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Kann die Miete gemindert werden, wenn die Wohnung kleiner ist als angegeben? Mit dieser Frage müssen sich Gerichte immer wieder beschäftigen. Das geplante Zweite Mietrechtsnovellierungsgesetz hält dazu wenig neue Gewissheiten bereit.

© Marius Becker/dpa

Mietminderung bei falscher Wohnungsgröße: Ungerechte Toleranzgrenze soll de facto bestehen bleiben

Weniger als zehn Prozent Abweichung bei der Wohnfläche sind und bleiben zulässig – zulasten der Mieter. Das sieht zumindest eine Neuregelung des Mietrechts vor, obwohl im Koalitionsvertrag etwas anderes steht.

Zwischen Mieter und Vermieter gibt es häufig Streit, wenn die Größe der tatsächlichen Wohnfläche von den Quadratmeterzahlen abweicht, die im Mietvertrag genannt werden und die Grundlage der Nettokaltmiete sind. Nach langjähriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fielen Abweichungen unter zehn Prozent bisher unter den Tisch. In der Praxis führte dies dazu, dass ein Mieter für nicht existente Flächen Miete und Betriebskosten zu zahlen hatte. Mit der offenkundigen Ungerechtigkeit dieser „Toleranzgrenze“ wollte und sollte die große Koalition laut Koalitionsvertrag Schluss machen.

Dem Tagesspiegel liegt der Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Novellierung mietrechtlicher Vorschriften des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vor (Stand: 11. April). Danach gibt es keine Reduzierung auf oder Richtung null Prozent bei alten Mietverträgen.

Vielmehr ist folgendes in Ergänzung des fraglichen Paragrafen 536 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Thema Mietminderung vorgesehen: „Besteht der Mangel der Mietsache in einer Unterschreitung der vereinbarten Fläche, kommt eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit nur in Betracht, wenn die Abweichung der tatsächlichen von der vereinbarten Fläche höchstens 10 Prozent beträgt. Bei einer Abweichung von höchstens 10 Prozent trägt der Mieter die Beweislast für Umstände, die eine erhebliche Minderung der Tauglichkeit begründen.“

Das heißt: Wenn die Abweichung von der tatsächlichen Fläche geringer als zehn Prozent ist, ist dies eigentlich unerheblich. Wenn die Abweichung als erheblich gewertet werden soll, muss der Mieter die Umstände dafür begründen.

Haus & Grund befürchtet hohe Kosten

Was mögen das für Umstände sein? Auf Seite 24 in der Gesetzesbegründung „zu Satz 5“ steht dazu mehr: „Dies kann z. B. der Fall sein, wenn der Mieter seine Möbel aufgrund der kleineren Fläche nicht wie geplant stellen kann oder die Wohnung unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes zu klein ist für die vom Mieter gehaltenen Haustiere.“ Derartige Fälle dürften extrem selten sein – und so dürfte alles bei alten Mietverträgen beim Alten bleiben.

Die Eigentümerschutzgemeinschaft Haus & Grund, mit rund 900.000 Mitgliedern der mit Abstand größte Vertreter der privaten Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer in Deutschland, wertet die Pläne von Justizminister Heiko Maas (SPD) trotzdem als „Profilierungsversuch mit erheblichen Nebenwirkungen“. Der Plan, zukünftig die Größe aller Wohnungen eines Hauses nach einer einheitlichen Berechnungsmethode zu ermitteln, sei mit hohen Kosten und hohem Aufwand verbunden. Schließlich müssten alle älteren Mehrfamilienhäuser neu vermessen werden. Hinzu komme, dass nur leere Räume exakt vermessen werden könnten, teilte Kai H. Warnecke, Hauptgeschäftsführer Haus & Grund Deutschland, mit.

Nach Angaben von Haus & Grund drohen durch die neuen Regelungen zur Wohnfläche Streit und Missverständnisse zwischen Mietern und Vermietern. Es müsse verbreitet damit gerechnet werden, dass unterschiedliche zulässige Größenangaben verwendet werden müssen: die vereinbarte zur Berechnung der zulässigen Miethöhe, die andere nachberechnete für die Umlage von Betriebskosten. „So etwas kann nur zu Streit und Verunsicherung bei beiden Parteien führen“, befürchtet Warnecke.

Wohnungsverwalter sieht "eher geringe Auswirkungen"

Auch die Verwalter von Wohneigentum sind nach Angaben ihres Spitzenverbandes unzufrieden mit dem Gesetzesvorhaben und befürchtet Konflikte im Mietverhältnis.

Der Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (DDIV) teilte über seinen Geschäftsführer Martin Kaßler auf Anfrage mit: „Insbesondere nichtinstitutionelle Vermieter dürften bei der Flächenermittlung nach der Wohnflächenverordnung auf Probleme tatsächlicher Art stoßen, die nur durch eine kostenintensive Beauftragung eines Vermessungsfachmanns gelöst werden können. Weiter vertreten wir, dass die Annahme eines Mangels bei einer Abweichung dogmatisch unpräzise und nicht mit der bisherigen Betrachtungsweise der Rechtsprechung vereinbar ist. Die geplante Neuregelung erweist sich aber auch für den Mieter nicht ideal. Denn der Beweis, dass die Tauglichkeit bei einer geringeren Abweichung gemindert ist, dürfte in der Praxis nur in den wenigsten Fällen erbracht werden können.“

Die Auswirkungen für die Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft „erachten wir als eher gering“, sagte Kaßler. „Denn für die Abrechnung gelten die vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel. Enthält die Teilungserklärung Flächenangaben, die abrechnungsrelevant sind, so sind diese Angaben unabhängig von ihrer rechnerischen Richtigkeit verbindlich.“

Auch Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion sind unzufrieden mit der Arbeit ihres Parteigenossen Maas, aber aus entgegensetzen Gründen. Sie hoffen auf Nachbesserungen des Gesetzes, wenn es um die Wohnflächenberechnung geht. „Aus meiner Sicht fehlt die klare Umsetzung des Koalitionsvertrags bei der tatsächlichen Wohnfläche“, sagte auf Anfrage Dirk Wiese (SPD), Mitglied im Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz. „Entgegen dem Koalitionsvertrag wird die zulässige Abweichung nur bei Mieterhöhungen und bei der Berechnung von Betriebskosten auf null reduziert, nicht aber bei der Miethöhe. Hier müssen wir dringend nachbessern, damit Mieter künftig nicht mehr für Wohnraum zahlen müssen, den es nur auf dem Papier gibt.“

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