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Immobilien: Lust und Frust in der Friedrichstraße

Investoren diskutieren den Standort im TagesspiegelVON GERHARD WISTUBA An Kontroversen mangelt es nicht, wenn ein so brisantes Thema wie die Perspektive der Büro- und Geschäftsmeile Friedrichstraße Gegenstand einer Veranstaltung ist.Auf Einladung des Tagesspiegels diskutierten Vertreter der wichtigsten Immobilieninvestoren über die Chancen ihrer "Topadresse".

Investoren diskutieren den Standort im TagesspiegelVON GERHARD WISTUBA An Kontroversen mangelt es nicht, wenn ein so brisantes Thema wie die Perspektive der Büro- und Geschäftsmeile Friedrichstraße Gegenstand einer Veranstaltung ist.Auf Einladung des Tagesspiegels diskutierten Vertreter der wichtigsten Immobilieninvestoren über die Chancen ihrer "Topadresse".Unter der Moderation von Chefredakteur Gerd Appenzeller beschworen die Gäste eine Friedrichstraße, die dank internationalem Flair die erste Adresse Berlins wäre - eine Vision, die von der gegenwärtigen Realität noch recht weit entfernt ist. "Rund um den Checkpoint Charlie herrscht blankes Chaos", bilanziert Uwe Schuricht von der Checkpoint Charlie Service Company (CCSC).Die CCSC baut mehrere Büro- und Geschäftshäuser am früheren Checkpoint Charlie."Wer die Straße umfahren kann, tut es", sagt Schuricht.Verursacht werden die Mißstände laut Schuricht durch "den Senat, der Monate im Verzug ist." Dem stimmte auch Rainer Boldt zu, Direktor bei der Dresdner Bank: "Die Dinge bleiben im Senat einfach liegen".Dadurch hätten sich die Baumaßnahmen in Einzelfällen um bis zu fünf Monate verzögert. Beklagenswert sei vor allem die unzureichende Abstimmung der einzelnen Bauabteilungen des Öffentlichen Dienstes, so Schuricht.Weil sich Tiefbau und Hochbau nicht abstimmten, würden Straßen mehrfach aufgerissen - statt die verschiedenen Maßnahmen in einem Arbeitsgang zu erledigen.Boldt fügte hinzu: Ausrangierte Briefkästen mit Betonsockel blieben einfach vor dem Quartier 205 und der Buchhandlung Kiepert stehen, Dauerparker vor dem Kontorhaus blockierten den Geschäftsbetrieb, weil die Schilder zum kostenpflichtigen Parken noch nicht aufgestellt seien. Zwei ehemalige Senatoren mochten in die Klagen gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber nicht einstimmen.Volker Hassemer - einst federführend für Stadtentwicklung und Umweltschutz und heute Chef der Partner für Berlin - riet den Investoren, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.So müsse "der Senat an einen Tisch zu zwingen sein".Wolfgang Nagel - einst im Senat für Bauen und Wohnen zuständig und heute Geschäftsleiter bei der Fundus-Tochter "Bredero" - wies sich gar die Rolle des "Nestbeschmutzers" zu, bevor er ausführte: "Würde der Senat wunderbar arbeiten, hätten die Projekte dieselben Probleme".Einen anorganischen Stadtteil könne man nicht im Zeitraffer aufbauen, 50 Jahre Vernachlässigung seien nicht wegzuzaubern.Immerhin lasse ein Vergleich der Friedrichstraße heute mit der Situation von vor einem Jahr hoffen: Damals seien neun von zehn "Besuchern" Bauarbeiter gewesen - das sei heute anders.Dennoch werde die Entwicklung weitere fünf bis zehn Jahre dauern.Noch existiere die "Demarkationslinie" zwischen den beiden Stadtteilen, zumindest für "West-Berliner".Das gelte aber nicht für internationale Touristen und Besucher aus Deutschland: Für sie sei die Friedrichstraße das erste Ziel in Berlin. Wermutstropfen dabei sei aber, daß sie kaum Geld in den Läden von Berlins City Ost ließen.Die Kassen der Theater und Museen Unter den Linden klingeln dagegen - sogar Baustellen halten die Besucher nicht ab.Der ehemalige Politiker Nagel sieht daher in der Kultur ein Mittel, die Menschen in die Straßen der City Ost zu locken.Kultur im Dienste von Interessen Dritter? Konzerthausintendant Frank Schneider macht damit unliebsame Erfahrungen: Das Schauspielhaus drohe "zum Staatstheater zu verkommen".Das altehrwürdige Gemäuer werde zunehmend von Bund und Land für repräsentative Einladungen genutzt - das kulturelle Schauspiel verdränge das politische.Wenn aber das Schauspielhaus zur "Immobilie" reduziert werde, ziehe das einen Verlust für die ganze Öffentlichkeit nach sich. Ein Loblied auf die Friedrichstraße stimmte Uwe Beckmann an.Der Chef vom Juwelier Wempe: "Unser Geschäft geht weit über die Erwartungen hinaus.Die Westberliner kommen genauso wie die Ostberliner." Seinen Erfahrungen zufolge sind auch andere Händler nicht unzufrieden.Übertroffen wurde diese Bewertung noch durch den unerschütterlichen Optimismus von Ferdinand Regnier, Bereichsleiter bei der ECE Projektmanagement GmbH.Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Entwicklung von Einkaufscentern und hat in der Friedrichstraße eine eigene Immobilie entwickelt."Spätestens 1999 wird die Friedrichstraße die erste Straße Berlins sein", so Regnier.Darauf müßten Investoren setzen und bei der Wahl ihrer Mieter auf klangvolle Namen achten, die der Meile einen internationalen Flair verliehen.Wenn die Büros erst einmal vermietet seien, komme das Leben von selbst in die Straße.Volker Hassemer stimmte zu: "Jeder Zweifel ist ungesund.Überall, wo die Partner für Berlin auftreten, muß die Friedrichstraße als erste Straße dargestellt werden.Jede Eröffnung muß als Fest gefeiert werden." Ob diese Strategie aufgeht?

GERHARD WISTUBA

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