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Winterpflichten: Der Schnee von morgen sollte nicht von gestern sein

Das neue Berliner Straßenreinigungsgesetz sieht auch Hausbesitzer in der Pflicht. Wer fegt und streut, ist auf der sicheren Seite, für Räum- und Streumuffel kann der Winter teuer werden. Auch Mieter können auf ungeräumten und ungesandeten Wegen kräftig zur Kasse gebeten werden, wenn sie nach vorheriger Absprache Verkehrssicherheitspflichten übernommen haben.

Hausbesitzer Roland D. ist eigentlich guter Dinge – das neue Berliner Straßenreinigungsgesetz sollte ihn nicht aus der Ruhe bringen können. Schließlich hat er die Räum- und Streupflicht für sein Spandauer Mehrfamilienhaus im Mietvertrag den beiden Mietparteien im Erdgeschoss links und rechts übertragen – sie müssen ran, wenn es schneit und friert. Solche Regelungen sind gar nicht selten; in anderen Mietshäusern geht die Räumpflicht reihum.

Aber Roland D. ist nicht wirklich aus dem Schneider: Er muss überwachen, dass seine Mieter die Verkehrssicherungspflicht für das Grundstück auch tatsächlich ernst nehmen.

So ernst, wie es die Senatsverwaltung erstmals für den Winter 2010/2011vorschreibt: Schneefall ist in „angemessenen Zeitabständen“ zu beseitigen – Eis muss mit abstumpfenden Mitteln wie Rollsplit bekämpft werden; Eisbildungen, denen nicht ausreichend durch Streuen entgegengewirkt werden kann, sind zu beseitigen – die BSR ist zusätzlich für die Beräumung von Haltestellen von Bussen und Bahnen sowie bestimmten öffentlichen Plätzen verantwortlich. Und: Hausbesitzer können ihre Verantwortung für den Winterdienst nicht mehr an Firmen abtreten. 1,50 Meter breit muss ein Gehweg freigeräumt sein, an kleineren Straßen einen Meter.

Also – Roland D. muss sichergehen und klären, ob die beiden Mieter die neuen Auflagen auch wirklich beherzigen. Am besten ist es, der Vermieter schreibt die beiden „Winterdienst-Mieter“ noch einmal an und lässt sich den Hinweis auf die neuen Berliner Verhältnisse bestätigen. Im letzten Winter hatten die beiden Parterrebewohner wie halb Berlin vor dem Schnee kapituliert und nur noch eine schmale Loipe vor dem Wohnhaus gezogen.

Vermieter D. muss wirklich genau hinsehen, denn sonst würde er am Ende doch für alles geradestehen (Landgericht Waldshut 1 O 60/00). Kommt ein unzuverlässiger Mieter seinen Verpflichtungen bei der Räum- und Streupflicht nicht nach und es ereignet sich ein Unfall, dann hat der Vermieter ein Problem in puncto Schadenersatz (Amtsgericht Ulm 6 C 968/86). Bei chronisch nachlässigen Mietern bleibt nur der harte Weg: eine Abmahnung (als Einschreiben) und deutliche Hinweise auf die Konsequenzen. Bei Verstößen können in Berlin jetzt Bußgelder von bis zu 10 000 Euro erhoben werden; zunächst waren 25 000 Euro geplant.

Roland D.s Erdgeschossmieter sind noch in den besten Jahren, aber es könnte ja auch anders sein: Alte oder gebrechliche Mieter können nicht mehr auf den Winterdienst verpflichtet werden – das muss ein Vermieter beachten. Wenn sich nicht zu vernünftigen Kosten und Konditionen ein Ersatz organisieren lässt, dann fällt die Räumpflicht wieder an den Grundstücksbesitzer zurück, urteilten verschiedene Gerichte (u. a. Amtsgericht Hamburg-Altona 318 C 146/06).

Die Gerichte sind eisern, was die Verkehrssicherungspflicht angeht – auch ein Warnschild „Privatweg. Betreten verboten“ oder „Betreten und Befahren auf eigene Gefahr“ hebt die Haftung des Grundstücksbesitzers nicht auf (Oberlandesgericht Saarbrücken 4 U 644/03-116). Bei einem Verstoß gegen das Betretungsverbot könne man allenfalls besondere Vorsicht erwarten und ein Mitverschulden des Delinquenten unterstellen, meinten die saarländischen Richter.

Auch Schilder mit Hinweisen wie „Kein Winterdienst“ oder „Weg wird nicht geräumt oder gestreut“ haben nur eine deklaratorische Bedeutung und setzen die Verkehrssicherungspflichten nicht außer Kraft. Sie verpflichten alle, die auf diesen Wegen unterwegs sind, allenfalls zu besonderer Aufmerksamkeit (Rinne, NVwZ 2003 9/12). Eine Freistellung von Haftung kann dadurch nicht erreicht werden.

Geräumt und gestreut werden muss von 7 bis 20 Uhr, schneit es mehrmals am Tag, muss auch mehrmals geräumt und gestreut werden. Ausnahmen: Blitzeis und Dauerschneefall. (mit dapd)

PROBLEM

Kommt jemand auf ungeräumten und ungesandeten Wegen zu Schaden, kann der Streupflichtige haftbar gemacht werden. Wer wozu und wofür verpflichtet ist – das ist von Fall zu Fall verschieden, wie diese folgende Auswahl von Urteilen zeigt.

LÖSUNG

Ist der Verwalter einer Wohnanlage verpflichtet, „alles zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung Notwendige zu tun“, umfasst das auch die Verkehrssicherungspflicht. Hat er einen Hausmeister eingestellt, der auch die Räum- und Streuarbeiten im Winter erledigen soll, haftet der Verwalter, wenn der Hausmeister einen Teil der Fußwege am Haus nicht abstumpft, eine Mieterin stürzt und sich verletzt. In dem Fall hatte der Hausmeister einen Weg zur Tiefgarage ausgespart. (OLG Karlsruhe, AZ:14 U 107/07).

Räum- und Streupflicht gilt auf Gehwegen vor dem Haus sowie für Zugänge zu Haus, Mülltonnen, Park- und Tiefgaragenplätzen. Grenzt ein Grundstück an mehrere Straßen, reicht es nicht, nur die Seite verkehrssicher zu machen, auf der Zugang bzw. Zufahrt zum Haus liegen (OLG Brandenburg, AZ: 4 U 55/07).

Urlaub oder Krankheit sind keine Entschuldigung: Wer verhindert ist, muss sich um Ersatz kümmern. Nur gebrechliche oder dauerhaft kranke Mieter können unter Umständen von Räum- und Streupflicht befreit sein. (AG Hamburg-Altona, AZ: 318a C 146/06) Tsp/büs

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