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Immobilien: Mein Denkmal setz ich mir selbst

Kirche, Kasernen oder alte Kraftwerke: Auch innerstädtisch werden individuelle Wohnformen immer stärker nachgefragt

Es muss ja nicht gleich ein Bunker sein. Auch in einer Kaserne, einem Krankenhaus oder einer Kirche lässt es sich gut leben. Ebenso wie im ehemaligen Umspannwerk der Bewag oder in der früheren Telefonvermittlung der Post. Immer mehr leer stehende Gebäude, die einst ganz anderen Zwecken dienten, werden zu Ein- oder Mehrfamilienhäusern umfunktioniert – vor allem dann, wenn sie architektonisch bedeutsam sind und deshalb unter Denkmalschutz stehen. „Der Markt wächst, weil das Bestreben zunimmt, etwas ganz Besonderes zu besitzen“, hat Christine Wolf, Leiterin Öffentlichkeitsarbeit beim Landesdenkmalamt Berlin, festgestellt. Immer häufiger werde die eigene Wohnung zur „Visitenkarte“.

Auch Frank Kammerer, Marketingleiter bei dem auf Denkmalobjekte spezialisierten Unternehmen Berner und Grasserbauer Grundbesitzanlagen GmbH (B & G), kennt die Sogwirkung eines ausgebauten Baudenkmals: „Oftmals ziehen gerade Mieter aus der Nachbarschaft ein, die das alte Gebäude schon kennen und schätzen.“ Auch wenn sich durch die Sanierung eines Militär- oder Industriedenkmals nicht unerhebliche Steuern sparen lassen (siehe Servicekasten) – der Hauptgrund für das Wohnen im Denkmal sei fast immer emotional, sagt Kammerer.

Architektin Petra Kahlfeldt etwa begeistert sich für die früheren Abspannwerke der Bewag. In den von Bewag-Chefarchitekt Hans Heinrich Müller ab 1920 errichteten Anlagen wurde der Strom, der mit 30 Kilovolt von den Kraftwerken am Stadtrand kam, auf 6 Kilovolt „abgespannt“. Doch der technische Fortschritt machte rund 60 Jahre später die Abspannwerke überflüssig – mehr als 40 individuell gestaltete und architektonisch interessante Gebäude überall in der Stadt standen plötzlich leer. Einige wurden zu Wohn- und Atelierhäusern umgebaut wie zum Beispiel das fünfgeschossige Backsteingebäude in der Brüsseler Straße in Wedding. Bewusst habe man nur einen Grundausbau vorgenommen, damit jeder Wohnungsnutzer seinen Grundriss selbst gestalten und damit seinen eigenen Lebensentwurf verwirklichen könne, sagt die verantwortliche Architektin Petra Kahlfeld.

Am Markt wird dieses Konzept gut angenommen. Denn statt konfektionierter Wohnungen oder Einfamilienhäuser werden immer häufiger interessante „Rohlinge“ nachgefragt, die eine flexible Nutzung und Heterogenität erlauben. Nicht nur für Singles oder Paare ist dieses Modell geeignet. Auch Familien mit Kindern haben sich für das innerstädtische Wohnen im ehemaligen Abspannwerk entschieden, an dessen frühere Nutzung heute lediglich noch drei Stützen im Inneren der denkmalgeschützten Immobilie erinnern.

Die Mieter der neun Wohnungen in der Spandauer Lutherkirche können dagegen kaum vergessen, in welchem Gebäude sie leben. Weil am Kirchenschiff nichts verändert werden durfte, wurden beim Umbau selbst die Emporen in die Wohnungen integriert. Jede Wohnung verfügt über interne Treppen, was die Nutzung zuweilen schwierig gestaltet. „Man muss schon sehr begeistert sein vom Wohnen in der Kirche, um dort einzuziehen“, sagt selbst Matthias Hoffmann-Tauschwitz, Bauamtsleiter der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, kritisch; zumal die Mieten nach Auslaufen der Sozialbindung vergleichsweise hoch seien. Weil außerdem der Umbau einer Kirche zu Wohnzwecken extrem viel Geld verschlingt, wird die Lutherkirche, einst hoffnungsvoll als Pilotprojekt gepriesen, ein Einzelfall bleiben. Zwar wohnen auch andernorts in Berlin Leute in denkmalgeschützten Gebäuden der Kirche, doch handelt es sich in diesen Fällen – wie zum Beispiel bei der Taborkirche in Kreuzberg – um das mit der Kirche baulich verbundene Gemeindehaus und nicht um das Kirchenschiff selbst.

Viel Platz für Anhänger von Baudenkmälern gibt es dagegen in ehemaligen Kasernen. Sowohl in der Ruinenberg- als auch in der Garde-Ulanen-Kaserne in Potsdam sind zumindest teilweise Wohnnutzungen vorgesehen. Im angrenzenden „Parc du Bois“, einem unter Denkmalschutz stehenden Ensemble aus zwölf ungewöhnlich schmuckvollen Militärlazarettgebäuden aus dem 19. Jahrhundert, sollen bis Mitte 2007 gar 170 Wohnungen entstehen. Zum Quadratmeterpreis von 2400 bis 2850 Euro können Selbstnutzer oder Kapitalanleger eine Zwei-, Vier- oder Sechs-Zimmer-Wohnung in einem der Pavillons erwerben. Besonderheit des Objekts: ein weitläufiges Gelände mit über 100 Jahre alten Bäumen, freie Blickachsen, riesige Fenster in den Wohnungen, ungewöhnliche Raumhöhen und das in Mauern aus Rathenower Ziegeln. Dass bei einem derart alten Gebäude auch schon mal das Parkett knarrt, störe kaum einen der Interessenten, sagt Frank Kammerer vom Bauträger B & G: „Die Leute entscheiden sich bewusst für ein Denkmal. Und sie wollen mit dessen Eigenheiten leben.“

Wer seine Wohnung nicht vom Bauträger kauft, sondern selbst ein unter Denkmalschutz stehendes Haus ausbauen will, sollte so früh wie möglich Kontakt zur unteren Denkmalschutzbehörde aufnehmen, rät Christine Wolf vom Landesdenkmalamt: „Wer vor dem Bauantrag schon alles ausgetüftelt hat, kann viel Zeit und Geld verlieren.“ In der Regel sind die Denkmalschutzbehörden heute weitaus kooperativer als noch vor einigen Jahren, eine Folge leerer öffentlicher Kassen. Oftmals lassen sich wertvolle Gebäude nur durch private Investitionen vor dem Verfall retten. Christine Wolf: „Denkmalschutz ist keine Käseglocke.“ Viele Änderungen seien genehmigungsfähig und nur in besonderen Einzelfällen werde eine Rückbaumöglichkeit verlangt. Dennoch: Zunächst ist die Sanierung eines Denkmals wegen der Absprachen mit der Behörde zeitaufwändiger als der Bau eines Einfamilienhauses – diesen Mehraufwand sollte man einplanen.

Für die Kaufentscheidung spielt auch eine Rolle, ob es sich um ein Einzeldenkmal handelt oder ob das Gebäude in einem Denkmalbereich steht. Im ersten Fall können nämlich alle erforderlichen Sanierungskosten von der Steuer abgesetzt werden, bei einem Denkmalbereich ist dies nur bei den Aufwendungen für die Fassade möglich. „Rechnet man zur Steuerersparnis noch mögliche Förderbeträge von der Deutschen Stiftung für Denkmalschutz hinzu, ist ein Denkmal eine hervorragende Investition“, sagt Finanzberater Werner Kniefeld. Noch ist das Angebot an interessanten Denkmälern groß: Bundesweit sind über 2000 Kirchen ungenutzt, in Berlin stehen mehrere hunderttausend Quadratmeter leer: in ganz normalen Wohnhäusern, aber auch in Grundschulen, Fabriken, Schaltzentralen und Bunkern.

Jutta Burmeister

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