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Wirtschaft: Ölpreis steigt auf Allzeithoch

Experten rechnen auch für das kommende Jahr nicht mehr mit einer Entspannung/Auch die Benzinpreise ziehen wieder an

Berlin - Die Krisen in Ölförderländern häufen sich – und machen die Hoffnung auf einen baldigen Rückgang des Ölpreises zunichte. Am Freitag kletterten die Notierungen weiter und erreichten neue Höchststände. „Es ist kein rechtes Ende abzusehen“, sagte Klaus Matthies, Ölexperte beim Hamburgischen Weltwirtschafts-Archiv (HWWA), dem Tagesspiegel. Mit einer schnellen Entspannung rechnet er nicht. „Unter die Marke von 35 Dollar werden wir 2005 nicht kommen.“

Etwas Entspannung an den Märkten könnte immerhin eine Einigung beim russischen Ölkonzern Jukos bringen – und dafür gab es am Freitag auch erste Anzeichen. HWWA-Experte Matthies rechnet damit, dass der Ölpreis wenigstens auf unter 40 Dollar fallen könnte, sollte ein Förderstopp vermieden werden. Die Einschätzung teilt auch die Bayerische Landesbank. Allerdings ist sie für das zweite Halbjahr insgesamt weniger zuversichtlich. In ihrer neuesten Prognose vom Freitag hat sie ihre Prognose für den Durchschnittspreis für Juli bis Dezember von 34 auf 40 Dollar je Barrel (159 Liter) angehoben.

Aktuell liegen die Preise weit darüber. Die Gewalt im Irak, die auch immer wieder zu Ausfällen beim Ölexport des Landes führt, Spekulationen über Streiks in Venezuela und ein Brand in einer Raffinerie in den USA trieben die Notierung für ein Barrel in New York um 49 Cent auf 45,99 Dollar – ein Allzeithoch. In London wurden für ein Barrel der Sorte Brent 43,18 Dollar verlangt, ebenfalls ein Rekordwert.

Auch die Preise an den Tankstellen haben in der Folge zugelegt. In Deutschland liegt der Preis für einen Liter Super mittlerweile wieder bei mehr als 1,20 Euro – dem bisherigen Rekordniveau vom vergangenen Mai.

Für den Preisanstieg an den Ölmärkten machte Matthies vom HWWA die Furcht vor möglichen Lieferengpässen verantwortlich. „Es gibt kein akutes Versorgungsproblem, keinen Mangel“, sagte er. Die Raffinerien hätten höchstens Probleme, die von ihnen gewünschten Sorten zu bekommen. Aber die Ölmengen, die verlangt würden, seien auf den Märkten auch vorhanden. Die Lage droht aber schon bald schlechter zu werden. „Im Herbst und Winter könnte es eng werden“, sagte Matthies. Mit der Heizsaison in den Industriestaaten der Nordhalbkugel steigt auch die Nachfrage nach Öl an. Zurzeit wird weltweit etwas mehr von dem Rohstoff gefördert, als benötigt wird. Ab Herbst ist dann zusätzliche Produktion gefordert – und hier stellen die Experten immer lauter die Frage, wo die benötigten Mengen herkommen sollen.

Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) hat zwar zuletzt immer wieder betont, freie Kapazitäten von mehr als einer Million Barrel pro Tag zu haben. Doch Matthies zweifelt daran. „Die Angaben sind kaum zu durchschauen“, sagte er. Man müsse sich die Frage stellen, ob die Opec das wirklich könne. „Wenn es möglich ist, warum produzieren sie nicht schon heute mehr?“

Davon abgesehen sind die Unwägbarkeiten weiterhin groß. So gebe es zwar beim wichtigsten Öllieferanten der Welt, Saudi-Arabien, keine Einschränkung der Produktion durch terroristische Anschläge. „Aber die Bedrohung ist immer da, auch wenn die saudische Regierung betont, die Förderanlagen seien so gut gesichert wie sonst nirgends auf der Welt“, sagte HWWA-Experte Matthies.

Auch in weiteren wichtigen Ölförderländern ist die Produktion zwar nicht akut gefährdet, aber mit großen Fragezeichen versehen. In Venezuela, dem weltweit fünftgrößten Ölproduzenten, legten Ende 2002 Streiks gegen den Präsidenten Hugo Chavez die Ölindustrie lahm. Jetzt gibt es erneut Spekulationen über Arbeitskämpfe, zumal die Opposition für diesen Sonntag einen Volksentscheid gegen Chavez angesetzt hat. Ebenfalls explosiv ist Nigeria. Hier kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen, die zu Förderstopps führen.

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