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Immobilien: Täuschend ähnlich

Einige neu entwickelte Baustoffe imitieren Originalmaterialien und sind von diesen nur schwer zu unterscheiden. Doch es sind eigenständige Produkte mit erweiterten Anwendungsmöglichkeiten

Plagiate faszinieren den Menschen seit jeher. Trotz Verbots sorgen heute weltweit nachgemachte Luxusmarkenprodukte wie Taschen, Uhren und Schmuck für hohe Umsätze. Auch in der Baugeschichte war stets das Vorgaukeln von edlen Materialien von großer Bedeutung.

Während der regen mittelalterlichen Bautätigkeit dienten beispielsweise im Kölner Raum rund geformte Kalkablagerungen in den Wasserleitungen aus römischer Zeit – so genannte Kalksinter – zur Imitation von Marmorsäulen. Aus Kostengründen malten Baumeister häufig auch nur die Maserung des Natursteins auf die Säulen. Wer beim nächsten Kirchgang seine Hand auf eine vermeintliche Marmor-Säule legt, kann leicht erkennen, ob es tatsächlich um das kostbare Naturmaterial handel: Die Oberfläche muss sich kalt anfühlen.

Doch die Unterscheidung zwischen einem Naturprodukt und der Imitation wird immer schwerer. Beispielsweise bei „Ledano“. Es riecht und fühlt sich an wie echtes Leder. Das Material von der Rolle kleidet Schreibtischoberflächen, großformatige Objekttische, Wände, Einbauschränke, Schiebetüren und Stühle. Doch „Ledano ist kein Kunstleder“, betont Produkt-Designerin Claudia Lüttgens, sondern besteht aus Naturkautschuk. Es lässt sich dreidimensional verformen und zeichnet sich im Gegensatz zu Leder durch seine Homogenität aus. Außerdem „gibt es keine Schwankungen in der Form, Farbe, Qualität und Eigenschaft“, sagt die Designerin. So könne „Ledano“ schnell und rationell zugeschnitten und ohne unbrauchbare Reststücke verarbeitet werden. Es eigne sich vorzüglich für große Flächen. Das Material, das speziell für Möbel und Innendekorationen entwickelt wurde, lasse sich in fast jeder gewünschten Farbe, Struktur, Glanzstufe und Dicke herstellen, erklärt Lüttgens. Es ist extrem UV-beständig, kann mit hohen Abriebwerten aufwarten und ist in den Materialstärken 0,6 und 1,8 Millimeter, als Platten- oder Rollenware in 1,50 Meter Breite erhältlich.

Im Sommer vor vier Jahren begann für Lüttgens alles mit der Idee, Kartonmöbel zu entwickeln. Es sollten Produkte sein, die elegant, modern und zugleich praktisch sind. Als ansprechendes und strapazierfähiges Oberflächenmaterial hatte die Diplom-Designerin „Ledano“ entwickelt. Ein Jahr später präsentierte sie ihre damit bezogenen Kartonmöbel auf der Kölner Messe Orgatec. Dabei stieß sie auf so großes Interesse bei den Möbelherstellern, dass sich das Material zu einem eigenen Geschäftsbereich entwickelte. Kurz darauf erhielt sie den Existenzgründerpreis 2003 der Stadt Krefeld.

Nicht nur Wände und Möbeloberflächen kann der Bewohner künstlich veredeln. Vor einigen Jahren machte sich die Keramikindustrie an die Nachahmung von Holzstrukturen für Bodenfliesen. Zu Beginn schufen einige Hersteller sehr eigenwillige Produkte, deren keramische Herkunft unübersehbar war. Mit fortschreitender Technologieentwicklung gelang es ihnen aber, „keramisches Parkett“ herzustellen. Der Produktbereich reicht von der rustikalen Diele bis hin zum minimalistischen asiatischen Edelholz. Die Nachahmung geht dabei bis ins Detail: Eingepresste Strukturen imitieren die jeweils typische Maserung der Holzarten. Sogar die Anmutung von ausgetretenen Holzbohlen im „Used-Look“ stellen für die Hersteller heute keine Probleme mehr dar. Und aufgebrannte Holzwurmlöcher lassen die Fliesen täuschend echt wirken.

„Naturmaterialien sind das Vorbild. Wir ergänzen sie mit den Vorteilen eines Industrieprodukts“, erklärt Heike Kappelt. Die Vorteile liegen für die Pressesprecherin vom Deutschen Industrieverband Keramische Fliesen + Platten e.V. auf der Hand: höhere Verschleißfestigkeit, Unempfindlichkeit gegenüber Feuchtigkeit, Strapazierfähigkeit und leichte Pflege. Naturholz hat zwar gute Dämmeigenschaften, Fliesen dagegen leiten Wärme sehr gut und eignen sich daher besonders in Verbindung mit einer Fußbodenheizung. Selbst die erhältlichen Fliesen-Formate passen sich dem Charakter des Parketts an: „Bohlen“ bis zu 110 Zentimetern Länge lassen die Produzenten an die Grenzen des technisch machbaren gehen.

„Im Bereich der Feuchträume wird dem Einsatz keramischer Produkte mit Holzoptik immer häufiger der Vorzug gegeben", berichtet Edeltraud Lüderitz. Sie ist Geschäftsführerin des Landesinnungsverbandes Fliesen-, Platten- und Mosaikleger Brandenburg. Mittlerweile sind auch passende Wandmosaiken und Bordüren als Holzimitation erhältlich. Der steigende Absatz hat die Branche neben Stoff- und Lederoptik auch ermuntert, die Anmutungen von Eisen und Glas auf Keramikfliesen abzubilden.

Die Nachahmung muss also nicht nur auf die Imitation von Naturprodukten beschränkt sein. Vor ein paar Jahren wollte ein Architekt ein Düsseldorfer Ladenlokal im modernen Industrie-Design gestalten. Beton wäre das Material seiner Wahl gewesen. Da die Statik des Gebäudes keinen Einbau einer Betonwand erlaubt hätte, musste er eine leichtere Variante finden. Er sprach seinen Freund Peter Schubert an. Der gelernte Schreiner tüftelte ein halbes Jahr und entwickelte „Imi-beton“. Einziger aber gewichtiger Unterschied gegenüber Beton: Die dünnen 2,60 Meter langen und 1,01 Meter breiten Trägerplatten können einfach auf Wände, an Säulen oder an Möbel angeschraubt oder angeklebt werden. Ohne Armierungseisen, Schalung und langes Aushärten verkleidet Schubert Säulen, Theken, Möbel und Wände einfach mit „Imi-beton“. Die Oberfläche ist unempfindlich und härter als Holz, lässt sich aber trotzdem formen und biegen. Möglich macht das eine flexible mineralhaltige Spachtelmasse mit natürlichem Marmorsand. Diese wird wenige Millimeter dick auf eine MDF-Platte gepresst. Die MDF-Platte ist mit einem weißen Melamin versehen. Das Ergebnis der Bearbeitung sieht aus wie Beton und erhält je nach Wunsch dessen robuste Struktur: glatt mit Lufteinschlüssen, rau mit Abdrücken der Brettschalung oder als rostiger „Industrial-Look“.

Für hoch beanspruchte Flächen, wie beispielsweise Bodenplatten, Küchenarbeitsplatten im Feucht- beziehungsweise Nassbereich, bietet Schubert eine Birke-Multiplexplatte mit einer wasserfesten und stoßfesten Beschichtung an. Die Oberfläche ist zusätzlich mit einem matten Epoxidharz versehen. Dadurch ist eine hohe Abriebfestigkeit gewährleistet. „Meine Erfindung ist aber keine billige Kopie“, betont Peter Schubert und ließ sich sein Produkt sogleich patentieren .

Neben der täuschend ähnlichen Optik besticht „Imi-beton“ durch seine selbst für Heimwerker einfache Handhabung: „Herkömmliche Tischlerwerkzeuge und Maschinen reichen völlig“, berichtet Schubert. Die Platten sind in verschiedenen Größen und in vielen Farben erhältlich, auch Farblackierungen sind möglich. Besonders praktisch ist, dass der Bastler die Flächen und Kanten bei Beschädigung jederzeit selbst reparieren und ausbessern kann. Offene Stellen oder kleine Fugen kann er einfach nachspachteln. Schubert hat sein Angebot schon erweitert: Jetzt bietet er auch Schieferoptik und künstlichen Klinker an. Mit Imi-Monyt – auf eine Trägerplatte hauchdünn aufgeklebtem Sandstein – nähert er sich wieder der Natur an.

Materialien wecken durch ihre Optik und Haptik Assoziationen und Erinnerungen, sie haben eine „Materialgeschichte“. „Diese ,gefaketen‘ Oberflächen können aber nicht das Originalmaterial ersetzen“, ist die Kölner Innenarchitektin und Materialexpertin Birgit Hansen überzeugt. „Sie haben einfach andere technische und sinnliche Eigenschaften und sollten daher als eigenständige Materialien gesehen und eingesetzt werden.“

Weiteres im Internet:

www.ledano.de

www.imi-beton.de

www.imi-monyt.de

www.fliesenverband.de

Insa Lüdtke

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