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Wirtschaft: Unternehmerfamilien (10): Die Familie muss bei Haniel draußen bleiben

Spätestens in der dritten Generation geht es mit einem Familienunternehmen bergab. Diese Regel zitieren Unternehmensberater gern, wenn sie einen Familienbetrieb sanieren sollen.

Spätestens in der dritten Generation geht es mit einem Familienunternehmen bergab. Diese Regel zitieren Unternehmensberater gern, wenn sie einen Familienbetrieb sanieren sollen. Der Haniel-Konzern beweist das Gegenteil: In der dritten Generation ging es erst so richtig los. Das war vor 203 Jahren, als Franz Haniel in die Firma seines Großvaters einstieg. Heute macht Haniel mit rund 16 Milliarden Mark den größten Umsatz seiner Geschichte. Alle sechs Sparten des Konzerns schreiben schwarze Zahlen: die ELG Haniel, Recycler und Händler von Rohstoffen für die Edelstahlindustrie, und die Haniel Bauindustrie; das Unternehmen für Brand- und Wasserschadensanierung Belfor und die Haniel Textile Service, die Berufskleidung vermietet. Aber auch die beiden Gesellschaften, in denen Haniel über Mehrheitsbeteiligungen das Sagen hat: der Pharmagroßhändler Gehe (57,8 Prozent) und Takkt, Versandhändler für Büroeinrichtungen (67,9 Prozent). Die 470 Eigentümer des Unternehmens, allesamt Nachkommen von Franz Haniel und seinem Bruder Gerhard, können zufrieden sein.

Wie ist so ein Erfolg möglich? Wesentlicher Grund dafür ist, dass die Vermischung von Management und Familie schon seit 1917 ein Tabu ist. Seitdem sitzen im Vorstand des Unternehmens nur Männer, die nicht zur Verwandtschaft gehören. Von den Nachkommen der Haniel-Brüder dürfen nur acht in den 16-köpfigen Aufsichtsrat - als Repräsentanten des Kapitals. Ansonsten muss sich die Familie raushalten. Anderenfalls hätte der Konzern seinen Kurs kaum immer wieder so radikal ändern können, wie in den vergangenen Jahrzehnten. Seit 1995 bestreiten die Duisburger weit über 90 Prozent ihres Umsatzes mit Unternehmensbereichen, die erst seit weniger als 20 Jahren zum Unternehmen gehören. Selbst von der 244 Jahre alten Reederei hat sich der Vorstandschef Dieter Schadt in diesem Jahr getrennt. Dabei war sie ein Grundstein für das Familienimperium im Ruhrgebiet. Ebenso spielen die Haniel-Zechen - darunter die Zeche Zollverein - in den Bilanzen des Konzerns keine Rolle mehr.

Mit ihnen baute Franz Haniel das Unternehmensimperium auf. Eigentlich Spediteur und Händler für Kolonialwaren, entschloss er sich, auch auf der linken Seite des Rheins nach Kohle zu bohren - mit Erfolg. Die Zeche Rheinpreussen, die er dabei gründete, machte Millionengeschäfte. Zuvor hatte Haniel bereits mit zwei Schwagern die Hütte "Guttehoffnung" in Sterkrade erworben - heute heißt dieses Unternehmen MAN und hat mit Haniel nichts mehr zu tun.

Anfang des 19. Jahrhunderts beschäftigte Haniel schon rund 5000 Mitarbeiter. Ein Gebäude nach dem anderen wurde auf dem Grundstück am Duisburger Hafen, das bis heute der Firmensitz ist, errichtet. Freilich, in das vierstöckige Fachwerkhaus von 1756 passen die inzwischen 40 000 Mitarbeiter nicht mehr hinein. Vorbei sind auch die Zeiten, in denen Haniel der größte Stahlarbeitgeber Deutschlands war. Vom Stahl ist nichts mehr übrig. Im Jahre 1965 belächelte die Branche noch den bedeutenden Kohlehändler Haniel, der mit einer 30-prozentigen Beteiligung beim Großhändler Metro einstieg. Heute spottet niemand mehr. Metro und Haniel sind dagegen enger denn je miteinander verwoben: Haniel-Familienmitglied Jan van Haeften ist Aufsichtsratsvorsitzender von Metro ebenso wie von Haniel.

Derweil pocht Haniel-Vorstandschef Dieter Schadt auf unternehmerische Freiheit und Offenheit. Auf die Frage, welches denn die Geschäftsfelder des Konzerns seien, antwortete er kürzlich, so etwas könne er eigentlich nur "für den Augenblick" sagen. Die Rendite entscheidet, nicht die Tradition. Schadt, seit 1993 Vorstandsvorsitzender, hat außerdem im Unternehmen aufgeräumt. Wollte der Vorstand der Konzernmutter noch vor einigen Jahren im operativen Geschäft der Töchter mitmischen, so bleibt diese Aufgabe heute den jeweiligen Managern überlassen. Drei von sieben Vorstandsposten hat Schadt wegrationalisiert. Auch er wird bald gehen: Im März, zu seinem 65. Geburtstag, verlässt der Manager das Unternehmen - so wie es schon lange bei Haniel üblich ist.

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