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Kreuzberger Wirtschaftsstadtrat: "Wir brauchen Leute, die hier alt werden wollen"

Peter Beckers, stellvertretender Bezirksbürgermeister und Wirtschaftsstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, zur Entwicklung von Kreuzberg.

Herr Beckers, der Kreuzberger Wohnungsmarkt ist in letzter Zeit attraktiver geworden. Bedeutet das, dass eingesessene Kreuzberger verdrängt werden?

Das Statistische Landesamt stellt eine deutliche Wanderungsbewegung von Kreuzberg nach Neukölln und einen starken Zuzug von Menschen von außerhalb Berlins nach Kreuzberg fest. Diejenigen, denen die Mieten zu teuer geworden sind, ziehen tatsächlich nach Nordneukölln. Außerdem stellen wir fest, dass immer weniger Wohnraum für Familien zur Verfügung steht. Denn große Wohnungen werden verstärkt durch Wohngemeinschaften genutzt, die bereit sind, mehr Geld auf den Tisch zu legen. Damit wird die Entwicklung weg von den Familien und hin zu den Singles vorangetrieben.

Wie kann der Bezirk auf diese Entwicklung Einfluss nehmen?

Nur sehr beschränkt. Es gibt in Kreuzberg zwar fünf Milieuschutzgebiete. Die großen Mietsprünge finden aber nicht bei den Bestandsmieten statt, sondern bei der Neuvermietung. Um dieses Problem zu lösen und Obergrenzen bei Neuvermietungen festzulegen, brauchen wir die Unterstützung des Landes und wahrscheinlich sogar die des Bundes. Und selbst dann stellt sich die Frage, was passiert, wenn ein Mieter die höhere Miete akzeptiert – zum Beispiel deswegen, weil er aus München oder Hamburg kommt und daher noch ganz andere Beträge gewöhnt ist?

In Kreuzberg gibt es mehrere Projekte von Baugruppen. Wie beurteilen Sie diese Aktivitäten?

Das ist eine hervorragende Sache. Die meisten dieser Baugruppen sehen familienorientiertes oder generationenübergreifendes Wohnen vor und schaffen damit Strukturen, die wir dringend benötigen. Außerdem ist es wichtig, dass die Leute sich auf lange Sicht dem Bezirk verbunden fühlen. Denn ein Gemeinwesen braucht einen gewissen Anteil an Menschen, die im Bezirk alt werden wollen und sich deshalb in ihrem Wohnumfeld engagieren.

Aber sind es nicht auch solche Projekte, die zur Verdrängung von Alteingesessenen beitragen?

Es kann natürlich nicht das Ziel der Politik sein, einen Bezirk arm zu halten. Allerdings muss sie darauf achten, wie die Bevölkerungsmischung in einem Quartier aussieht. Ich möchte hier keine Verdrängung erleben, wie sie jetzt bei den Sozialwohnungen im Fanny-Hensel-Kiez passiert.

Wie erklären Sie es sich, dass Kreuzberg seit einigen Jahren wieder so stark im Kommen ist?

Nach der Wende war der Osten wahnsinnig spannend. Viele Kreative sind deshalb nach Prenzlauer Berg gegangen. Während sich dort aber vieles sehr schnell, vielleicht zu schnell, entwickelt hat, verfügt Kreuzberg über eine gereifte Struktur, die schon immer links-alternativ geprägt war. Hinzu kommt die Innenstadtlage. Ich selber wohne seit 1988 in Kreuzberg und möchte nirgendwo anders wohnen.

Das Gespräch führte Christian Hunziker.

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