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Museen sind Orte, die Weltanschauungen schaffen und reproduzieren.

© Foto Sadough

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Berlin Science Week 2023: Die Macht der Sammlungen 

Wie politisch sind Sammlungen und Archive? Und wie sieht eine kritische Wissenschaft zum Thema aus? Diesen Fragen geht die Ausstellung „The Power in/of Collections“ nach.

Von
  • Pegah Byroum-Wand
  • Lukas Fuchsgruber
  • Malina Lauterbach

Stand:

Sammeln, Kuratieren, Ausstellen – diese Aktivitäten sind politisch. Spätestens seit den Protesten um das Berliner Humboldt Forum ist dies einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Doch die Debatte ist vielfältiger, geht es nicht nur um dieses eine Museum und was mit den dort ausgestellten kolonialen Sammlungen passiert, sondern um Museen als Orte, die Weltanschauungen schaffen und reproduzieren und damit in die Gesellschaft wirken.

Ausstellungen können, je nach Ausrichtung des Museums, das Ergebnis hegemonialer Beziehungen, Perspektiven oder Erzählungen sein oder im Gegenteil unsichtbar gemachte Kunst oder Geschichten des Widerstands in den Mittelpunkt rücken. Wie gesellschaftlich (wirk-)mächtig sind Museen heute und welche politische Verantwortung tragen sie? Welche Stimmen werden privilegiert, welche werden marginalisiert oder ausgeblendet? In welchem Verhältnis stehen Zugang zu Ressourcen und die Produktion von Wissen?

Zusammenarbeit zwischen Museen und zivilgesellschaftlichen Initiativen

Solche Fragen zu Museen stellen soziale Bewegungen bereits seit Jahrzehnten. Aktivist:innen führen oftmals lange existenzielle und marginalisierte Kämpfe, bevor ihre Perspektiven von Institutionen wahrgenommen oder gar vereinnahmt werden. Ihre Forderungen, in aktuellen Debatten um Restitution, sozioökonomische, rassistische, genderbezogene und ableistische Ausschlüsse, partizipative Museumskonzepte und Digitalisierung zu integrieren, gewinnen vor dem Hintergrund globaler Krisen und Umwälzungen eine neue Schärfe.

Die Zusammenarbeit zwischen Museen und zivilgesellschaftlichen Initiativen erlebt daher derzeit eine Hochkonjunktur. Projekte, Workshops, Ausstellungen und Interventionen sind nur einige Formen der Zusammenarbeit. Oftmals ist das Ziel der Institutionen, damit einen Veränderungswillen zu signalisieren, der Kritik aus aktivistischen Kreisen einen Raum zu geben oder etwa einen „Best Practice“-Leitfaden für andere Institutionen zu verfassen. Anknüpfend an die lange Geschichte der Konflikte um die Politik des Sammelns blickt die Ausstellung auf das Verhältnis von Museen, universitärer Wissenschaft und anderen Formaten der Wissensproduktion.

Dr. Pegah Byroum-Wand arbeitet seit 2021 an der Technischen Universität Berlin im Verbundprojekt „Museums and Society – Mapping the Social“ der Berlin University Alliance.

© Foto Markus Hillbich: Dr. Pegah Byroum-Wand

Was das Potenzial für neue Narrative und Umwälzungen mit sich bringt, ist gleichzeitig der Gefahr ausgesetzt, zum bloßen Symbol eines vermeintlichen Wandels der Institution zu werden, der dann nur an der Oberfläche stattfindet. Sich auf die Kritik anderer zu beziehen oder sie in Ausstellungen zu zeigen, bedeutet demnach nicht, dass tiefgründige Umwandlungsprozesse in Gang gesetzt werden. Im Gegenteil, Universitäten und staatliche Museen sind hierarchische Orte der Wissensproduktion, die historisch auf Machtausübung und Machterhalt ausgerichtet sind und strukturelle Ungleichheit in der Kooperation verfestigen können.

Deshalb ist eine kritische Reflexion dieses Machtungleichgewichts sehr wichtig für nachhaltige institutionelle Veränderungen. Das verdeutlicht auch das Beispiel des Humboldt Forums. Das Engagement der Zivilgesellschaft und die Forderungen Schwarzer Aktivist:innen und Aktivist:innen of Color zum Umgang mit den kolonialen Sammlungen wurden hierbei nicht angemessen berücksichtigt.

Dr. Lukas Fuchsgruber arbeitet ebenfalls im Projekt „Museums and Society – Mapping the Social“, mit einer Fallstudie zur Politik der Digitalisierung in Museen.

© Foto Dr. Lukas Fuchsgruber

So geht der gesellschaftliche Protest weiter und hinterlässt seine ganz eigenen Spuren, auf Plattformen und Kommunikationskanälen, in Form von Plakaten, Publikationen und Veranstaltungen. Auch andere Museen bleiben Gegenstand und Schauplatz von Klimaprotesten und feministischen und anti-rassistischen Interventionen. Die Politik der Sammlungen, gesellschaftliche Erzählungen zu produzieren, erfährt hier eine Einmischung. Kritik wird direkt am und im Museum platziert.

Wie aber kann eine kritische Wissenschaft dieser Tatsache Rechnung tragen? Einen Versuch liefert das Verbundprojekt „Museums and Society – Mapping the Social“, das sich unter anderem mit dem wechselseitigen Verhältnis von Museen und sozialen Bewegungen in Berlin befasst und mit Aktivist:innen zusammenarbeitet. Das Projekt wird von einem kritischen Beirat begleitet, in dem Expert:innen zu Digitalisierung, Intersektionalität, Menschen mit Behinderungen, Klassismus, Dekolonisierung und Institutionskritik sitzen und die Vorgehensweise der Wissenschaftler:innen beurteilen. Ziel der Zusammenarbeit ist es, die Forschung kritisch zu diskutieren und gegebenenfalls anzupassen.

Ausstellung im Holzmarkt

Ein Teil der Ergebnisse aus dem Projekt fließt in die gemeinsame Ausstellung mit weiteren Wissenschaftler:innen im Holzmarkt ein. Drei Themen stehen dabei im Fokus. Im Abschnitt „Macht von Archiven“ geht es um Materialsammlungen, die von sozialen Bewegungen und marginalisierten Gruppen angelegt werden. Hierbei liegt der Fokus auf dem Archiv als einem Ort, an dem Widerstand geleistet werden kann, indem Geschichte(n) gepflegt, dokumentiert und erinnert werden und andere Erzählungen entstehen als in den großen Museen.

Um diese geht es im zweiten Abschnitt zu „Macht von Sammlungen“. Wie umgehen mit Kunstsammlungen, die auf gesellschaftliche Ungleichheiten aufbauen und diese reproduzieren? Wie können wir die Machtverhältnisse in den Blick nehmen und auch die kuratorischen Gesten, Etiketten, Kataloge und Museumsdatenbanken als Archive der Ungerechtigkeit lesen? Im dritten Abschnitt „Kritische Kunstpraxis“ geht es um machtkritische Perspektiven auf Institutionen. Häufig laden Museen Künstler:innen ein, sich kritisch mit den Sammlungen auseinanderzusetzen.

Malina Lauterbach (MA) arbeitet an der TU Berlin in dem Projekt „Oxford-Berlin Initiative on Museums as Spaces of Social Cohesion an Conflict“ der Berlin University Alliance.

© Foto Richard Pflaume: Malina Lauterbach

Aber auch außerhalb solcher Zusammenarbeit haben Künstler:innen seit den 1990er Jahren Projekte entwickelt, in denen sie die Systematiken des Sammelns und Ausstellens ad absurdum führten oder ihre eigenen Gegenerzählungen entwickelten. Im Rahmen der „Oxford-Berlin Initiative on Museums as Spaces of Social Cohesion and Conflict“ werden Projektbeteiligte mithilfe von Klang und Bildern erörtern, inwiefern die ästhetische Praxis ein wirksames Mittel zur Störung verfestigter Erzählungen sein kann und zum Perspektivwechsel aufruft.

Die Hoffnung ist, mit dieser Ausstellung einen Raum entstehen zu lassen, in dem die Macht der Sammlungen kritisch beleuchtet wird. Die Ausstellung ist im Holzmarkt zu sehen, am 5. November werden Wissenschaftler:innen vor Ort sein.

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