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Brandenburg: Zwölf Paragrafen für eine Kahnfahrt

Die Richtlinie des Landes für das wichtigste Verkehrsmittel im Spreewald strotzt vor bürokratischen Regelungen – doch die Betroffenen sind froh

Lübbenau - Für Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ist Bürokratie-Abbau Chefsache. Seit gut einem Jahr mühen sich seine Staatskanzlei, aber auch ein Sonderausschuss des Landtages, überflüssige Gesetze und Vorschriften ausfindig zu machen – und möglichst zu tilgen. Aber der Kampf gegen den Amtsschimmel scheitert manchmal nicht am Beharrungsvermögen der Behörden, sondern an der Regelungswut der Deutschen selbst, wie sich jetzt exemplarisch im Spreewald zeigt.

Das Landesamt für Bauen und Verkehr hat gerade im Amtsblatt Brandenburgs eine neue „Richtlinie für den Bau und die Ausrüstung von Spreewaldkähnen“ veröffentlicht. Diese enthält in zwölf Paragraphen penible Vorgaben, wie die traditionellen Kähne beschaffen sein müssen. Sie sind so detailliert, das man sich in der Staatskanzlei schon die Haare über diesen Unsinn raufte. Man merke: „Spreewaldkähne aus Holz sind Flachbodenkähne in Querverbretterung, wobei der Querboden mit Nut und Feder stumpf zur Bordwand zu verschrauben ist.“ Sie müssen „über eine solche Festigkeit und Steifigkeit verfügen“, dass die Nutzung und Beladung „nicht zu übermäßigen oder bleibenden Verformungen“ oder gar zur „Undichtigkeit des Bootskörpers“ führen. Da wird festgelegt, dass „Massivholz“ einzusetzen ist, und wie dick die Bordwand zu sein hat, nämlich bei einem 9,5-Meter-Kahn exakt 36 Millimeter. Und wehe, es werden statt reinem Metall irgendwelche Legierungen verwendet. Dann ist „gegenüber der Brandenburgischen Schiffsuntersuchungskommission“ nämlich der Nachweis zu erbringen, dass diese genauso fest wie unlegiertes Metall sind.

Damit bei der Fahrt durch die Fließe alles seine Ordnung hat, dürfen „Bänke, Ausrüstungsteile und andere Gegenstände bei einem seitlichen Neigungswinkel des Fahrzeuges bis 7,5 Grad nicht über die Senkrechte der Außenkante der Bordwand ragen.“ Und natürlich müssen zur „Mindestausrüstung“ von Personenkähnen ein Rettungsring und zwar einer „mit einem Mindestauftrieb von 100 Newton“ gehören, außerdem ein „Verbandskasten gemäß DIN 13157 C, Ausgabe Oktober 1988“ (Nanu, da gab es doch noch die DDR?) sowie „zwei Rudel“, womit man die Schubstangen meint.

Aber wer nun glaubt, die Kahnleute des Spreewaldes würden Zeter und Mordio schreien, der irrt gewaltig. Die Genossenschaft der Kahnfährleute aus Lübbenau, die immerhin rund 200 Mitglieder hat, begrüßt das straffe Potsdamer Reglement nämlich ausdrücklich. Und zwar vor allem, weil die neue Richtlinie viel „knapper und unbürokratischer“ als frühere Vorschriften sei, wie der Vorsitzende Steffen Franke lobt. „Das ist wirklich notwendig.“ Er verweist besonders auf jene Klausel, wonach die Sitze auf den Spreewaldkähnen mindestens 40 Zentimeter breit und der Abstand zwischen zwei Bänken nicht weniger als 70 Zentimeter betragen darf. Man kenne schließlich seine Pappenheimer. „Sonst wird einfach eine Bank mehr auf den Kahn gequetscht, um 15 Euro zusätzlich einzunehmen. Und die Gäste würden wie die Ölsardinen sitzen“, verrät Franke. Die Gäste sollen sich im Spreewald ja nicht fühlen „wie im Ferienflieger nach Mallorca.“

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