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Immobilien: Mangelwirtschaft vor Gericht

Welche Beweisverfahren decken zuverlässig Fehler beim Wohnungs- oder Hausbau auf?

WAS STEHT INS HAUS?

Die Fertigstellung unserer Eigentumswohnung verzögerte sich über fast sechs Monate und nun haben wir nach Übergabe der Wohnung Mängel zu beklagen. Unsere bisherigen Mängelmeldungen wurden vom Verkäufer ignoriert beziehungsweise als unwahr abgetan. Unser Anwalt rät uns, ein selbstständiges Beweisverfahren beim Gericht zu beantragen. Für das Feststellungsverfahren sind Beweisfragen zu formulieren, die von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen beantwortet werden. Wie stellt man nun die richtigen Fragen, damit wir das beantwortet bekommen, was wir eigentlich erwarten?

WAS STEHT IM GESETZ?

Möchten Sie Mängel und nicht vertragskonforme Bauzustände rechtssicher feststellen lassen, eignet sich ein selbstständiges Beweisverfahren, das in der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt ist (§§ 485 ff.). Dieses Verfahren ist beim Gericht zu beantragen. Das Verfahren enthält Beweisfragen, die nach der ZPO rechtlich zulässig sind und dann vom Gericht beschlossen werden können. Es dürfen dabei keine ausforschenden Tatbestände angefragt sein, wie etwa: „Hat die Wohnung überhaupt Mängel?“ Das Gericht wacht darüber, dass die Beweisfragen verfahrensrechtlich zulässig sind. Die technischen Inhalte der Fragen müssen Sie allerdings formulieren. Sollte es Ihnen fremd sein, bautechnische Fragen prägnant zu formulieren und sind die in Rede stehenden Sachverhalte sehr kompliziert, bietet es sich an, einen Sachverständigen oder qualifizierten Ingenieur mit der Formulierung der Beweisfragen privat zu beauftragen. Die zum Teil sehr komplexen Prozesse in der Bauwirtschaft können je nach Vielfalt der Prozessbeteiligten unterschiedliche Fragerichtungen ergeben, so dass es nicht ungewöhnlich ist, dass auch Antragsgegner eines Verfahrens Fragen beantragen. Der Bundesverband der Sachverständigen (BVS) diskutiert gegenwärtig, ob im Zuge einer Erstanhörung zwischen den Parteien bereits ein Sachverständiger vom Gericht bestellt werden sollte, der an der Erarbeitung der Beweisfragen mitwirken soll, welche er dann später selbst beantworten muss.

UND WIE STEHEN SIE DAZU?

Grundsätzlich sollten nur die Parteien eigene Beweisfragen stellen. Die gerichtliche Beratung des später im Gerichtsfall tätigen Sachverständigen würde die Auswahl der Beweisfragen beeinflussen und in falsche Richtungen lenken können, da der Sachverständige ja noch nicht mit der Sache befasst war. Die gegenwärtige Rechtslage stellt es den Parteien völlig frei, sich vor Beginn eines solchen Verfahrens privatrechtlich von einem Sachverständigen beraten zu lassen. Damit besteht bereits ein ausreichendes Instrument, qualifizierte Fragen zum Entstehen von Mängeln zu stellen, was umfänglich dem demokratischen Pluralismus entspricht. Sollte zukünftig ein Sachverständiger erst im Gerichtsauftrag Beweisfragen für seine künftige Arbeit formulieren können, würde ich dies als Eingriff in die bestehende demokratische Streitkultur ansehen.

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