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Die Frau für den Übergang: Brigitte Zypries (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, wird jetzt Chefin.

© imago/Rüdiger Wölk

Neue Wirtschaftsministerien: Was kann Brigitte Zypries?

Kurz vor ihrem Karriereende kommt Zypries noch mal groß raus. Die Wirtschaft findet das gut. Die Frau kann zupacken, heißt es. Eine Branche freut sich besonders

Nun wird sie also doch noch mal Ministerin. Ex-Justizministerin Brigitte Zypries löst ihren bisherigen Chef und Parteifreund Sigmar Gabriel im Wirtschaftsministerium ab. In der Wirtschaft hält man das für eine gute Lösung. Denn die 63-Jährige, da sind sich (fast) alle einig, hat ihren Job gut gemacht. Seit 2013 ist sie Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium und dort für Zukunftsthemen wie Industrie 4.0, Start-ups, Gründer und die Raum- und Luftfahrt zuständig. Anfangs habe sie etwas gefremdelt, doch das habe sich schnell gegeben, heißt es. Egal ob Start-ups oder Drohnen, Zypries weiß Bescheid.

"Die beste Wahl für einen nahtlosen Übergang"

„Frau Zypries ist für einen nahtlosen Übergang die beste Wahl“, meint Joachim Bühler vom IT-Verband Bitkom. Das sieht man auch beim BDI so. „Die Industrie erwartet einen reibungslosen Wechsel im Wirtschaftsministeriu“, betont Hauptgeschäftsführer Markus Kerber. Schon früher hat Zypries Gabriel den Rücken frei gehalten, ihn bei wichtigen Terminen vertreten. Sie kennt das Haus, „sie kann einen Apparat führen“, loben Wirtschaftsvertreter. Klar sei sie, zupackend, manchmal etwas schroff im Ton, dann aber wieder herzlich. Wenige Monate im Amt begrüßte Zypries die Teilnehmer einer Start-up-Reise ins Silicon Valley unprätentiös mit den Worten, „ich bin die Brigitte“. In der auf Duzkultur getrimmten Szene kein schlechter Einstieg.

"Wir schätzen sie als zupackende Person"

Auch in der Luft- und Raumfahrtindustrie wird Zypries geschätzt. „Unsere Branche ist in Deutschland und Europa weltweit führend, wir produzieren in einem Hochlohnland, sind besonders innovativ und daher auf eine enge Zusammenarbeit und Unterstützung der Bundesregierung angewiesen“, erklärt Volker Thum, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDLI. Zypries habe das sehr schnell verstanden. „Wir schätzen sie als kompetente und zupackende Person.“ Auch ihr sei es zu verdanken, dass das Luftfahrtforschungsprogramm (LuFo), das seit 1995 regelmäßig aufgelegt wird, in der Form fortbesteht. Der Verband schätzt Zypries zudem als regelmäßigen Gast und Unterstützerin der Branchenmesse ILA Berlin Air Show, die alle zwei Jahre in Schönefeld stattfindet. Dort habe sie sich zuletzt beim ILA Future Lab und dem Start-up-Day engagiert. Auch beim aktuell heißesten Thema, den unbemannten Luftfahrt, habe Zypries früh erkannt, welches Potenzial darin für die Branche steckt, heißt es beim BDLI, der hauptsächlich Hersteller vertritt. 

Beim Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), wo die Airlines und Flughäfen organisiert sind, sieht man das ähnlich. „Brigitte Zypries war immer eine verlässliche Ansprechpartnerin für die deutsche Luftverkehrswirtschaft. Sei es als Schirmherrin für den Innovationspreis der Luftfahrt, sei es als Mitwirkende in der Initiative Luftverkehr für Deutschland, oder in anderen Fragen den deutschen Luftverkehr betreffend“, teilt eine BDL-Sprecherin auf Anfrage mit.

Engagement für den Wahlkreis

Zypries Tätigkeit für diesen Wirtschaftszweig dürfte auch lokalpatriotisch motiviert sein. Sie ist Abgeordnete des Wahlkreises Darmstadt, eines der wichtigsten Zentren dieses Industriezweiges und seit 1967 Sitz des Europäischen Raumflugkontrollzentrum (ESOC). So sehr sich Zypries auch für die Luft- und Raumfahrt ins Zeug hängt, und sich (noch) niemand mit Kritik zitieren lassen will: Die ganz großen Visionen haben Branchenbeobachter bei ihr Visionen vermisst. Weder galt sie - anders als ihr Vorgänger, der im November verstorbene Peter Hintze (CDU) - als Freundin der bemannten Raumfahrt, noch hat sie es geschafft, das von den Einzelbranchen seit Jahren erhoffte Luftverkehrskonzept der Bundesregierung zu entwickeln. Lediglich Eckpunkte liegen vor, mehr soll es vor der Wahl im September nicht geben.

Hilfe für Start-ups

In der Gründerbranche findet man lobende Worte für die designierte Ministerin. Das Wirtschaftsministerium hat für die Zukunftsbranche nämlich in dieser Legislaturperiode einiges auf die Beine gestellt, vor allem, was die Finanzierung von Start-ups betrifft. Die staatseigene KfW investiert jetzt wieder in einen Wagniskapitalfonds, der Europäische Investitionsfonds hat - auf Betreiben der Deutschen - einen 500 Millionen Euro schweren Wachstumsfonds aufgelegt, Investoren, die ihr Geld in Start-ups gesteckt hatten, werden beim Verkauf der Beteiligungen steuerlich milde behandelt und ab März gibt es ein neues Börsensegment für Start-ups, lobt Florian Nöll, Chef des Start-up-Verbands die Initiativen des Bundeswirtschaftsministeriums. Vor allem Gründerinnen will Zypries fördern. Sie hat das Gründerinnen-Frühstück ins Leben gerufen, eine Möglichkeit des Netzwerkens und des Austauschs. Brigitte Zypries ist 63 Jahre alt, kein Kind der Smartphone-Generation. Dennoch hat sie die Zukunftsthemen mitbegleitet: Start-up-Förderung, Industrie 4.0, die digitale Agenda. Im Juni findet der nächste Digitalgipfel statt. Dass das Digitale ein Zukunftsbereich ist, hat Zypries übrigens schon sehr früh erkannt, vielleicht sogar als erste Ministerin. Schon zu ihrer Zeit als Justizministerin hat sie sich mit dem Urheberrecht in der digitalen Welt beschäftigt.

Übergangslösung

Im Ministerium waren dennoch viele von der Nachricht überrascht, dass Zypries an die Spitze des Hauses aufsteigt. Denn eigentlich hatte die Politikerin ihr Karriereende bereits eingeleitet. Bei der Wahl im September will sie nicht mehr für den Bundestag kandidieren, hatte sie erklärt. Vielleicht ein Grund, warum Gabriel ihr seine Nachfolge angetragen hat. Denn ihr Ausscheiden eröffnet Martin Schulz und Gabriel Optionen für die nächste Regierungsbildung. Das Amt des Wirtschaftsministers könnte man dann neu vergeben, vielleicht will sogar Gabriel es dann noch einmal machen, wer weiß?

Harte Zeiten

Doch bis dahin ist noch einiges zu tun. "National sind ein deutlicher Anstieg der öffentlichen Investitionen und stärkere Anreize für private Investitionen dringend notwendig", mahnt BDI-Mann Kerner. "Dies betrifft vor allem die Verkehrsinfrastruktur, die steuerliche Forschungsförderung, den Breitbandausbau. Gleichzeitig brauchen unsere Unternehmen eine Kostenbremse bei der Energiewende." International schrecken US-Präsident Donald Trump und der Brexit die Wirtschaft. „Die Stimme für einen vernünftigen, regelgetriebenen Freihandel aus Europa und Deutschland darf nicht versiegen“, sagte Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), dem Tagesspiegel. Gefordert sind beide: Gabriel und Zypries.

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