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Lufthansa-Angestellte am Flughafen in München (Archivbild).

© Christof Stache/AFP

Update

Lufthansa nennt Ankündigung „unzumutbar“: Verdi ruft Lufthansa-Bodenpersonal zu eintägigem Warnstreik am Mittwoch auf

Die angespannte Lage an den Flughäfen droht sich zu verschärfen. Tarifkonflikt betrifft rund 20 000 Beschäftigte.

Gut fünf Prozent mehr Geld reichen nicht: Weil das Angebot der Lufthansa deutlich unter der Forderung von 9,5 Prozent zurückbleibt, ruft Verdi die Gewerkschaftsmitglieder unter den rund 20 000 Beschäftigten am Mittwoch zum Streik. Davon ist formal-rechtlich nur die Lufthansa betroffen, weil die Tarifauseinandersetzung für das Bodenpersonal der Lufthansa geführt wird. Doch wenn dieses Personal auch Dienstleistungen erbringt für die Konzerngesellschaften Eurowings, Swiss, Austria und Bruselles, müssen die womöglich auch am Boden bleiben. Am Montagnachmittag tüftelte die Lufthansa an einem Notflugplan.<ET> Der Streik kommt in einer Zeit, in der Fluggesellschaften und Flughäfen enorme Probleme haben bei der Abwicklung des Ferienverkehrs.

Die große Nachfrage trifft nach zwei Jahren Corona auf ein dünnes Angebot, weil an allen Ecken und Enden Personal fehlt. Lufthansa und Eurowings hatten deshalb für die Sommermonate rund 3000 Flüge gestrichen.

Am 3. August wird wieder verhandelt

Verdi nimmt nach eigenen Angaben Rücksicht auf die prekäre Situation und hat den Streiktag in die relativ verkehrsarme Wochenmitte gelegt. Für die Lufthansa ist das kein Trost. „Nach den enormen Bemühungen zur Stabilisierung unseres Flugbetriebs bedeutet das eine erneute, erhebliche und unnötige Belastung für unsere Fluggäste und auch für unsere Mitarbeitenden“, klagte Personalvorstand Michael Niggemann. Der alle Flughäfen betreffende Streik bereits nach zwei Verhandlungsrunden sei unverhältnismäßig, zumal die dritte Runde schon am 3. und 4. August in Sicht sei.

Aber gerade deswegen hat sich Verdi zum Streik entschlossen, um dadurch die Zahlungsbereitschaft von Niggemann in der kommenden Woche zu erhöhen. Verdi fordert 9,5 Prozent mehr Geld aber mindestens 350 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Ferner soll der Stundenlohn in bestimmten Bereichen auf mindestens 13 Euro steigen, weil zum 1. Oktober der gesetzliche Mindestlohn auf zwölf Euro erhöht wird. Nach Angaben von Verdi arbeiten gut 4000 Lufthansa-Beschäftigte am Boden derzeit für weniger als zwölf Euro. Neben der Gepäck- und Passagierabfertigung betrifft der Tarifkonflikt auch die Lufthansa Technik sowie die Mitarbeitenden, die mit Pushback-Fahrzeugen dafür sorgen, dass die Flugzeuge in die richtigen Positionen geschoben werden.

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Verdi spricht von "Missmanagement"

Verdi-Verhandlungsführerin Christine Behle bat die Passagiere um Verständnis und wies auf die Situation der Beschäftigten hin, die „vor allem durch Missmanagement verursacht worden“ sei. Die Situation auf den Flughäfen eskaliere; die Überlastung der Beschäftigten aufgrund erheblichen Personalmangels, die hohe Inflation und ein dreijähriger Lohnverzicht würden die Mitarbeitenden immer mehr unter Druck setzen. „Sie brauchen dringend mehr Geld und sie brauchen Entlastung, für sich selber und für die Passagiere“, sagte Behle. Das Arbeitgeberangebot reiche „vorne und hinten nicht“, begründete sie den Streik.

Gehaltserhöhung bis zu elf Prozent

Personalvorstand Niggemann wiederum verteidigte am Montag das Angebot der Lufthansa. Man habe „hohe und sozial ausgewogene Vergütungserhöhungen angeboten - trotz der nach der Corona Krise wirtschaftlich für die Lufthansa weiter angespannten Situation, hoher Schuldenlasten und unsicheren Aussichten für die Weltwirtschaft“. Konkret legte die Arbeitgeberseite eine Erhöhung der Grundvergütung von 150 Euro pro Monat ab 1. Juli 2022 und eine weitere Erhöhung von 100 Euro ab Januar auf den Verhandlungstisch. Ferner soll es eine zweiprozentige Erhöhung zum 1. Juli 2023 in Abhängigkeit von der Geschäftsentwicklung geben. „Lufthansa ist es wichtig, insbesondere die unteren Vergütungsgruppen überproportional zu berücksichtigen“, sagte Niggemann und rechnete vor, dass für Beschäftigte mit einem Monatsgehalt von 3000 Euro brutto eine Steigerung der Grundvergütung von neun bis elf Prozent innerhalb von zwölf Monaten angeboten worden sei.

Über alle Beschäftigten- und Einkommensgruppen hinweg würde das Arbeitgeberangebot aber nicht die Inflationsrate ausgleichen, sagte Behle. Die Preise waren zuletzt um 7,6 Prozent gestiegen. Zudem sei die ergebnisabhängige Erhöhung um zwei Prozent 2023 „ein Blankocheck für eine ungewisse Zukunft der Beschäftigten“. Verdi werde keinen Tarifvertrag unterschreiben, der das Geschäftsrisiko auf die Belegschaft abschiebe.

Gut 5000 Streikende erwartet

Da von den 20 000 Beschäftigten etwa die Hälfte der Gewerkschaft angehört und von denen wiederum viele im Urlaub sind oder an Corona erkrankt, rechnet Verdi mit gut 5000 Streikenden auf allen Flughäfen. Das wird ausreichen, um viele Flugzeuge am Boden zu halten, vor allem an den Lufthansa-Hubs in Frankfurt und München. Wie stark Flüge vom BER betroffen sein werden, blieb am Montag offen. Im Fahrplan stehen am Mittwochvormittag (bis 14 Uhr) zehn Lufthansa-Flüge von Berlin nach Frankfurt und München, sowie sieben Eurowings-Flüge. Von der Reaktion der Lufthansa auf den Streiktag und von der Streikbeteiligung hängt es ab, ob Verdi vor dem 3. August zu einem weiteren Ausstand aufruft. Wahrscheinlich ist das nicht. Dafür könnten die Lufthansa-Piloten streiken: Die Vereinigung Cockpit lässt ihre Mitglieder derzeit darüber abstimmen.

[Lesen Sie zudem: Koffer verschollen – Wie lange dauert das Chaos an den Flughäfen? (T+)]

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