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Nachhaltiges Bauen: Zertifikate bringen Licht ins Dunkel

Mit Hilfe von Gütesiegeln sollen Bauherren und Investoren „grüne Gebäude“ besser bewerten können.

Ob Ökohaus oder Green Building: Das Thema Nachhaltigkeit ist in der Immobilienwirtschaft zu einem Schlüsselfaktor geworden. Vor wenigen Jahren nur in Fachkreisen diskutiert, sind heute Kriterien wie geringer Frischwasser- und Energieverbrauch, gesundes Raumklima, ressourcenschonendes Planen oder sparsame Betriebskosten in aller Munde. Schließlich sind Gebäude laut dem Grünbuch Energieeffizienz der Europäischen Kommission für 40 Prozent des Energiebedarfs in Europa zuständig – zehn Prozent mehr als die Transportbranche. Allein durch verbesserte Heiz- und Kühltechniken seien in den nächsten zehn Jahren erhebliche Einsparungen von bis zu 30 Prozent möglich. Das gelte vor allem für Nichtwohngebäude wie Büro- und Verwaltungsgebäude, Schulen und Universitäten oder Veranstaltungs- und Eventflächen.

Das 2005 von der Europäischen Kommission ins Leben gerufene Programm „Green Building“ soll dabei Bauherren und Investoren motivieren, Energieeffizienz und CO2-Einsparungen auf ihre Agenda zu setzen. Per Audit werden in erster Linie Maßnahmen zur energetischen Modernisierung von Bestandsimmobilien festgelegt, die die jeweiligen ökologischen und ökonomischen Einsparpotenziale ausschöpfen. Schließlich handelt es sich beim Thema Energieeffizienz nicht um werbewirksame Schönheitsreparaturen, sondern um Zukunftsinvestitionen, die sich positiv auf die Umwelt und auf das Bankkonto auswirken, wie kürzlich auch eine Studie des Analysehauses Fondsmedia belegte.

Demnach liegen die Kostenersparnisse bei modernen Bürogebäuden, die nach Green-Building-Prinzipien errichtet werden, in puncto Energie, Wasser und Abfallentsorgung bei durchschnittlich 30 bis 33 Prozent gegenüber vergleichbaren Standardbauten. Im Ergebnis bedeute das, dass den erhöhten Initialkosten im Laufe von 20 Jahren zehnmal so hohe Betriebskosteneinsparungen gegenüberstehen. Außerdem erzielen „grüne Gebäude“ eine um zehn Prozent höhere Mietauslastung bei rund 13 Prozent höheren Mieteinnahmen als konventionelle Pendants. Somit ist Nachhaltigkeit auch bei Immobilieninvestments längst kein weicher Faktor mehr, sondern eine kalkulierbare ökonomische Größe.

Damit aber Green Buildings für Investoren erkennbar und vergleichbar werden, benötigen sie eine intelligente Bewertung und Zertifizierung, der ein fundierter Kriterienkatalog zugrunde liegt. Neben den international bekannten Zertifikaten von LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) aus den USA und BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method) aus Großbritannien sind in den letzten Jahren auch der Green Star des Green Building Council of Australia, der Green Mark der in Singapur ansässigen Building and Construction Authority und vor allem das Gütesiegel der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) auf den Markt gekommen.

Je nach Zertifikat werden unterschiedliche Kriterien bewertet und gewichtet. So zielt etwa LEED in erster Linie auf rein ökologische Faktoren ab, während der Green Star auch Management, Arbeitsklima, Energie, Transport, Wasser, Baumaterialien, Standort, Emissionen und Innovation in die Zertifizierung mit einfließen lässt. Besonders differenziert und umfassend geht die DGNB vor und bewertet Bauten nach rund 60 verschiedenen Einzelkriterien, die in sechs Themenfelder unterteilt sind: ökologische, ökonomische, soziokulturelle und funktionale, technische, Prozess- und Standort-Qualität. Je nach Bauwerkstyp und Herkunftsland werden die Kriterien unterschiedlich gewichtet und ermöglichen für jedes Nutzungsprofil eine eigene Bewertungsmatrix.

„Zu kompliziert, zu teuer“, lautet da schon mal die Kritik von Bauherren und Projektentwicklern. Aber andere sind sich vollkommen darüber im Klaren, dass nur eine umfassende Bewertung ein seriöses, international vergleichbares Zertifikat hervorbringt, das Investoren bei der Entscheidungsfindung hilft. So orientiert sich zwar das DGNB-Zertifikat in Bronze an der gängigen Baupraxis eines Landes, dafür entspricht das Gold-Zertifikat einem international einheitlichen Standard, der klima- und marktbereinigt ist. „Diese differenzierte Betrachtungsweise schafft eine hohe Aussagekraft bei Bewertungen der Gebäudeperformance im internationalen Vergleich“, sagt DGNB-Präsidiumsmitglied Peter Mösle.

Neben der Internationalisierung des Gütesiegels hat sich die DGNB auch der inhaltlichen Erweiterung verschrieben. Im Zuge dessen wurden am Dienstag in Stuttgart auf der „Consense“, der internationalen Fachmesse für nachhaltiges Bauen, erstmals modernisierte Bestandsgebäude ausgezeichnet. Darunter im Rahmen eines Pilotverfahrens zur Nachhaltigkeitsbewertung von Altbausanierungen das Voßpalais in Berlin-Mitte. In intensiver Zusammenarbeit waren hier Kriterien und Prozessabläufe entwickelt worden, um die besonderen Gegebenheiten eines Einzeldenkmals mit den Anforderungen an Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen, insbesondere in den Bereichen Nutzerzufriedenheit, Behaglichkeit und Gesundheit. Dass es gelungen ist, ist für Projektentwickler Marc F. Kimmich der Beleg dafür, dass Denkmalpflege und Nachhaltigkeit keine Widersprüche sind.

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