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Brandenburg: Zur Not hilft nur noch Sprengstoff

Bislang halten die Deiche in der Prignitz, aber mit dem angekündigten Tauwetter wächst die Gefahr

Wittenberge. Viele Bewohner des 75 Kilometer langen Brandenburgischen Elbabschnittes in der Prignitz sehen mit Bangen dem vorausgesagten Tauwetter in dieser Woche entgegen. Dann könnten sich weite Gebiete hinter dem Deich in eine riesige Sumpflandschaft verwandeln. Keller und Straßen werden mit Sicherheit unter Wasser gesetzt. Der hohe Pegel der Elbe hat das Grundwasser großflächig nach oben gedrückt, gleichzeitig ist sowohl die Gefahr einer Beschädigung als auch einer Überflutung der Dämme nicht gebannt. Auf der Elbe treiben nach wie vor große Eisschollen, die sich schnell zu einer Barriere auftürmen und so den Fluss anschwellen lassen könnten.

„Die Lage ist entspannt, aber nicht unkritisch“, lautete das Fazit des in Perleberg tagenden Prignitzer Katastrophenstabes. Beruhigende Nachrichten verbreiteten vor allen die Melder der aktuellen Pegelstände. In Wittenberge verharrte die Elbe gestern den ganzen Tag bei 6,71 Metern. Normalerweise liegt der Wasserstand in dieser Jahreszeit bei drei Metern. Beim Sommerhochwasser war die Elbe auf 7,35 Metern angestiegen. Auch diesmal hatte das Brandenburger Landesumweltamt eine Wasserhöhe über 7 Meter und sogar eine Flutwelle vorausgesagt. Aber diese Prognosen traten nicht ein.

Dennoch gab es von dieser Behörde noch keine Entwarnung. „Der hohe Wasserstand drückt im Unterschied zum Sommer nicht nur drei bis vier Tage gegen die Deiche, sondern mindestens eine Woche“, erklärte der Präsident des Landesumweltamtes, Professor Matthias Freude. Niemand könne voraussagen, wie die Deiche diesem Druck standhalten. Gestern beschäftigte allerdings noch der Eisgang die Einsatzkräfte an mehreren Orten. Zwischen Cumlosen und Jagel sowie vor Müggendorf – alle nördlich von Wittenberge gelegen – hatten sich Eisschollen in die Deiche gebohrt und sie über weite Strecken regelrecht aufgeschlitzt. Um weitere Schäden zu vermeiden, wurden große Betonplatten auf den Böschungen verlegt. Die Arbeiten dauerten die ganze Nacht. Die Freiwillige Feuerwehr leuchtete die Baustellen aus.

Deichläufer beobachten seit Freitag die Eisbildung auf der Elbe. Bei der Feststellung von so genanntem Eisversatz, also dem Zusammenschieben von Schollen, alarmieren sie sofort den Katastrophenstab. „Für diese Fälle steht unser Eisbrecher im Wittenberger Hafen bereit“, sagte Wolfgang Schulz, Chef des Prignitzer Katastrophenstabes. „Falls auch er die Eisbarrieren nicht durchstoßen kann, bleibt nur noch die Sprengung.“ Die Bundeswehr stehe schon in Alarmbereitschaft, um schnell eingreifen zu können.

Im flussaufwärts gelegenen Magdeburg misslangen gestern allerdings mehrere Sprengversuche. Das Eis war einfach zu weich, als dass man den nötigen Druck zum Auseinanderreißen des Panzers zu erzeugen konnte. In ihrer Not griffen die Feuerwehrleute zu großen Kettensägen, um vom Boot aus eine Rinne zum Ablaufen der Eisschollen zu schaffen. Auf so eine Taktik bereiteten sich auch die Feuerwehren in der Prignitz vor.

Viele Prignitzer zog es gestern aus Neugier an die Deiche. Zuletzt hatte es 1982 ein vergleichsweises hohes Winterhochwasser gegeben, in dem der Fluss zu 70 bis 80 Prozent mit Eisschollen bedeckt war. Bei den damaligen Temperaturen versagte sogar das sonst verlässliche Auftaumittel rund um Wittenberge. Chemiebetriebe leiteten Abwässer in die Elbe und verhinderten so in der Regel ein Zufrieren des Flusses. Heute sind die meisten Industriebetriebe dicht und das Eis kann ungehindert wachsen.

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