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Immobilien: Schon was wert, so ein Gutachten

Ist der Kaufpreis reell? Verlangen wir zu viel? Bei diesen Fragen hilft oft der Verkehrswert weiter – aber der ist nicht leicht zu ermitteln

Auf ihre Designerküche mit dem frei stehenden Herd und den Marmorplatten war Angelika M. besonders stolz. Über 60 000 Euro hatten sie und ihr Mann für die Küche bezahlt. Als das Ehepaar sich trennte und seine Eigentumswohnung in Kreuzberg verkaufen wollte, hoffte Angelika M. deshalb auf einen hohen Preis. Doch der Gutachter, der den Verkehrswert der Wohnung ermitteln sollte, winkte ab: „Er sagte, die Küche mindere möglicherweise sogar den Wert der Wohnung, weil potenzielle Käufer einen anderen Geschmack hätten“, erinnert sich Angelika M.

Andreas Habath, stellvertretender Koordinator des Wertermittlungsausschusses beim Immobilienverband Deutschland (IVD), erklärt, warum die Küche bei der Ermittlung des Verkehrswertes weitgehend außer Betracht blieb: Beim Verkehrswert handele sich um den Marktwert der Wohnung, also um den „wahrscheinlichsten Kaufpreis beim nächstmöglichen Verkauf“. Der persönliche Wert für den Verkäufer kann zwar höher liegen – die Differenz ist aber ein „Liebhaberteil“, den man beim Wiederverkauf, wie im Fall von Angelika M., oftmals nicht zurückerhält. Grundsätzlich gilt, dass der Wert der Einrichtung in einem angemessenen Verhältnis zum Gesamtpreis stehen sollte. Dabei wird in teuren Gegenden wie im Grunewald eine hochwertigere Ausstattung erwartet . „Für eine Einbauküche zum Beispiel werden ein bis drei Prozent angesetzt“, so Habath.

Wozu aber benötigt man überhaupt Wertgutachten? Bei Angelika M. war die Scheidung der Grund: Sie war bereits ausgezogen und verlangte die Hälfte des Wertes der Eigentumswohnung von ihrem früheren Ehemann. Dieser sollte die Wohnung dann später verkaufen. Außerdem ist in Erbfällen oder bei Schenkungen die Kenntnis des Verkehrswertes meist notwendig; bei Enteignungen richtet sich die Entschädigung nach diesem Wert.

Andreas Habath und Manfred Stelter, Koordinator des Wertermittlungsausschusses, halten Gutachten generell bei Verkäufen für sinnvoll: „Gerade Käufer, die zum ersten Mal eine Immobilie erwerben, minimieren das Risiko, wenn sie den Verkehrswert kennen“, sagt Habath. Schließlich solle das Haus oder die Wohnung nicht nur Liebhaberei, sondern auch eine nachhaltige Wertanlage sein. Ein Gutachten schaffe Transparenz, weil es wichtige Daten wie Leitungs- und Wegerechte aufführe. Diese müsste sich der Käufer sonst selbst mühsam beschaffen.

Für den Wert der Immobilie sind vor allem vier Kriterien maßgeblich: Lage, Ausstattung, Baujahr und Beschaffenheit. Abhängig von der Lage ergibt sich nämlich aus den sogenannten Bodenrichtwerten der Preis des Grundstücks. Bei der Beschaffenheit des Gebäudes spielen unter anderem der Grundriss, die Ausrichtung des Hauses oder eventuell vorhandene Balkone und Terrassen eine Rolle. Mit welcher Methode (Vergleichs-, Sach- oder Ertragswertverfahren) der Sachverständige den Verkehrswert ermittelt, hängt davon ab, ob es sich um ein selbst genutztes oder um ein Renditeobjekt handelt. „Beim Vergleichswertverfahren werden erzielte Kaufpreise verglichen. Das Sachwertverfahren geht von den Baukosten und der Abschreibung aus, beim Ertragswertverfahren handelt es sich um eine Rentenrechnung“, sagt Dietrich Ribbert, Vorsitzender des Berliner Gutachterausschusses. Liegt das Ergebnis vor, wird es dann noch an die aktuelle Marktsituation angepasst. Dabei handele es sich immer um eine Schätzung, betont Stelter. Drei Gutachter können also durchaus drei Meinungen haben – nur mehr als 15 Prozent sollten die Werte nicht differieren.

Statt des Verkehrswertes können auch Begriffe wie Beleihungswert, Bedarfswert und Einheitswert eine Rolle spielen: Der Beleihungswert einer Immobilie wird von Banken ermittelt und liegt meist um rund ein Fünftel unter dem Verkehrswert. „Manche Kunden erschrecken, wenn sie den Betrag sehen“, sagt Habath. Der niedrige Beleihungswert gebe aber nicht den tatsächlichen Wert der Immobilie wieder, sondern sei als Absicherung des Kreditinstituts zu verstehen. Ein völlig theoretischer Wert, der nichts mit dem Marktwert zu tun hat, ist der sogenannte Einheitswert. Er wird vom Finanzamt festgelegt und dient zur Ermittlung der Grundsteuer. Der Bedarfswert dient bei Erbfällen und Schenkungen ebenfalls steuerlichen Zwecken. Wichtig wird der Verkehrswert wieder bei Versteigerungen: Denn das Mindestgebot betrage im ersten Versteigerungstermin 70 Prozent dieses Wertes, sagt Ribbert. Erst wenn die Immobilie zu diesem Preis nicht unter den Hammer komme, erhalte im zweiten Durchgang das höchste Gebot den Zuschlag – egal wie niedrig es sei.

Wer den Verkehrswert eines Einfamilienhauses ermitteln lässt, muss dafür mindestens 1 000 Euro ausgeben, aber Honorar-Sondervereinbarungen sind möglich. Angebote im Netz, die mit „Wertermittlungen für 19 Euro in 20 Minuten“ werben, finden Stelter und Habath unseriös, ja wettbewerbswidrig. „Weil es sich auf die tatsächlich gezahlten Kaufpreise bezieht, ist die Wertermittlung ein sehr aufwendiges Verfahren, das den Wenigsten wirklich gelingt“, sagt Ribbert. Statt auf ein Gutachten greifen viele Eigentümer lieber auf Preisspiegel und Marktberichte zurück (siehe Kasten). Außerdem: Verbindlich ist der berechnete Verkehrswert beim Verkauf natürlich nicht – mit einer Ausnahme: „In festgelegten Sanierungsgebieten darf der Kaufpreis den Verkehrswert nicht übersteigen“, so Ribbert.

Jutta Burmeister

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