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Wirtschaft: Springers letzte Karte

Ministererlaubnis könnte Pro Sieben Sat 1-Übernahme noch möglich machen

Berlin – In dieser Woche, möglicherweise schon an diesem Montag, wird das Bundeskartellamt die Übernahme des Fernsehkonzerns ProSieben Sat 1 durch die Axel Springer AG untersagen. Das muss aber nicht das Ende der Springer-Pläne bedeuten.

Zwar weist der Verlag darauf hin, im Moment noch ohne finanzielle Einbußen von dem Vorhaben zurücktreten zu können. Ähnlich wie die Landesmedienanstalten daran arbeiten, gegen das bereits verhängte Verbot der Medienwächter vorzugehen – für Donnerstag ist ein Gespräch bei der Bayerischen Landesmedienanstalt geplant –, könnte eine Ministererlaubnis das Veto der Wettbewerbshüter außer Kraft setzen. Dazu müsste Springer einen Antrag bei Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) stellen. Glos wiederum müsste die Monopolkommission anrufen, an deren Entscheidung er aber nicht gebunden wäre. Neben einer politischen Debatte und dem Beigeschmack, dass Springer-Journalisten mehr denn je unter dem Verdacht der unionsfreundlichen Berichterstattung stünden, müsste Glos begründen, warum die Fusion dem Gemeinwohl dienen soll. Noch hat Springer nicht über das weitere Vorgehen entschieden. Doch die Debatte über eine Ministererlaubnis läuft längst auf Hochtouren. Zuletzt forderte am Wochenende Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) von seinem Parteifreund Glos eine Sondererlaubnis.

Seit fünfeinhalb Monaten währt der zuletzt von juristischen Winkelzügen begleitete Übernahmeversuch. Alles begann am 5. August 2005 im Hotel Bayerischer Hof in München. Damals verkündeten der US-Medienunternehmer Haim Saban, der mit weiteren Finanzinvestoren seit 2003 die Mehrheit an Pro Sieben Sat 1 hält, und Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, dass Springer bei ProSieben Sat 1 seinen strategisch unbedeutenden Anteil von 13 Prozent auf hundert Prozent erhöhen werde. Aus dem größten deutschen Zeitungshaus entstünde mit der größten deutschen TV-Gruppe ein integrierter Medienkonzern, der „den Googles dieser Welt Paroli bieten“ könnte, weltweit auf Platz 25 der größten Medienunternehmen stünde und den Abstand zum größten deutschen Medienkonzern Bertelsmann ein Stück weit verringern könnte. Drei Milliarden Euro hätte sich Springer das kosten lassen.

Es dauerte nicht lang, schon verband mancher damit Hoffnungen auf einen beruflichen Wechsel. So soll der fernsehbegeisterte „Spiegel“-Chef Stefan Aust, der vor einer Woche bei Döpfners Geburtstagsfeier teilnahm, ein äußerst attraktives Angebot unterbreitet bekommen haben.

Gegen die Übernahme und gegen eine Ministererlaubnis wehren sich die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, der Deutsche Journalistenverband, FDP, Linkspartei und Bündnisgrüne, außerdem Teile der SPD sowie der ARD-Vorsitzende Thomas Gruber. Auf die Seite von Springer stellen sich die Ministerpräsidenten Roland Koch (Hessen, CDU), Edmund Stoiber (Bayern, CSU), Kurt Beck (Rheinland-Pfalz, SPD), die NRW-Landesregierung und weite Teile der Union. Aus der Medienbranche plädieren für Springer der Betriebsrat beider Konzerne, die Intendanten Fritz Pleitgen (WDR) und Markus Schächter (ZDF). Eine „nationale Lösung“ und damit Springer favorisieren auch zahlreiche Produzenten, etwa „Lindenstraße“-Macher Hans W. Geißendörfer. Ihre Wortmeldungen sammelt die Interessengemeinschaft der Produzenten derzeit unter www.film20.de.

Sollten Glos und die Landesmedienanstalten den Fall entscheiden müssen, spricht vieles für einen dritten Lösungsweg. Auch sie kommen nicht umhin, die Meinungs- und Marktmacht des „Bild“- Konzerns zu problematisieren. Vieles spricht dafür, dass Springers bisher größtes Zugeständnis zur Bedingung gemacht wird: der nachträgliche Verzicht auf den Sender Pro 7. Springer bliebe Sat 1, Kabel 1, N 24 und Neun Live.

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