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Wirtschaft: Was bleibt Kamp-Lintfort?

1100 Mitarbeiter des Handy-Werks suchen einen neuen Job . Sie erwarten mehr Hilfe von Siemens

Düsseldorf - Unsicherheit, Bangen, Hoffnung und Kampfeswille – so beschreibt Ulrich Marschner, Leiter der örtlichen IG Metall, die Stimmung im Handy-Werk Kamp-Lintfort einen Monat nach der Pleite von BenQ Mobile. „Alarmstufe Rot“ steht auf Plakaten, die in vielen Schaufenstern der niederrheinischen Stadt hängen. 1100 der 1800 Kamp-Lintforter Arbeiter mussten bereits ihren Arbeitsplatz räumen, ebenso wie 850 Kollegen in der Münchner Firmenzentrale und 160 Mitarbeiter der Kundendienstfirma Inservio im westfälischen Bocholt. Noch wurde ihnen nicht gekündigt, sie bereiten sich aber schon in Weiterbildungskursen auf die Suche nach einer neuen Stelle vor. „Diese hohe Zahl war ein Schlag ins Kontor“, sagt Marschner. „Wir waren davon ausgegangen, dass wesentlich mehr Menschen eine Perspektive bekommen und Siemens das auch mitträgt.“

Siemens als ehemaliger Arbeitgeber wehrt sich gegen Verdächtigungen, BenQ nur als Mittler benutzt zu haben, um die verlustbringende Handy-Sparte nicht selbst dichtmachen zu müssen. Die Jobbörse des Konzerns soll offene Stellen vorrangig BenQ-Beschäftigten anbieten. Nach Angaben von Siemens haben sich bisher 1100 von ihnen beworben. Siemens hofft, erste Vermittlungserfolge kommende Woche verkünden zu können. Doch nur wenige der 2000 offenen Stellen kommen für die BenQ-Leute in Frage.

Die Konzernspitze sieht derweil vor allem BenQ aus Taiwan in der Pflicht – „die Leute, die das ganze Desaster zu verantworten haben“, wie Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer es ausdrückte. Auf Anfrage wollte BenQ-Finanzvorstand Eric Yu keine Angaben zu einem eigenen Beitrag für die Beschäftigten machen und verwies auf laufende Verhandlungen mit Siemens. Der taiwanesische Technikkonzern hat nach eigenen Angaben mit BenQ Mobile in einem Jahr einen Verlust von 850 Millionen Euro gemacht – bei einem Umsatz von 1,7 Milliarden Euro.

Die verbliebenen 1150 Arbeitsplätze von BenQ Mobile will Insolvenzverwalter Martin Prager retten, indem er das Unternehmen zu einem Auftragsfertiger für Handys unter fremdem Namen umbaut. Das sei „die einzige Chance“, das Unternehmen über den Jahreswechsel hinaus zu erhalten. Positive Signale von großen Netzbetreibern gibt es schon – aber noch keine Zusage eines Investors.

Falls es dabei bleibt, findet sich die gesamte Belegschaft am 1. Januar in zwei Transfergesellschaften wieder, einer für Bayern und einer für Nordrhein-Westfalen. Das Budget beträgt derzeit 50 Millionen Euro, die je zur Hälfte von Siemens und einem Treuhandkonto des Insolvenzverwalters kommen. Die Gewerkschaft hält das Vierfache für nötig. Die beteiligten Landesregierungen wollen aber mit den vorhandenen Mitteln auskommen. Der volle Betrag werde nur gebraucht, wenn alle BenQ-Beschäftigten ein Jahr lang keine Stelle finden, sagte ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Arbeitsministers Karl-Josef Laumann (CDU). Auch er forderte aber einen höheren Beitrag von Siemens: „Siemens könnte beispielsweise Aufträge nach Kamp-Lintfort vergeben. Die können da ja nicht nur Handys bauen, sondern auch Platinen und anderes.“

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