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Wirtschaft: Wohin die Reise geht

Die Bahn beklagt Führungschaos bei der GDL. Arbeitsrechtler halten Eskalation für möglich

Berlin - Die Bahn gibt sich betont verhandlungsbereit. „Wir sitzen am Tisch und warten auf die GDL“, sagte Karl-Friedrich Rausch, im Vorstand der Bahn für den Personenverkehr zuständig, am Donnerstag. Die Bahn habe am Montag ein „attraktives Angebot“ vorgelegt. In den vergangenen Tagen habe es Telefonate mit GDL-Vertretern gegeben, aber keine Verhandlungen. Mit Blick auf den in einer Erholungskur weilenden GDL-Chef Manfred Schell sagte Rausch, man „wisse nicht genau, wer im Moment unser Ansprechpartner ist“. Der Bahn-Vorstand warnte die GDL vor Arbeitsplatzverlusten. Wenn die Bahn den Forderungen stattgäbe, verlöre sie ihre Wettbewerbsfähigkeit und müsste in der Konsequenz Stellen streichen. Auch die Arbeitsplätze von Lokführern.

SPD-Chef Kurt Beck warf den Lokführern Rücksichtslosigkeit vor: „Insgesamt muss man klarmachen: Es ist ein kleiner Prozentsatz der Bahnbeschäftigten, es ist nur ein kleiner Teil der Lokführer, und es ist ein Teil, der sich aus der Solidargemeinschaft aller bei der Bahn herausbegibt.“ Beck warnte: „Wenn das losgeht in Deutschland, kommen wir in eine ähnliche Situation, wie wir sie in Großbritannien früher hatten, nämlich: Jede Kleingruppe bildet eine Gewerkschaft und versucht, ihre Sonderinteressen durchzusetzen.“ Trotzdem lehnte Beck ein direktes Eingreifen der Politik in den Tarifstreit ab. Eine Lösung zu finden, sei Aufgabe der Tarifparteien. Ähnlich äußerte sich Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), der GDL und Bahn zur Wiederaufnahme von Gesprächen mit anschließenden Verhandlungen aufforderte.

Bahn-Chef Hartmut Mehdorn sagte auf dem Logistik-Kongress, der zurzeit in Berlin stattfindet, trotz der erneuten Streiks, habe es der Konzern am Donnerstag „geschafft, zumindest 80 Prozent der Züge zu fahren“. Es habe kein Chaos gegeben. „Es ist eben nur so, dass es halt manchmal ein bisschen länger dauert“, sagte Mehdorn. Er bedauere die Situation, zurzeit sei aber „noch keine Lösung in Sicht“. Norbert Bensel, Vorstand der Bahn-Logistiksparte, warnte auf dem Kongress vor einer Zersplitterung der Gewerkschaften durch die Aufgabe der Tarifeinheit. Bensel nannte das Verhalten der GDL unangemessen. „Wir als Arbeitgeber haben keine Chance auszusperren“, sagte der Vorstand. Er habe Zweifel, ob es angemessen sei, wenn 8000 Lokführer, die sich an der Urabstimmung der GDL beteiligt haben, den Verkehr lahmlegten. „Dies ist ein Schaden vor allem für die Volkswirtschaft.“

Der Güterverkehr, der nach einer einstweiligen Verfügung des Arbeitsgerichts Chemnitz genauso wie der Fernverkehr derzeit nicht bestreikt werden darf, habe sich zuletzt aber gut entwickelt, sagte Bensel. „Das dritte Quartal ist gut gelaufen.“ Nur im Juli war die Sparte durch vereinzelte Arbeitsniederlegungen getroffen worden.

Arbeitsrechtsexperten halten allerdings eine weitere Eskalation des Tarifstreits für möglich. Anja Mengel, Anwältin bei der Kanzlei Wilmerhale, sagte dem Tagesspiegel: „Ein Streik der GDL etwa im Fern- oder Güterverkehr ist nicht für alle Zeit ausgeschlossen, nur weil es eine einstweilige Verfügung aus Chemnitz gibt.“ Jedes Arbeitsgericht in Deutschland könne schon morgen anders entscheiden – wenn etwa die GDL einen Arbeitskampf anders begründen würde, sagte Mengel. „Womöglich ändern sogar die Chemnitzer Richter dann ihre Auffassung. Bislang haben sie das Recht der Kunden und der Wirtschaft auf funktionierende Transportwege höher eingestuft als das Streikrecht der GDL.“ Nach Einschätzung der Anwältin ist eine Aussperrung für die Bahn keine Alternative. Denn es sei nicht möglich, nur die GDL-Mitglieder auszusperren.

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