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Wirtschaft: Warten auf die ganz große Sanierung

Die Holzmann-Pleite wird dem Baugewerbe nicht helfen. Branchenexperten zufolge hat der Konkurs des zweitgrößten deutschen Bauunternehmens kaum eine marktbereinigende Wirkung.

Die Holzmann-Pleite wird dem Baugewerbe nicht helfen. Branchenexperten zufolge hat der Konkurs des zweitgrößten deutschen Bauunternehmens kaum eine marktbereinigende Wirkung. "Es wäre vermessen, zu denken, wenn Holzmann Konkurs macht, verschwänden auch die Überkapazitäten in der Branche", sagt Christiane Nestroy, Bauanalystin bei der Hypo-Vereinsbank, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Das Inlandsgeschäft von Holzmann macht Expertenschätzungen zufolge nur ein Prozent des deutschen Baugeschäfts aus. Auch Heiko Stiepelmann, Sprecher des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie (HDB), ist pessimistisch: "Wir glauben nicht daran, dass der Wegfall der Firma Holzmann den Baumarkt sanieren wird."

Die Baubranche in Deutschland leidet unter extremen Überkapazitäten. Laut Ifo-Institut waren die Kapazitäten im Bauhauptgewerbe in Gesamtdeutschland im Durchschnitt der ersten drei Quartale 2001 gerade einmal zu 61 Prozent ausgelastet. Daran ist zum einen die Politik schuld: Nach der Wende pumpte der Staat Subventionen für den Bau nach Ostdeutschland - viel zuviele. Derzeit stehen in Ostdeutschland rund eine Million Wohnungen leer. So waren in Leipzig Ende vergangenen Jahres 23,5 Prozent der Bürogebäude unbenutzt - in Westdeutschland sind Leerstände von bis zu fünf Prozent normal. Auch die Konjunkturkrise tut das ihre dazu: 2001 sind laut Statistischem Bundesamt 16,5 Prozent weniger Bauaufträge genehmigt worden. Für 2002 rechnet niemand mit einer Besserung. In Ostdeutschland ist jeder zweite, der 1995 noch auf dem Bau gearbeitet hat, heute ohne Job. In Westdeutschland ging jede dritte Stelle verloren.

Und trotzdem wird die Holzmann-Pleite das Problem nicht wesentlich verringern: "Im Inland abgebaute Kapazitäten würden ausländische Konkurrenten als Subunternehmer schnell ausgleichen können", sagt Verbandssprecher Stiepelmann. In Zeiten des europäischen Binnenmarkts sei das ein Problem. Durch die starke Konkurrenz würden die Unternehmen "in unfaire Verträge gedrängt, die sie besser nicht unterschreiben sollten". Verschärft wird die Lage durch ein Heer von illegalen Beschäftigten auf dem Bau. Auf 250 000 wird ihre Zahl geschätzt, sagt Ilona Klein, Sprecherin des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes (ZDB). Dies sei die eigentliche Konkurrenz, weniger die legal auf dem deutschen Markt arbeitenden ausländischen Anbieter.

Dazu kommt, dass Pleiten in der Baubranche paradoxerweise zu mehr Unternehmensgründungen führen. Holzmann ist nicht die einzige Pleite in der Branche. Im Jahr 2001 gingen 9000 Bauunternehmen in Konkurs - laut Statistischem Bundesamt 19,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Jedoch verschwinden die Beschäftigten nicht einfach vom Markt. Denn: "Die Branche befindet sich in einem permanenten Atomisierungsprozess", sagt Stiepelmann. Aus jedem mittelständischen Unternehmen, das aufgeben müsse, entstünden drei, vier kleinere, weil sich die entlassenen Ingenieure selbstständig machten. Das führt laut IG Bau-Chef Klaus Wiesehügel auch zu einem Überfluss an Managern: Die Baugewerkschaft rechnet, dass die Branche zwischen 1995 und 2001 eine halbe Million Jobs verloren hat, aber nur 2000 Firmen. Das deute darauf hin, dass die Branche nicht mehr zu viel Personal habe - sondern zu viele Manager.

Das Argument, Holzmann habe mit Niedrigstpreisen den Wettbewerb verzerrt, und jetzt weiche endlich der Preisdruck auf dem Markt, gilt auch nur begrenzt. Zwar wurde Holzmann seit jeher beschuldigt, mit billigen Subunternehmern die Preise zu verderben. Zudem bekam der Baukonzern bei seiner Sanierung 1999 das Sonderrecht, die Tarife zu unterschreiten. Und diese Preisvorteile habe der Konzern im Wettbewerb eingesetzt, heißt es in Branchenkreisen. "Holzmann hat viele Mittelständler auf dem Gewissen", sagt ZDB-Sprecherin Klein.

Die deutsche Bauwirtschaft ist stark mittelständisch geprägt. Weniger als ein Viertel aller Beschäftigten arbeitet noch in Betrieben mit mehr als 100 Mitarbeitern wie etwa ehemals Holzmann, Bilfinger und Berger oder Hochtief. Und nur die anderen Großen waren Konkurrenten von Holzmann im Hochbau und haben direkt unter den niedrigen Preisen gelitten. Nur sie profitieren von dem Verschwinden des billigen Wettbewerbers. "Die Holzmann-Pleite hat die Chancen von Bilfinger und Berger und Hochtief verbessert, dieses Jahr im Inlandsgeschäft schwarze Zahlen zu schreiben", sagt Bauanalystin Nestroy. Das Gros des Mittelstands sei jedoch nicht direkt betroffen.

Die Großen werden ihr Inlandsgeschäft - egal wie unprofitabel - nicht weiter abbauen. Zwar erwirtschaften sie inzwischen 60 bis 80 Prozent ihres Umsatzes im Ausland - die deutschen Kapazitäten werden sie aber allein wegen ihrer strategischen Bedeutung nicht abbauen. Denn aus dem Inlandsgeschäft schöpfen sie die Kompetenz, die Geschäfte im Ausland überhaupt ermöglicht. Die deutsche Bauwirtschaft wird dem hochsubventionierten Steinkohlebergbau immer ähnlicher. Der wird nicht nur dadurch gerechtfertigt, dass sich Deutschland, würde er aufgegeben, noch abhängiger von ausländischen Energielieferanten machen würde, sondern auch die technologische Kompetenz in einer Branche aufgeben würde.

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