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Immobilien: Symbolträchtige rote Äpfel

Sie sind die Vorläufer der Christbaumkugeln und wurden gern zu Orakelzwecken benutzt

Äpfel zählen seit Menschengedenken zu den schönsten Gaben der Natur – und zu den symbolträchtigsten. In vielen euroaisatischen Kulturen Sinnbild der Liebe, der Fruchtbarkeit und des Lebens, kommt der Apfel in unzähligen Mythen, Sagen und Märchen vor. Er war Attribut von Liebes- und Fruchtbarkeitsgöttinnen, und schon das Zuwerfen eines Apfels galt seit der Antike als ein Liebeszeichen. Wohl um keine andere Frucht ranken sich auch bei uns so viele alte Bräuche wie um den Apfel, besonders in der Advents- und Weihnachtszeit.

Als uraltes Fruchtbarkeits-, Liebes und Glückssymbol hat man den roten Apfel in diesen Tagen gerne zu Orakelzwecken benutzt. Weit verbreitet war im deutschsprachigen Raum ein Liebesorakel, das am Andreastag (30. November), praktiziert wurde. Dabei musste ein unverheiratetes Mädchen einen Apfel so schälen, dass die Schale nicht abriss und eine lange Spirale bildete. Über die linke Schulter geworfen, ergab sich daraus nach dem Volksglauben eine Figur, aus der sich der Anfangsbuchstabe des zukünftigen Bräutigams herauslesen ließ. In Schwaben mussten derart wissbegierige Mädchen nach alter Überlieferung am Andreastag von einer Witwe einen Apfel erbetteln, um Mitternacht die eine Hälfte verspeisen und die andere unter ihr Kopfkissen legen. Dann, so der Volksglaube, würde ihnen ihr zukünftiger Gatte nachts im Traum erscheinen. Von Äpfeln, die man in den zwölf heiligen Nächten zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar fand, hieß es, dass sie sich in Goldstücke verwandeln würden, sofern man niemandem davon erzählte. In vielen Gegenden war es üblich, am Heiligen Abend einen Apfel zu essen. Er sollte im kommenden Jahr vor Unglück und Krankheiten schützen. Heiratswillige Mädchen verbanden dies mit einem Liebesorakel: Nach altem Aberglauben brauchten sie sich nur am Weihnachtstag vor die Hoftür zu setzen und einen Apfel zu verzehren. Dann, so sagte man ihnen, konnten sie davon ausgehen, dass der erste Mann, der ihnen begegnete, ihr „Zukünftiger“ sein würde. Umgekehrt machten auch junge Männer von diesem beliebten Orakel gerne Gebrauch.

Seit Adam und Eva in die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis gebissen hatten, ist der Apfel eng mit den Themen Gut und Böse verknüpft. Nicht von ungefähr gilt der 24. Dezember als Namenstag von Adam und Eva, dem ersten Menschenpaar, durch das nach der Bibel die Sünde in die Welt kam. Zu den im Mittelalter am Heiligen Abend in den Gotteshäusern üblichen Krippenspielen gehörten auch die zuvor im Freien vor dem Kirchenportal aufgeführten Stücke, in denen die Vertreibung aus dem Paradies dargestellt wurde. Dabei spielte ein mit Äpfeln behangener „Paradiesbaum“ eine zentrale Rolle. Ältere Vorläufer unseres heutigen Weihnachtsbaumes dürften die früher allgemein üblichen „Wintermaien“ gewesen sein, immergrüne Zweige, die man zum Jahresbeginn im Haus aufhängte, um sich Gesundheit, Fruchtbarkeit und Schutz zu sichern. Sie waren häufig – ebenso wie die erstmals um 1600 im Elsass nachweisbaren Weihnachtsbäume im heutigen Sinne – mit Äpfeln, Nüssen, Lebkuchen und anderen Gaben für die Kinder geschmückt. Erst am Dreikönigstag (6. Januar) durften die verführerischen Bäume dann „geschüttelt“, also geplündert werden. Bis heute ist es ja Brauch, den geschmückten Weihnachtsbaum bis zu diesem Termin, der bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts als Geburtstag Jesu gefeiert wurde, stehen zu lassen. Der grüne Baum und die roten Äpfel, die häufig auch mit gold- oder silberfarbenem Papier umhüllt wurden, sollten aus christlicher Sicht an das Paradies erinnern und an die Erlösung der Menschheit durch das vergossene Blut des Gottessohnes, dessen Geburt zu Weihnachten gefeiert wird. Sie sind daher Symbole der Hoffnung.

Goethe, der den Brauch um den Weihnachtsbaum in Straßburg kennen gelernt hatte, erwähnt ihn 1774 im „Werther“. In Berlin tauchte der erste geschmückte Baum zum Christfest um 1780 auf. Dennoch wird der Weihnachtsbaum erst Anfang des 19. Jahrhunderts in Deutschland allgemein üblich und breitet sich allmählich auch auf die Nachbarländer und nach Übersee aus. Weil die symbolträchtigen „Paradiesäpfel“ am Weihnachtsbaum früher häufig ein Luxus waren, den sich arme Familien nicht leisten konnten, wurde manchmal improvisiert. Unter dem Preußenkönig Friedrich dem Großen sollen Mitte des 18. Jahrhunderts manche Eltern mit „vergoldeten Erdäpfeln“, also eingewickelten Kartoffeln die Tannenbäume für ihre Kinder geschmückt haben. Thüringer Glasbläser erfanden schließlich 1820 die damals offenbar kostengünstigere Alternative: die Weihnachtskugel aus Glas. Inzwischen haben die gläsernen Christbaumkugeln – seit 1870 auch innen versilbert – und solche aus Metall oder Kunststoff in immer modischeren Farben und abgewandelten Formen weltweit ihre Anhänger gefunden. Die heute ausschließlich dekorative Funktion als Baumschmuck hat allerdings das Wissen um die alte Symbolik der weihnachtlichen Paradiesäpfel von einst weitgehend in Vergessenheit geraten lassen.

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