zum Hauptinhalt

Strohballenhäuser: In Strohhalme ziehen

Erst seit zwei Jahren hat das ökologische Baumaterial in Deutschland eine Zulassung. Dabei kann es mehr als man denken sollte.

Die alte Erzählung vom bösen Wolf und den drei kleinen Schweinchen macht eher wenig Lust auf ein Strohhaus: Denn der Wolf pustet es am Ende einfach weg. Allerdings ist das wirklich nur ein Märchen. In der Realität erweisen sich Strohballenhäuser nämlich als erstaunlich stark: Denn mit Strohballen, wie sie sonst in Pferdeställen als Einstreu für Boxen dienen, lassen sich sehr gut wärmegedämmte Häuser bauen. „Sogar Außenwände mit Passivhausstandard sind bei solchen mit Strohballen gedämmten Häusern möglich“, sagt der Architekturprofessor Gernot Minke aus Kassel, der als Spezialist für das Thema gilt.

Allerdings fristen Strohballenhäuser in Deutschland – trotz günstiger Ökobilanz und bauaufsichtlicher Zulassung des Baustoffes Anfang 2006 – immer noch ein Nischendasein. Nach Angaben des Fachverbands Strohballenbau Deutschland in Lüneburg gibt es bundesweit nur rund 100 sogenannte Strohballenhäuser. In Nordamerika haben Häuser aus Stroh dagegen eine längere Tradition. Ende des 19. Jahrhunderts wurden dort von Siedlern in holzarmen Gegenden und im Süden der USA Strohballenhäuser errichtet. „Bei den historischen Vorbildern dienten die Strohballen nicht nur als Dämmmaterial, sondern sie trugen auch die Last etwa des Daches“, beschreibt der Bauingenieur Burkard Rüger aus Berlin, der sich auf Lehm- und Strohballenbau spezialisiert hat. Diese Konstruktionsweise wird lasttragende Bauweise oder Nebraska-Stil genannt.

In Deutschland kam das Bauen mit Strohballen erst in den 1980er Jahren auf. „Anders als bei den historischen Vorbildern übernehmen die Strohballen in Deutschland in der Regel keine lasttragenden Funktionen, sondern das Stroh dient als Wand bildender Dämmstoff“, erläutert Dirk Scharmer, Architekt aus Lüneburg, der sich auf den Bau mit dem nachwachsenden Material spezialisiert hat. Für ein Strohballenhaus wird in Deutschland zunächst ein Holzständerwerk errichtet. In die Zwischenräume werden dann Kleinstrohballen gestapelt. Die sehen ähnlich aus wie diejenigen, die man vom Bauernhof kennt, allerdings sind sie mit mehr Druck als in der Landwirtschaft üblich zusammengepresst. Auf der Innenseite wird dann Lehmputz in mehreren Schichten aufgetragen. Für außen eignen sich zum Beispiel Kalkputz und Verschalungen, um die Wände vor Regen zu schützen.

Die Konstruktion ist dabei durchaus für höhere Lasten geeignet: „Mit Holzständerkonstruktionen können auch mehrgeschossige Wohnhäuser errichtet werden“, sagt Scharmer, der dem Fachverband Strohballenbau Deutschland vorsteht. Ein Beispiel ist „Strohpolis“, ein dreigeschossiges Wohnhaus in der Modellsiedlung „Ökodorf Sieben Linden“ in der Altmark in Sachsen-Anhalt.

Trotzdem hat der Strohballenbau mit vielen Vorbehalten zu kämpfen: „Die Skepsis, die Stroh als Baustoff landläufig entgegengebracht wird, beruht auf Vorurteilen wie leichte Brennbarkeit oder Anfälligkeit gegenüber Feuchte und Ungeziefer“, berichtet Scharmer. Die Ängste vor Insekten und Mäusen seien aber unbegründet, wenn die Strohballen gut gepresst und ordentlich verkleidet wurden. Und auch die Brandgefahr ist zwar gedanklich naheliegend, in der Realität aber nicht vorhanden. Denn zwar brennt loses Stroh gut, aber bei Ballen ist das anders. „Da diese gepresst sind, wird den Halmen die notwendige Sauerstoffzufuhr weitgehend abgeschnitten“, erklärt Rüger. Er vergleicht mit losem Papier, das leicht brennt, und Telefonbüchern, die sich kaum entzünden lassen.

Um Feuchtigkeit und Schimmelpilz vorzubeugen, ist es wichtig, dass die Ballen trocken sind und im Trockenen gebaut wird. Daher kommt das Dach meist vor dem Ausfachen des Holzständerwerkes auf die Konstruktion. Dabei ist Schimmelbefall durchaus eine Bedrohung. Durch bestimmte Planungsmaßnahmen lässt sich dies aber verhindern. So darf der Taupunkt der Wand – also der kälteste Punkt der Wand, an dem sich Kondenswasser bilden kann – nicht konstruktionsbedingt in der Strohdämmung liegen. Außerdem sollte die Konstruktion mit Dampfsperren gegen das Eindringen von Feuchte in die Wandkonstruktion gesichert werden.

Ob die Baugenehmigung erteilt wird, entscheidet im Einzelfall die zuständige Behörde. „Größere Probleme dürfte es aber zumindest dann nicht geben, wenn man Strohballen lediglich als Dämmstoff verwendet“, sagt Rüger. Obwohl Stroh als Baustoff sehr günstig ist, muss unter dem Strich mit ähnlichen Baukosten wie für ein konventionelles Haus gerechnet werden. Denn Bauen mit Strohballen erfordert viel Handarbeit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false