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Kündigung: Rauswurf aus Renditegründen - BGH muss urteilen

Darf ein Investor seinen Mietern kündigen, weil er einen lukrativeren Neubau errichten will?

Wer schon länger in Berlin lebt, dem könnte die Geschichte des Haus Huth am Potsdamer Platz noch im Gedächtnis sein: Das steht nämlich heute nur deshalb zwischen all den Neubauten an der Alten Potsdamer Straße, weil sich seine Mieter standhaft dem Abriss widersetzten — so lange, bis die Investoren den fest geplanten Abriss wieder von der Tagesordnung strichen. Um das zu erreichen, harrten die letzten Bewohner des Gründerzeithauses sogar in ihren Wohnungen aus, als ringsum die Wolkenkratzer hochgezogen wurden — inmitten von Schlamm, Dreck und Baulärm einer der größten Baustellen Europas.

Mit einem ähnlich gelagerten Fall muss sich in diesen Tagen der Bundesgerichtshof auseinandersetzen: Der BGH prüft, wie weit der Mieterschutz beim geplanten Abriss eines Wohnhauses durch einen Investor reicht. In dem Grundsatzverfahren hat das Gericht bereits über die Kündigungsschutz-Klagen dreier Mieter verhandelt. Deren Pech ist es, dass sie in einem Altbau in einer recht vornehmen Lage in Heidelberg leben. Eine Immobilienfirma hatte das stark sanierungsbedürftige Anwesen vor gut drei Jahren gekauft und will es abreißen, um an dessen Stelle einen Neubau mit sechs hochwertigen Eigentumswohnungen zu errichten. Die Kündigungen für die bislang günstig wohnenden Mieter begründet das Unternehmen mit der Unwirtschaftlichkeit einer Sanierung des fast 100 Jahre alten Gebäudes. Geregelt werden solche Fälle an sich durch eine Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wonach der Eigentümer kündigen darf, wenn er andernfalls an einer „angemessenen wirtschaftlichen Verwertung gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde“.

Allerdings ist es Ermessenssache, wie erheblich die Nachteile sein müssen, um die Kündigung zu rechtfertigen. Im konkreten Fall ist dem Investor eine Rendite von 2,5 Prozent, die er mit einer Sanierung des Sechsfamilienhauses erzielen könnte, nicht genug. Er hofft auf 16 Prozent: Die Eigentumswohnungen auf dem 600-Quadratmeter-Anwesen sollen, so sie denn gebaut werden dürfen, zwischen 430 000 und einer Million Euro kosten. Das Landgericht Heidelberg hatte der Räumungsklage stattgegeben, die Mieter hatten danach allerdings nicht klein beigegeben. Mieter-Anwältin Maria Hauger verwies auf die Sozialbindung des Eigentums im Grundgesetz. „Es ist die Frage, ob man die optimale wirtschaftliche Verwertung auf Kosten des Mieters vornehmen darf“.

Auch das Bundesverfassungsgericht räume dem Schutz der Mieter große Bedeutung ein. Rechtsanwalt Siegfried Mennemeyer, Vertreter des abrisswilligen Investors, hielt dem entgegen, die Verfassungsrichter hätten einen „übersteigerten Mieterschutz stets zurückgepfiffen“.„Das ist ein schwieriger Fall im Spannungsfeld zwischen Eigentumsgarantie und Bestandsschutz für Mietwohnungen“, sagte der BGH-Senatsvorsitzende Wolfgang Ball zum Verhandlungsauftakt. Dass das Objekt offenbar allein zu Spekulationszwecken erworben wurde, spiele auf den ersten Blick für die juristische Beurteilung keine Rolle, so der Bundesrichter. Auf das Urteil darf man daher gespannt sein. Der Bundesgerichtshof will es am 28. Januar kommenden Jahres verkünden. (dpa)

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