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Brandenburg: Zwangszusammenschlüsse von Gemeinden: Groß Muckrower wollen bleiben, was sie sind: Glücklich und zufrieden im eigenen Dorf

Auf die lautstarken Buh-Rufe des versammelten Dorfes reagiert Innenminister Schönbohm mit einem Lächeln. So leicht lässt sich der 62-Jährige nicht aus der Ruhe bringen, schon gar nicht tief in der Provinz.

Auf die lautstarken Buh-Rufe des versammelten Dorfes reagiert Innenminister Schönbohm mit einem Lächeln. So leicht lässt sich der 62-Jährige nicht aus der Ruhe bringen, schon gar nicht tief in der Provinz. In Groß Muckrow will er vor laufenden Kameras der gestern ausgestrahlten "Vor-Ort"-Sendung des ORB seine Gemeindereform verteidigen. Künftig soll es nach seinem Willen keine selbstständigen Dörfer mehr unter 500 Einwohnern geben. "Wenn nichts passiert, sind wir Pleite", versucht der Minister alle Widerständen zurückzuweisen. Es müsse schließlich überall im öffentlichen Dienst gespart werden. Dazu gehören offensichtlich auch die Entschädigungen für ehrenamtliche Gemeindevertreter und Bürgermeister. 90 Mark monatlich erhält im Schnitt jeder Abgeordnete im Dorfparlament. Entscheidend sind die jeweilige Einwohnerzahlen.

Groß Muckrow zwischen Beeskow und Guben im Osten Brandenburgs ist gar nicht so groß, wie es der Name vermuten lässt. Ganze 360 Menschen leben in überwiegend gepflegten Häusern entlang der Dorfstraße. Der Ort kann sich sehen lassen. Die Menschen erzählen stolz vom Karnevalsverein, vom Fußballclub und dem rührigen Seniorenleben. "Das alles stirbt, wenn wir mit anderen Orten zusammengehen müssen", ruft Bürgermeister Erhard Dressler unter dem Beifall seiner Wähler in die Runde. "Uns wird das letzte Stück kommunaler Selbstverwaltung genommen, der finanzielle Spielraum schwindet." 17 000 Mark könne Groß Muckrow in jedem Jahr für seine Zwecke ausgeben. Bei einem Zusammenschluss müsste das Geld mit den Nachbarn geteilt werden. Den Verdacht des Egoismus will der Bürgermeister jedoch erst gar nicht aufkommen lassen.

Stattdessen zeichnet er ein Schreckgespenst. Wenn die Gemeinden nur noch eine gemeinsame Vertretung hätten, setze sich bei allen Beschlüssen stets der größte Ort durch. Die kleinen Dörfer fielen in ein Loch. Positive Gegenbeispiele lässt Dressler nicht gelten. Das seien alles freiwillige Zusammenschlüsse von Dörfern. "Aber wer zwangsweise vereinigt wird, erleidet Schiffbruch", meint der Bürgermeister.

Schönbohm kontert. Jeder Ortsteil behalte seinen Bürgermeister, in der Gemeindevertretung werde demokratisch entschieden. Niemand wolle den Dörfern ihre Identität nehmen. Brandenburg sei außerdem das einzige Bundesland mit so vielen Mini-Gemeinden. 60 Prozent aller Dörfer habe weniger als 500 Einwohner. Außerdem sei es mit dem ehrenamtlichen Engagement gar nicht so weit her, wie das immer wieder behauptet werde. Bei den letzten Kommunalwahlen habe es in 130 Dörfern überhaupt keinen Kandidaten für die Wahlen für die Gemeindevertretung gegeben.

Schönbohms Selbstbewusstsein kommt nicht von ungefähr. Wenige Stunden vor dem Fernseh-Auftritt hatte die Landesregierung einstimmig das Reformprojekt des Innenministers gebilligt. Seinem Vorgänger im Amt, Alwin Ziel, war das nicht gelungen. Nun soll bis zum März 2002 über Zusammenschlüsse diskutiert werden. Danach beschäftigen sich das Kabinett und der Landtag mit den ungelösten Fällen. Unruhe wie in Groß Muckrow dürfte überall garantiert sein. Eine Abstimmung am Ende der Sendung fiel eindeutig aus: Die Groß Muckrower wollen bleiben, was sie sind: Groß Muckrower.

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