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Zwischenkriegsarchitektur. Das 9357 Quadratmeter große, kreuzförmig geschnittene Grundstück Sophie-Charlotten-Straße 113 ist mit vier Häusern bebaut, die unter Denkmalschutz stehen.

© Promo (netzwerk-generationen.de)

Sophie-Charlotten-Straße 113: Wo Kommanditisten das Kommando haben

In der Nähe des Schlossparks Charlottenburg nähert sich in einem ehemaligen Obdachlosenasyl ein ungewöhnliches Bauvorhaben der Fertigstellung.

Es ist eine dieser Gegenden, wie sie typisch sind für Berlin: zentral gelegen, gut erschlossen und doch gezeichnet von den Wirren der Geschichte. Während auf einem Abschnitt der Sophie-Charlotten-Straße der ehemalige Güterbahnhof Charlottenburg mit Autohäusern, einem italienischen Supermarkt und einem großen Fliesenmarkt liegt, befinden sich auf der anderen Seite unscheinbare Wohnhäuser. Und auf dem Areal nördlich der Mollwitzstraße haben vor kurzem die Bauarbeiten am ehemaligen Bürgerhaus-Hospital begonnen. Dort sollen in den kommenden Jahren mehrere hundert Eigentumswohnungen entstehen.

Nur einen Steinwurf davon entfernt, in der Sophie-Charlotten-Straße 113, sind die Bauarbeiten hingegen schon bald beendet. Wie beim ehemaligen Bürgerhaus handelt es sich auch in diesem Fall um ein denkmalgeschütztes Ensemble – doch ansonsten unterscheidet sich das Projekt erheblich vom benachbarten 200-Millionen-Euro-Vorhaben: Es fällt mit einem Investitionsvolumen von knapp 13 Millionen Euro deutlich kleiner aus, und es wird nicht von einer renditegetriebenen Immobiliengesellschaft getragen, sondern von engagierten Bürgern.

Initiiert wurde das Vorhaben vom in Kreuzberg ansässigen Architekten Stefan Klinkenberg. 2009 erwarb er das gut 9000 Quadratmeter große Areal vom Liegenschaftsfonds Berlin und nutzte dabei die Gunst der Stunde: Nach dem Crash von Lehman Brothers im Herbst 2008 lag der Immobilienmarkt am Boden, und kaum ein gewinnorientierter Projektentwickler wagte es, neue Vorhaben in Angriff zu nehmen. Käme die nicht weit vom Schloss Charlottenburg entfernte Liegenschaft heute auf den boomenden Berliner Wohnungsmarkt, so würden sich finanzkräftige Interessenten ohne Zweifel mit ihren Geboten gegenseitig übertrumpfen.

Wohnen mit Service

Umso mehr gilt dies, als die vier Gebäude unter Denkmalschutz stehen – und das ist für Investoren besonders attraktiv, weil die Sanierung von denkmalgeschützten Immobilien dank Denkmal-Afa beträchtliche Steuervorteile bietet. Zwei der Gebäude, das an der Straße liegende Haus 1 und das im rückwärtigen Teil gelegene Haus 4, wurden 1908 vom damaligen Charlottenburger Stadtbaurat Hans Winterstein als Obdachlosenasyl für die damals noch selbstständige Stadt Charlottenburg errichtet.

1930 kamen ein Erweiterungs- und ein Neubau im Stil der neuen Sachlichkeit hinzu. „Es ist ein bemerkenswertes Stück Zwischenkriegsarchitektur mit schönen Backsteinreliefs“, sagt Architekt Klinkenberg mit Blick auf Haus 2. Dort spielen jetzt Kinder – der deutsch-spanische Kindergarten Girasoles mit momentan 130 Betreuungsplätzen hat sich hier eingemietet. Ein weiterer Gewerbemieter ist die Armenische Gemeinde zu Berlin, die den Saal von Haus 4 nutzt.

Ansonsten wird auf dem Areal vor allem gewohnt: 45 seniorengerechte Wohnungen sind im Zuge der Sanierung entstanden, die von der gemeinnützigen Gesellschaft Pro Curand unter dem Motto „Wohnen mit Service“ betrieben werden. Wohnungen auch für Familien und jüngere Menschen gibt es im an der Straße gelegenen Haus 1, wo momentan die Handwerker mit den letzten Arbeiten beschäftigt sind. Bis zu 180 Quadratmeter groß sind die 15 Einheiten, die so gar nicht mehr an die ursprüngliche Nutzung als Obdachlosenasyl erinnern.

Bis zu 180 Quadratmeter groß sind die frisch sanierten Wohnungen.

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Das zeigt ein Blick in eine großzügige Wohnung. Noch stehen Umzugskisten herum – die vierköpfige Familie (Kameramann, ehemalige Musicaldarstellerin, zwei kleine Kinder) ist gerade erst eingezogen. „Wir wohnten vorher ganz in der Nähe, am Klausener Platz“, erzählt der Familienvater. Längere Zeit hätten sie eine Eigentumswohnung im Kiez gesucht, aber keine bezahlbare gefunden. Durch Zufall wurden sie auf das Projekt aufmerksam – und genießen jetzt den unverbaubaren Blick nach Westen.

Die Mieter beteiligen sich an der Finanzierung

Eigentümer allerdings sind sie nicht geworden: Die Wohnungen werden nämlich nicht verkauft, sondern vermietet. Denn Initiator Klinkenberg entwickelte für sein Vorhaben ein ungewöhnliches Modell: Die Bauherrengesellschaft ist als GmbH & Co. KG organisiert, wie es sonst bei geschlossenen Immobilienfonds der Fall ist. Etwa 30 Prozent des Investitionsvolumens von 12,3 Millionen Euro kamen durch Eigenkapital der Beteiligten zusammen; die 70 Prozent Fremdkapital stellten die Umweltbank sowie die KfW-Bank zur Verfügung. Die Teilhaber – die sogenannten Kommanditisten – mussten jeweils mindestens 52 000 Euro Eigenkapital einbringen. Dafür erhalten sie anfänglich eine Verzinsung von 3,5 Prozent, die in den kommenden zehn Jahren – vorausgesetzt, alles entwickelt sich wie geplant – auf sieben Prozent ansteigen wird.

Dennoch soll dieses Konstrukt laut Klinkenberg nicht Renditejäger ansprechen, sondern Investoren, „die eine sinnvolle Geldanlage suchen“. Auch die meisten Mieter beteiligen sich an der Finanzierung: entweder als Kommanditist (wozu sich allerdings nur ein einziger Mieter entschied) oder aber durch Eigenleistungen oder einen Baukostenzuschuss. Wohnungsmieter, die einen solchen Baukostenzuschuss, in der Regel 20 000 Euro oder mehr, leisten, kommen dafür – quasi als Verzinsung – in den Genuss einer vergünstigten Miete. Zudem wissen sie von vornherein, wie sich ihre Wohnkosten entwickeln werden: Die Miete – derzeit ohne Vergünstigung zwischen 8,50 und 12,50 Euro pro Quadratmeter – steigt jährlich um 0,15 Euro pro Quadratmeter. Den Baukostenzuschuss gibt es beim Auszug zurück.

Warum aber entschied sich Klinkenberg nicht für eine Genossenschaft? Schließlich hat er auch mit diesem Modell Erfahrungen gemacht, zum Beispiel bei der ehemaligen Brauerei in der Saarbrücker Straße in Prenzlauer Berg, die vor Jahren von einer Genossenschaft übernommen und seither als Gewerbehof betrieben wird. Bei der Genossenschaftslösung sei aber eine gemischte Nutzung aus Gewerbe und Wohnen steuerlich komplex, erläutert Klinkenberg. „Und außerdem kann man bei einer Genossenschaft die Denkmal-Afa nicht nutzen.“

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