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An der TU München arbeiten Ingenieure daran, japanische Roboterlösungen auf Deutschland zu übertragen.

© imago/AFLO

Future Living Berlin: Wo Roboter zur Körperpflege anrollen

Selbstständig wohnen bis ins hohe Alter: In Adlershof ist eine Modellsiedlung geplant.

Sieht so die Wohnung der Zukunft aus? Nicht nur, dass diese Wohnung über oberflächennahe Geothermie beheizt wird und auch sonst eine hohe Energieeffizienz aufweist. Nein, sie ist darüber hinaus so ausgestattet, dass sie den Bewohnern selbst dann größtmögliche Sicherheit und hohen Komfort bietet, wenn sie alt und gebrechlich geworden sind. Deshalb ist die Wohnung mit einem Bodenbelag ausgestattet, der erkennt, wenn der Bewohner gestürzt ist und nicht mehr aufstehen kann. Außerdem bietet sie die Möglichkeit, über Internet den Arzt um Rat zu fragen. Und auch ein Kühlpostkasten fehlt nicht, so dass der Hauslieferservice Milch, Wurst und andere Lebensmittel problemlos abliefern kann, wenn es der Bewohner nicht mehr selbst in den Supermarkt schafft.

Was sich futuristisch anhört, soll schon 2016 in Berlin-Adlershof Realität sein. Noch in diesem Jahr will dort die GSW Sigmaringen mit dem Bau von 70 Wohnungen in ihrem Projekt Future Living Berlin beginnen. Das Unternehmen hat nichts mit dem Berliner Großvermieter GSW zu tun, sondern ist eine Tochtergesellschaft des Sozialverbands VdK Baden-Württemberg. Es fungiert als Investor für ein Projekt, das die Berliner Unternehmensgruppe Krebs entwickelt hat. Dieses Vorhaben will zeigen, wie sich technische Unterstützungssysteme in der Praxis realisieren und nutzen lassen.

„Das Future Living Berlin hat die Chance, ein bundesweiter Leuchtturm in Bezug auf assistierende Technik zu werden“, sagte Roy Lilienthal, Geschäftsführer der GSW Sigmaringen, diese Woche auf dem 7. Deutschen AAL-Kongress in Berlin. AAL ist die Abkürzung für Ambient Assisted Living (wörtlich: umgebungsunterstütztes Leben) und damit der Oberbegriff für technische Lösungen, die es älteren Menschen ermöglichen sollen, möglichst lange in der eigenen Wohnung bleiben zu können.

Solche Lösungen werden sich in nächster Zeit auf breiter Front durchsetzen. Das jedenfalls glaubt Hans-Lothar Schäfer, der Vorsitzende der Geschäftsführung des Energiedienstleisters Techem. „Die Zeit dafür ist reif, und es wird zu einer rasanten Marktentwicklung kommen“, sagte Schäfer auf dem AAL-Kongress. Denn die Technik habe sich weiterentwickelt, und der Bedarf sei angesichts der wachsenden Zahl älterer Menschen ohnehin gegeben. „Wohnungsautomatisierung und Assistenzsysteme werden marktreif“, bestätigte Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Gleichzeitig appellierte er jedoch an die Entwickler technischer Lösungen, verstärkt den Dialog mit den Praktikern aus Wohnungs- und Pflegewirtschaft zu suchen.

Viele innovative Ideen sind noch Zukunftsmusik

Bei der Entwicklung von Angeboten, die nicht nur die Ingenieure begeistern, sondern auch von Mietern und Wohnungseigentümern akzeptiert werden, beschäftigen sich die Ingenieure beispielsweise mit der Weiterentwicklung des Hausnotrufs. Das Institut für Informatik Oldenburg etwa hat unter dem Namen Ambiact einen „Innovativen Stromsensor zur Aktivitätserkennung für Hausnotrufsysteme“ entwickelt. Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich die Suche nach einer Lösung, die bei einem häuslichen Notfall automatisch und zuverlässig Hilfe verspricht. Ansatzpunkte sind dabei Elektrogeräte – zum Beispiel Leuchten, Wasserkocher oder Toaster. Diese werden mit einem Stromsensor ausgestattet.

Wird das Gerät innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht eingeschaltet, löst der Sensor Alarm aus. Die Konsequenz könnte allerdings sein, dass die alarmierten Rettungskräfte schon dann aufkreuzen, wenn die Wohnungsmieterin bei der Nachbarin zum Frühstück eingeladen ist und deshalb ausnahmsweise den Wasserkocher nicht eingeschaltet hat. Auch bei anderen auf dem AAL-Kongress vorgestellten Projekten dürfte fraglich sein, ob sie sich wirklich durchsetzen werden. So arbeitet der Lehrstuhl Baurealisierung und Baurobotik der TU München daran, japanische Roboterlösungen auf Deutschland zu übertragen. Aber möchte man im Alter wirklich von einem Roboter gewaschen werden?

Noch fehle es an Möglichkeiten, AAL-Lösungen in der Praxis zu begutachten und auszuprobieren, sagt Roy Lilienthal von der GSW Sigmaringen. Deshalb plant sein Unternehmen in Berlin-Adlershof neben den Wohnungen auch ein Innovations- und Besucherzentrum, das innovative technische Lösungen präsentieren soll. Während die Finanzierung und das Betreiberkonzept für das Innovations- und Besucherzentrum laut Lilienthal noch nicht ganz geklärt sind, soll es mit den 70 Wohnungen des Future Living Berlin bald losgehen: Im März will die GSW Sigmaringen das Grundstück im neuen Wohngebiet „Wohnen am Campus“ erwerben; im Sommer 2016 sollen die ersten Bewohner einziehen.

Öffentliche Fördermittel für die technische Ausstattung strebt das Unternehmen nicht an. Trotzdem soll die Miete mit 9,50 Euro pro Quadratmeter auf einem für Neubauwohnungen moderaten Niveau liegen. Das Konzept nütze ja auch dem Vermieter, sagt Lilienthal: „Wenn unsere Mieter länger in der Wohnung bleiben, haben wir weniger Mieterwechsel und damit weniger Investitionsbedarf.“

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