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Neu denken. Auf der New York Auto Show findet man den kleinen Volkswagen-Stand im hintersten Winkel. Früher trumpften die Wolfsburger mit üppigen Inszenierungen und Neuheiten auf.

© Peter Maahn

Update

Auftritt auf der Auto Show: Volkswagen versteckt sich in New York

Früher protzig, heute winzig: Volkswagen übt sich bei seinem Auftritt auf der New Yorker Automesse in Bescheidenheit. Das Motto: Think New. Derweil gibt es neuen Ärger. 800.000 Fahrzeuge müssen wegen defekter Fußhebel zurückgerufen werden.

Eine Fläche, so klein wie der Garten eines Reihenhauses. Darauf verschachtelt eine Handvoll meist schneeweißer Autos, in grelles LED- Licht getaucht. Der bis vor gut einem halben Jahr so stolze und selbstbewusste Riesenkonzern Volkswagen duckt sich vor einer guten Million potenzieller Kunden weg, schlüpft ins Büßerkleid und möchte am liebsten gar nicht angesprochen werden. VW hat den Blues. Dabei hätte die New York Auto Show direkt am Hudson River für die von der Diesel-Affäre gebeutelten Deutschen eine Chance geboten, sich den verunsicherten US-Kunden bei aller Demut als das zu präsentieren, was man nach wie vor ist: Der drittgrößte Autokonzern der Welt.
Man kann Volkswagen in der weitläufigen Halle am Rande Manhattans durchaus entdecken – wenn man Muße zum Suchen hat. Der Weg führt vorbei an glanzvollen Präsentationen der Japaner und Koreaner, vorbei an Volvo und Jaguar, bis es kurz vor dem riesigen Stand des früheren Sorgenkindes Chrysler rechts ab geht in den hintersten Winkel. Hierhin hat sich VW regelrecht verkrochen. In großen Lettern leuchtet das Motto „Think New“ über dem Messestand.

Keine Vorstände, keine Pressekonferenz

Neues Denken? Ein VW-Händler aus Pasadena ist als Besucher der Messe nach New York gekommen. Er trägt den deutschen Vornamen Richard, seinen Nachnamen will er nicht preisgeben. „Ich hatte gehofft, dass die Manager hier den Kunden und auch uns Händlern deutlich sagen, wie es weitergeht, wie wir das Vertrauen zurückgewinnen können“, sagt er. „Und dass hier neue Modelle stehen, mit denen wir aus der Krise fahren können.“ Rich, wie er sich selbst nennt, wird ernüchtert vor Ostern den Heimweg antreten. Er hat keinen ranghohen VW-Mann in New York getroffen, der ihm hätte Mut machen können. Eine Pressekonferenz gab VW nicht – anders als fast alle anderen Herstellern. Hinrich Woebcken (56), der neue US-Chef von VW, wird sein Amt erst am 1. April antreten, ist also noch nicht im Dienst. Und aus Wolfsburg war ohnehin niemand angereist, der sich Fragen und Kameras hätte stellen wollen. So als hätte die neue VW-Spitze die Devise ausgegeben: Wer nichts sagt, kann nichts Falsches sagen. Auf der letzten US-Messe, vor gut sieben Wochen in Detroit, hatte VW-Chef Matthias Müller im Interview-Stress in ein Radiomikrofon gesagt, VW habe nicht betrogen, sondern nur die Vorschriften falsch ausgelegt. Es folgten weltweites Kopfschütteln, ein Shitstorm im Netz und die vergeblichen Rettungsversuche der VW-Kommunikationsabteilung. Nach dem medialen Unfall wollten in New York nicht einmal die Führungskräfte der zweiten Reihe auf die Bühne.

Eine Show mit bekannten Fakten und 13 Zuhörer

Nebenan bei Kia aus Korea erklingen plötzlich laute Pop-Kläge, Laserblitze zucken, ein Mann im schwarzen Zwirn betritt vor einer überdimensionalen LED- Wand die Bühne. Weit über 1000 Neugierige umringen den Stand und warten auf die Weltpremiere eines neuen Modells. Es heißt Kia Cadenza, wird nicht in Europa verkauft und soll in den USA die erfolgreichen deutschen Bestseller BMW 5er und Mercedes E-Klasse ärgern. Das Design verantwortet der frühere VW- Mann Peter Schreyer. Kurz darauf fragt eine Moderatorin auf dem winzigen VW-Stand einen Techniker nach den Vorzügen der Zukunftsstudie Bull-e, einem potenziellen Nachfolger des heutigen VW-Busses. Die gespielte Neugier bringt keinen Mehrwert, denn exakt die gleichen vorformulierten Fragen und Antworten waren schon bei der Premiere des sogenannten Concept- Cars auf der Elektronik-Messe CES Anfang Januar in Las Vegas zu hören. Natürlich sei der Bull-e voll vernetzt, habe einen Elektroantrieb und vieles mehr, sagt der Techniker. Ganze 13 Zuhörer haben sich am Bühnenrand versammelt. Natürlich wird am nächsten Tag in den New Yorker Zeitungen zu lesen sein, dass Volkswagen als Neuheit auch den etwas höhergelegten Golf Kombi mit Namen „Alltrack“ und Allradantrieb erstmals den Amerikanern zeigt. All dies bleibt eine Randnotiz, denn gleichzeitig muss VW schon wieder eine große Rückrufaktion für 800 000 VW- und Porsche-Modelle starten.

800.000 VW- und Porsche-Modelle werden zurückgerufen

Die baugleichen Modelle des Typs VW Touareg und Porsche Cayenne würden wegen eines möglicherweise gelösten Sicherungsrings am Lagerbock des Fußhebelwerks in die Werkstätten geordert, teilten die Unternehmen am Donnerstag mit. In Deutschland seien knapp 58.000 Touareg und gut 30.000 Cayenne betroffen. „Das Problem wurde bei internen Untersuchungen erkannt und in der laufenden Produktion bereits abgestellt“, hieß es. Der Eingriff werde weniger als eine halbe Stunde in Anspruch nehmen.

Und das ist nicht die erste Nachricht zu Rückrufen von VW: Erst am Mittwoch war bekannt geworden, dass 63.000 jüngere Exemplare des VW Passat in die Werkstatt müssen. Der Auslöser sind Probleme an der Zentralelektrik. Von diesen 63.000 Fahrzeugen seien jedoch etwa 15.000 Stück schon im Rahmen der üblichen Inspektion auf das Problem geprüft worden, sagte ein Sprecher. Eine womöglich nicht korrekt sitzende Steckverbindung kann zum Ausfall des Motors führen. Im Ernstfall erlischt dann möglicherweise nachts auch das Licht.

Immerhin: In Kalifornien bekommt VW in der Abgasaffäre Aufschub

In der Abgasaffäre hat Volkswagen dafür etwas Luft bekommen: Das US-Bezirksgericht in Kalifornien hat dem Konzern bis zum 21. April Aufschub gegeben. Wenn bis dahin zwischen VW, der US-Umweltbehörde EPA und dem amerikanischen Justizministerium keine Einigung erzielt sei, erwäge das Gericht im Sommer einen Prozess, sagte Richter Charles Breyer am Donnerstag. In den bisherigen Gesprächen zwischen den Parteien seien substanzielle Fortschritte gemacht worden. Es gebe allerdings noch technische Probleme bei der Umsetzung einer Einigung.

VW hatte zugegeben, eine illegale Software eingesetzt zu haben. Diese erkennt, ob sich ein Dieselfahrzeug auf dem Prüfstand befindet und hält auch nur dann die Abgasgrenzwerte ein. Insider hatten Reuters im Vorfeld der Anhörung gesagt, der Wolfsburger Konzern und die EPA hätten zwar Fortschritte gemacht, bräuchten für eine Einigung aber noch einige Wochen. Am Donnerstag lief die Frist aus, die Bezirksrichter Breyer den beiden Parteien gesetzt hatte, um einen Kompromiss über Reparatur oder Rückkauf der rund 580.000 betroffenen Dieselautos zu finden. mit dpa, rtr

Peter Maahn

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