eher unter Druck stünden.

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