zum Hauptinhalt

Immobilien: Polierte Platte

Alles eine Frage des Konzepts, sagte ein Beratungsunternehmen – und rückte einem Stiefkind der Friedrichstraße zuleibe

Wohnen im Plattenbau. Das klingt nach Tristesse, Hartz IV und Fastfood. Oder? Diskriminierende Klischees und falsch dazu, findet Michael Schmutzer von der Centacon, einem Beratungsunternehmen für die Immobilienbranche. Statt die Architektur-Stiefkinder ultrabillig zu vermieten oder abzureißen, plädiert er dafür, neue Mieter zu locken. Das können junge Kreative sein, moderne Business-Nomaden, die nur für ein Projekt in der Stadt sind, oder sogar Spitzenverdiener. Voraussetzung: Die Objekte befinden sich in zentralen oder halbwegs guten Lagen. „Um attraktive Mieten zu erreichen und den Leerstand wegzubekommen, muss die Platte allerdings mehr als nur oberflächlich aufgehübscht werden. Neue Farbanstriche reichen da nicht“, so Schmutzer. Bei der Centacon wird analytisch vorgegangen, mögliche Zielgruppen werden nach Lebensstil, Lebensphase, bevorzugtem Lebensraum und Freizeitverhalten abgeklopft (siehe vorherige Seite I1). Steht die Analyse, dann geht es der Platte ans Eingemachte. Von der Fassade über die Briefkästen bis zu den Grundrissen wird alles umgekrempelt, was Schmutzers Design- und Marketingexperten für nötig halten. „Zielgruppenorientierte Produktentwicklung“ heißt das Konzept, das aus desolaten Plattenbauten attraktive Markenimmobilien machen soll. Und das fast völlig ohne architektonische Veränderungen.

Schmutzers jüngstes Projekt galt allerdings sogar im eigenen Haus als Experiment. Aus dem Plattenbau Friedrichstraße 56 sollte unter dem Namen „Mondo Plaza“ ein echtes Lifestyle-Objekt werden – für Liebhaber, die willens und in der Lage sind, bis zu 16 Euro kalt für einen Quadratmeter in der Edel-Platte zu zahlen. Preise, die es mit den Neubauten am Potsdamer Platz aufnehmen können. Der Eigentümer des in den Achtzigern erbauten Objektes, die britische I.R.E. Immobiliengesellschaft, kann sich nun über die Ergebnisse der Bemühungen freuen – nur drei der insgesamt 24 Plattenbau-Apartments sind seit Vermarktungsbeginn im Juni leer geblieben. Zwei Wohnungen nutzt das Unternehmen selbst. Und drei der Altmieter wohnen noch in dem Haus, das sie vor Sanierungsbeginn im vergangenen Herbst fast für sich allein hatten: 17 Wohnungen standen damals leer.

Wie so eine Entwicklung funktioniert, lässt sich gut mit einem Vorher-Nachher-Blick auf die Details erklären. Die Fassade vorher: „Typisch Achtziger“ bringt es auf den Punkt. Die DDR lag in den letzten Zügen und versuchte mit einer gelb-orangefarbenen Hülle und türkisblauen Fensterrahmen etwas Pep an den Siebengeschosser zu bringen. Die Fassade heute: Die Centacon entschied sich für schlichte Eleganz in Grau-Anthrazit mit dezent glitzerndem Effektputz. Farblich ein harmonischer Kontrast zu den historischen Sandsteinfassaden der Nachbarschaft.

Das Treppenhaus vorher: grau gesprenkelte Betonstufen, Treppengeländer in Rot-Gelb und Kunststoffhandläufe. Briefkästen unterschiedlicher Bauart, darunter ein offener Plastikmülleimer. Und heute: Die Stufen sind geblieben, wurden aber intensiv gereinigt, Holzfußleisten schaffen eine edle Optik, ebenso Metallic-Effektfarbe an den Wänden und der dunkle Naturstein im Erdgeschoss. Auch der Boden nimmt das Anthrazit der Fassade wieder auf. Es gibt ein neues anthrazit-graues Treppengeländer, beigefarbene Briefkästen und moderne Designlampen.

Den stärksten Vorher-Nachher-Kontrast bieten aber die Wohnungen selbst. Um die „Arbeiterschließfach“-Atmosphäre zu beseitigen, hat die Centacon Zimmer zusammengelegt, Bäder und Küchen umfunktioniert. Aus einer ehemaligen Küche wurde so ein großzügiges Bad mit durchgängiger Fensterfront und Wintergarten, beigefarbenen Natursteinmosaikwänden, modernem rechteckigen Waschtisch und integrierter Beleuchtung am wandfüllenden Spiegel. Das einstige fensterlose Mini-Bad ist heute Hauswirtschafts- und Abstellraum. Aus vier Zimmern wurden zwei: ein großzügiger Wohnraum mit Wintergarten und offener Markenküche, ebenfalls in Beige und Grau sowie ein Schlafzimmer zum ruhigen Innenhof. 65 bis 90 Quadratmeter haben die Zwei- und Dreizimmerdomizile jetzt. Dazu kommen etliche Details, die die Wohnungen zielgruppengerecht aufpeppen: In den Zimmern liegt gekalktes Eichenparkett, es gibt in Decken integrierte Strahler und Design-Leuchten, Fensterbretter aus Multiplex. Ein psychologischer Trick lässt die Wohnungen noch großzügiger wirken: „Die alten Eingangstüren haben wir gegen 2,40 Meter hohe Eichenholztüren ausgetauscht und auch die Zimmertüren sind so hoch“, erklärt der verantwortliche Architekt Holger Sack vom Büro B 19.

Was das alles kostet, will Schmutzer nicht verraten; nur so viel, dass es sich für den Eigentümer rechnet; mit um 60 Prozent höheren Einnahmen, die die Mieter, darunter Botschaftsmitarbeiter, Jung-Unternehmer, Künstler und Manager ihm bescheren.

Wenn sein Konzept grundsätzlich aufginge, hätte Schmutzer noch einiges zu tun. Plattenbauten in zentraler Lage gibt es besonders um den Alexanderplatz noch etliche. Reinhard Aehnelt vom Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik dämpft aber die Euphorie: „Solche hohen Preise erzielt man nur in Top-Lagen.“ Und da ist in Richtung Osten wohl an der Leipziger Straße Schluss, glaubt der Experte. „Aber wenn man dort den Geschmack der Besserverdiener trifft, ist auch schnuppe, dass das mal Platte war.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false