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Steinmeier

© ddp

SPD: Kein Genosse der Bosse

Steinmeiers Rede lässt die Manager kalt. Denn das Interesse Steinmeiers, die Wirtschaftsführer für sich zu gewinnen, ist offenbar begrenzt. Merkel stößt auf etwas mehr Zuspruch.

Berlin - „Es wächst die Ungerechtigkeit“, ruft der Mann auf dem Podium voller Empörung. „Es darf keine Spaltung der Gesellschaft geben!“ Die 1200 Menschen in der großen Fabrikhalle, die meisten von ihnen einflussreiche Manager, sind begeistert. Sie applaudieren heftig und nicken. Bald eine halbe Stunde geht das so, die Sätze des Politikers, den die Scheinwerfer in beinahe gleißendes Licht tauchen, sind laut, schneidig, angriffslustig. Am Ende schimpft der Mann noch auf die Bundeskanzlerin, die „die Gegenwart nur verwaltet“ und keinen Plan für die Zukunft habe, wie er findet. Die Zuhörer finden das offenbar auch. Und klatschen noch lauter.

Es ist Wahlkampf, und der Auftritt auf der Jahrestagung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) an diesem Montag ist nicht unwichtig. Der BDI ist einer der mächtigsten Lobbyverbände, acht Millionen Menschen arbeiten in den Mitgliedsfirmen. Doch der Mann, der die kämpferische Rede hält und Angela Merkel angeht, ist nicht Frank-Walter Steinmeier, der Kanzlerkandidat der SPD. Es ist Guido Westerwelle, der Vorsitzende der FDP. Die Bosse und Geschäftsführer mögen ihn. Steinmeier war zwar auch da, er hat kurz vor Westerwelle geredet. Doch zu mehr als spärlich-höflichem Applaus hat es bei ihm nicht gereicht. Den Versuch, es ähnlich zu machen wie Westerwelle, unternimmt er gar nicht erst.

Das ist die eigentliche Überraschung. 104 Tage vor der Bundestagswahl hatte der BDI die wichtigsten Politiker zur Standortbestimmung in der Wirtschaftspolitik und im Kampf gegen die Krise geladen. Merkel kam, Steinmeier fast direkt im Anschluss – das erste Duell der Bewerber um das Kanzleramt, schon vor der heißen Phase im Wahlkampf. Und das keine 24 Stunden nach Steinmeiers gefeierter Rede auf dem SPD-Parteitag. Da hatte er noch davon gesprochen, dass es „um viel geht“, dass es einen „fulminanten Wahlkampf“ geben werde, geprägt von „Entschlossenheit“ und „Aufbruch“. Am Montag bricht niemand auf.

Das Interesse Steinmeiers, die Wirtschaftsführer für sich zu gewinnen, ist offenbar begrenzt. Er schafft es nicht wie früher Gerhard Schröder, sich als der Genosse der Bosse zu geben. Schon zu Beginn sagt er, seine Rede werde wohl „nicht dieselbe Begeisterung auslösen“ wie tags zuvor bei den Genossen. Und er wisse, dass die Wirtschaft es nicht schätze, wenn man Steuererhöhungen ankündige. Immerhin werde man das frische Geld, das die SPD den Reichen abfordern will, in die Bildung stecken. Schließlich gehe es ihm „um die Zukunft dieses Landes und die Wirtschaft“. Heute entscheide sich, wo die Republik in zwei Jahren stehe. Deshalb sei auch sein „Einmischen“ bei der Rettung von Unternehmen in Ordnung.

Steinmeier schwitzt, doch die Leute lässt seine Rede kalt. Der Außenminister sagt dann noch, dass man stolz darauf sein könne, dass trotz der Krise bislang hierzulande kein Betrieb besetzt, kein Manager gekidnappt worden sei „und dass bei uns nicht die Autos brennen“. Von Beifallsstürmen wie auf dem Parteitag ist Steinmeier danach einige Galaxien entfernt.

Allerdings hat ihm Angela Merkel auch keine Angriffsfläche geboten, wieder einmal. In der fußballfeldgroßen Halle, einer Industriebrache mit viel nacktem Beton und Backstein, hat sie ein Heimspiel. Anders als ihr Herausforderer hat sie für die Wirtschaftsleute Bonbons mitgebracht: Die Unternehmensteuer müsse nach der Wahl wieder auf die Tagesordnung, die Kreditregeln der Banken gehörten geändert. Auch Staatshilfen für kriselnde Firmen seien nicht des Teufels, schließlich gewährten die Bundesländer selbst in guten Zeiten viele Bürgschaften, ohne dass sich jemand aufrege. Gleichwohl schwebt Merkel über dem politischen Klein-Klein des Alltags. „Wir haben schon ganz andere Herausforderungen überstanden“, das werde auch dieses Mal gelingen, verspricht sie, und ihr lila Blazer leuchtet zwischen all den dunklen Anzügen. Die Leute sind zufrieden – wie immer, wenn die Regierungsspitze zu den Managern kommt und sie sich wichtig fühlen dürfen.

Die Sache mit der Fallhöhe erledigt einzig der Gastgeber, BDI-Präsident Hans- Peter Keitel. Die Krise 2009 sei für Deutschland ein ähnlich tiefer Einschnitt wie 1949 und 1989, sagt er. „Jede Milliarde, die wir jetzt in Einzelfälle pumpen, fehlt uns für Zukunftsaufgaben wie Bildung und Innovationen.“ Mit ihren Rettungsaktionen dürfe die Politik den Menschen keine falschen Hoffnungen machen. Nur mit einem deutlich höheren Wachstum als in den vergangenen Jahren sei die hohe Schuldenlast zu bewältigen. Keitel, das ist am Ende klar, wünscht sich Steinmeier nicht als Kanzler.

Als der BDI-Chef, die Kanzlerin und der Außenminister geredet haben, ist Guido Westerwelle an der Reihe. Er hat sich einen, wie er findet, raffinierten Satz zurechtgelegt. „Ich gratuliere der Regie zu diesem genialen Einfall, dass ich Steinmeier nachfolge.“ Die Leute lachen.

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