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Interview mit Detley Blenk (IKEA) zu Diversity:: „Wir haben seit 2019 die Gender-Balance bis ins oberste Management erreicht“
Detlev Blenk, Equality, Diversity & Inclusion Manager bei IKEA Deutschland, über Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion als Erfolgsgeschichte bei IKEA
Stand:
Wie wichtig ist Diversity für unsere Gesellschaft?
Auch wenn es laute Stimmen gibt, die Vielfalt für unser Land ablehnen, bin ich froh, dass die große Mehrheit in Deutschland Vielfalt gutheißt, unterstützt und wählt. Damit das so bleibt, müssen Organisationen und Unternehmen wie IKEA sich klar für Vielfalt positionieren.
Unsere Gesellschaft braucht Lösungen, um Geflüchtete besser zu integrieren als jetzt. Sie braucht Regelungen, die das Leben für Menschen mit Behinderung einfacher macht. Sie braucht Menschen, die sich kontinuierlich für eine buntere Welt einsetzen, in der alle so sein können, wie sie sind. Bei der Vielfalt darf es aber nicht bleiben! Erst Inklusion aller Diversity-Dimensionen macht aus integrieren, inkludieren – und darauf kommt es fast noch mehr an, als auf Vielfalt alleine.
Welche Relevanz hat Diversity in Ihrem Unternehmen?
Bei IKEA haben Vielfalt und Inklusion der Vielfalt einen enorm hohen Stellenwert. Unsere schwedischen Wurzeln und unsere humanistische Unternehmenskultur sind hier durchaus vorteilhaft. Aber ohne bewusstes Handeln und strategische Verankerung würden wir nicht sehr weit kommen.
Unsere Unternehmensvision, den vielen Menschen einen besseren Alltag zu ermöglichen, zeigt auf, worum es uns geht: um die vielen, nicht nur einzelne Gruppen. Wir sind schon ein wenig stolz darauf, dass wir seit 2019 die Gender-Balance bis ins oberste Management erreicht haben.
Von allein kommt so etwas nicht, das braucht klare Vorgaben, Initiativen und Follow-up. Für alle Diversity-Dimensionen konnten wir Sponsor:innen aus der Unternehmensleitung gewinnen, die eine tolle Verbindung zwischen marginalisierten Gruppen und unternehmerischen Entscheidungen herstellen.
Was wurde bisher in Ihrem Unternehmen erreicht?
Die 50 Prozent weiblichen Führungskräfte hatte ich ja bereits erwähnt, darüber hinaus haben wir in unseren 54 Einrichtungshäusern 2023 eine Quote von 6,4 Prozent Menschen mit Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung. Unser Ziel ist 8 Prozent bis Ende 2027. Bei uns arbeiten derzeit 130 Nationalitäten und 10 Prozent LGBTQIA+.
Die Altersvielfalt für IKEA Deutschland deckt sich zu 93 Prozent mit der, der deutschen Erwerbsbevölkerung – ein Zeichen, dass wir jedes Jahr besser darin werden, die Gesellschaft abzubilden. Wir fördern derzeit stark unsere Führungskräfte, um sich möglichst unvoreingenommen auf Bewerber:innen einzulassen, die nicht unbedingt dem gewohnten Profil entsprechen.
Hier sehe ich den größten Hebel für Vielfalt und Inklusion bei uns – es braucht allerdings einen langen Atem, denn bewusste und unbewusste Vorbehalte sind menschlich, nur eben oft nicht inklusiv.
Von welchem Best Case können andere lernen?
Unser Förderprogramm für geflüchtete Frauen ist schon etwas ganz Besonderes. Hier haben wir mit socialbee einen wirklich starken Partner an der Seite. Es zeigt unseren Denkansatz, lieber bei einigen Gruppen „all in“ zu gehen, statt allen Vielfalts-Dimensionen ein wenig gerecht zu werden.
Menschen mit Fluchthintergrund sind seit über vier Jahren einer dieser Schwerpunkte, bei dem wir uns stark investieren. Kontinuierliche und kurze Impulse rund um Themen wie Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion sind ebenfalls eine Erfolgsgeschichte bei IKEA geworden. In unserer jährlichen Mitarbeitendenbefragung wird Diversity & Inclusion positiv bewertet. Viele Kolleg:innen sind stolz, wofür IKEA hier steht und was wir tun.
Was ist für Sie die größte Herausforderung bei der Umsetzung von Diversity in Unternehmen?
Die größte Herausforderung sehe ich darin, das Mindset hin zu mehr Inklusion zu verändern. Ganz oft sind es Berührungsängste oder fehlende Erfahrungen, die uns – da muss ich mich selber ganz klar miteinschließen – davon abhalten, offener zu sein und Vorbehalte zu reduzieren.
Was nehmen Sie sich als nächstes vor?
Unsere über 60 Gebäude in Deutschland inklusiver zu machen, ist ein großer Schwerpunkt für die nächsten zehn Jahre. Damit sind oft hohe Kosten oder aufwendige Umbauten verbunden, weshalb das ganze strategisch gut ausgearbeitet werden muss.
Und natürlich gibt es auch viele kleine Dinge, mit großer Wirkung, die kurzfristiger gelöst werden können. Ein Beispiel sind hier unsere Selbstbedienungskassen. Hier sind die Terminals beim Bezahlen mit Kreditkarten für Menschen im Rollstuhl oft noch schwer zu erreichen.
Zudem wünsche ich mir in allen Gebäuden einen Raum der Stille, der auch als Gebetsraum verwendet werden kann. Optimalerweise verbunden mit geeigneten Waschbecken für die Fußwaschung.
Und natürlich wollen wir dem Selbstbestimmungsgesetz gerecht werden und Toiletten, sowie Umkleideräume für trans* und nicht-binäre Kolleg:innen und Kund:innen einrichten. Auch das wird bei so vielen Gebäuden eine Weile dauern.
Ein Blick in die Zukunft: Was ist das nächste große Thema für die Diversity-Arbeit?
Da fallen mir mehrere Themen ein. Einerseits halte ich es für ausschlaggebend, dass Verantwortliche für Equality, Diversity und Inclusion direkt an die Unternehmensleitung berichten und damit in der ersten und zweiten Führungsebene präsent sind. Denn vielfältig und inklusiver wird man nicht durch einen Workshop alle paar Jahre.
Dazu braucht es konstante Bewusstseinsarbeit auf allen Ebenen, aber ganz besonders bei den Entscheidungsträger:innen. Vielleicht werden wir in ein paar Jahren auch eine gewisse Müdigkeit in der DEI-Arbeit der Unternehmen feststellen. Oder auch Budgetkürzungen, falls der wirtschaftliche Aufschwung länger auf sich warten lässt.
Und ganz persönlich denke ich, dass der wachsende Rechtsruck in Teilen der Gesellschaft seitens der Unternehmen noch größere Herausforderungen darstellen wird. Von außen und von innen. Denn gerade große Unternehmen spiegeln ja Gesellschaft genauso wider, zumindest regional. Aber vielleicht auch zunehmend im ganzen Land. Und dann sind die Arbeitgeber ein immer wichtigeres Sprachrohr, um für eine respektvolle, vielfältige und inkludierende Gesellschaft aufzutreten. Am besten sogar gemeinsam.